Jesus Christus

Die letzten 24 Stunden im Leben des Herrn Jesus (Teil 4)

Teil 4: Verhöre vor den Juden

Im Anschluss an den Verrat und die Gefangennahme in Gethsemane berichtet die Bibel von sechs verschiedenen Verhören, die unser Herr Jesus im Lauf dieser Nacht über sich ergehen lassen musste.

Im Hof des Hohenpriesters fand das Hauptverhör vor den Hohenpriestern, Schriftgelehrten und Ältesten statt – der geistlichen Führungsschicht der Juden. Dieses Verhör offenbarte den blinden Hass dieser Männer, die auch nicht davor zurückscheuten, das geltende Prozessrecht auf übelste Weise zu beugen. In der Tat: „An der Stätte des Rechts, da war die Gottlosigkeit, und an der Stätte der Gerechtigkeit, da war die Gottlosigkeit“ – so beschreibt es Prediger 3,16.

In Ermangelung von Beweisen wurde „falsches Zeugnis gesucht“, um wenigstens der Form nach einen Anklagegrund zu finden. Die knappe Feststellung des Heiligen Geistes lautet: „Und sie fanden keins, obwohl viele falsche Zeugen herzutraten“ (Mt 26,60).

Auf diese falschen Anklagen antwortete der Herr Jesus nichts. Oft genug hatte er die Pharisäer oder Sadduzäer zum Schweigen gebracht, ihre boshaften Absichten entlarvt und sie selbst ins Licht Gottes gestellt. Aber jetzt schwieg der Heiland. Er verteidigte sich nicht, Er widersprach nicht, Er klagte nicht an wie einst Elia – still ertrug Er diese Verhandlung. Wenn es darum ging, sich selbst zu verteidigen, schwieg der Herr Jesus und erfüllte so die Vorhersage des Propheten: Er „tat seinen Mund nicht auf, wie ein Lamm, das zur Schlachtung geführt wird, und wie ein Schaf, das stumm ist vor seinen Scherern“ (Jes 53,7). Er entsprach in Vollkommenheit dem, was Psalm 38,13-16 beschreibt: „Und die nach meinem Leben trachten, legen mir Schlingen; und die mein Unglück suchen, reden von Schadentun und sinnen auf Trug den ganzen Tag. … Und ich bin wie ein Mann, der nicht hört, und in dessen Mund keine Gegenreden [o. Rechtfertigungsgründe] sind. Denn auf dich, HERR, harre ich; du wirst antworten, Herr, mein Gott.“ In der Tat, der Herr Jesus „übergab sich dem, der gerecht richtet“ (1. Pet 2,23).

Dieses Verhör entlarvte die boshaften Absichten der Juden und offenbarte gleichzeitig die Würde und Erhabenheit des Herrn Jesus. Dann kam aber doch der Augenblick, in dem der Herr sich äußerte (Mt 26,63.64): Auf die Beschwörungsformel des Hohenpriesters hin war ein Angeklagter gezwungen, zu antworten. Aber was für eine Antwort gab Er! Der Herr Jesus legt in bewunderungswürdiger Weise Zeugnis ab von

  • seiner Herrlichkeit als Sohn Gottes (nach Ps 2,2.7; Lk 1,35; Joh 11,27; Röm 9,5),
  • seiner Erhabenheit als Sohn des Menschen.

Mit diesen beiden Titeln sind zwei wunderbare Herrlichkeiten und Würden unseres Herrn verknüpft: Er ist der Christus, der Gesalbte Gottes, „Gott, gepriesen in Ewigkeit“ (Röm 9,5), und gleichzeitig wahrer Mensch – und das in Ewigkeit!

Der Herr Jesus ist aber nicht nur der Sohn Gottes weil er durch Gott, den Heiligen Geist, gezeugt wurde (Lk 1,35), sondern auch der ewige Sohn Gottes, der Eingeborene vom Vater – unvergleichlich und einzigartig. Und Er ist der Sohn des Menschen, der zur „Rechten der Macht sitzt“ und der kommen wird in großer Macht und Herrlichkeit. Sein Kommen bedeutet gerechtes Urteil und Gericht für alle Feinde und zugleich unermesslichen Segen für sein irdisches Volk und die Nationen. Was für ein gewaltiger Ausblick!

Und die Antwort der geistlichen Führerschaft? „Sie aber antworteten und sprachen: Er ist des Todes schuldig. Dann spien sie ihm ins Angesicht und schlugen ihn mit Fäusten; einige aber schlugen ihm ins Angesicht“ (Mt 26,66-67). Es ist ein Ausdruck höchster Verachtung, wenn vor einer Person ausgespuckt wird, um seine ganze Ablehnung zu zeigen. Aber hier wurde nicht vor dem Heiland ausgespuckt, nein, man spuckte ihm geradewegs ins Gesicht. Was für eine schamlose Behandlung! In dieser Situation erfüllten sich die Worte des Propheten Jesaja: „Mein Angesicht verbarg ich nicht vor Schmach und Speichel“ (Jes 50,6).

War es der Mob (Pöbel) des Volkes, der in dieser Weise entgleiste? Nein, es waren die geistlichen Führer des jüdischen Volkes, die den Herrn Jesus so behandelten. Lukas beschreibt diese Szene wie folgt: „Und die Männer, die ihn festhielten, verspotteten und schlugen ihn. Und als sie ihn verhüllt hatten, fragten sie ihn und sprachen: Weissage, wer ist es, der dich schlug? Und vieles andere sagten sie lästernd gegen ihn“ (Lk 22,63-65). Offensichtlich hatte man über den Kopf des Herrn Jesus ein Tuch geworfen, das Ihm die Sicht nahm. So prasselten die Schläge in das Gesicht unseres Heilands. Und dann noch die spöttische Aufforderung: „Weissage …“ – als ob es dem Herrn Jesus nicht möglich gewesen wäre, die Schläger zu identifizieren.

Wie mag das Angesicht des Herrn Jesus nach dieser Behandlung ausgesehen haben? Der Prophet Jesaja vermittelt in Kapitel 52,14 einen Eindruck: „Wie sich viele über dich entsetzt haben – so entstellt war sein Aussehen, mehr als irgendeines Mannes, und seine Gestalt, mehr als der Menschenkinder.“

Wie viele Schläge hat der Herr Jesus im Verlauf dieser Nacht einstecken müssen: Faustschläge, Schläge ins Gesicht, Schläge auf die Dornenkrone, Schläge auf den Rücken bei der Geißelung, Schläge auf die Nägel, die sich durch seine Hände und Füße bohrten!

In welcher Demut und Leidensbereitschaft ertrug Er das alles. Wie wird Ihn diese Behandlung geschmerzt haben – körperlich und seelisch. Aber Er ging diesen schweren Weg bis nach Golgatha unbeirrt weiter – in Erfüllung des Willens Gottes und zu unserem ewigen Heil.