Bibel praktisch

Umgestaltung ein sein Bild - eine Typfrage?

Jeder von uns ist anders. Der Charakter unterscheidet sich unter anderem je nach Typ und Temperament. Wir reden von Charakterstärken, -schwächen und von schwierigen Charakteren. und was sagt die Bibel dazu? Kann mein Charakter „christlich“ geprägt sein? Kann mein Charakter in der Schule Gottes positive Veränderung erfahren? Wie kann ich das erreichen?

Welcher Typ bin ich?

Gott hat uns mit unterschiedlichen Temperamenten geschaffen. Manche sind von Natur aus eher zurückhaltend. Andere dagegen kommunikationsfreudig, sie haben das Herz auf der Zunge. Manche sind eher ängstlich und schüchtern veranlagt, andere dagegen freimütig und impulsiv. Auch die Bibel kennt solche Unterschiede. Sehen wir uns nur einen Petrus an. Seine durchaus markante Persönlichkeit tritt deutlich in den Evangelien zutage. Gerade im Gegensatz zum Jünger Johannes sieht man, wie impulsiv, spontan und manchmal unüberlegt er auftritt.

Die Bibel betreibt aber keine Charaktertypologie, sie thematisiert auch die Unterschiede der Temperamente nicht direkt. Aber sicher gilt der bewundernde Ausruf Davids, den er über sich als Geschöpf macht, auch seinem Temperament: „Ich preise dich dafür, dass ich auf eine erstaunliche, ausgezeichnete Weise gemacht bin. Wunderbar sind deine Werke und meine Seele weiß es sehr wohl“ (Ps 139,14). Jeder Mensch ist ein individuelles Wunder Gottes. Und so, wie wir uns körperlich alle voneinander unterscheiden, so individuell sind auch die Unterschiede im seelischen Bereich, besonders im Temperament. Das Temperament ist also ein Geschenk Gottes und ein Beitrag zu unserer Persönlichkeit. Es wirkt in unserem Inneren ohne bewusste Steuerung durch Wille und Verstand. Aus den Impulsen des Temperaments entstehen dann Gedanken und Taten, die dagegen von uns kontrolliert werden können und müssen.

Der Einfluss des Sündenfalls

Das Temperament ist (so wie auch andere körperliche Triebe, z.B. Durst, Hunger und der Geschlechtstrieb) zunächst moralisch neutral. Nun ist aber durch den Sündenfall die Sünde in die Welt gekommen und damit auch das Temperament in Mitleidenschaft gezogen worden. Die Regungen des Temperaments führen daher unter der Kontrolle von Wille und Verstand immer entweder zu etwas Gutem oder zu etwas Bösem. Wir reden dann von Stärken und Schwächen, von positiven und negativen Verhaltensgewohnheiten, die unsere Persönlichkeit charakterisieren: von unserem Charakter. Ein guter oder schlechter Charakterzug entsteht also je nachdem, ob wir dem Impuls unseres Temperaments regelmäßig nachgeben oder nicht. Ein aufbrausend veranlagter Mensch kann so z.B. zu einem tobsüchtigen Charakter werden, oder aber wie Mose zum sanftmütigsten Mann auf der Erde.

Damit stellt sich unmittelbar die Frage: Kann sich unser Charakter wandeln? Können wir Charakterschwächen ablegen oder sind wir ihnen ausgeliefert? Um es gleich vorweg zu nehmen: Unser Temperament behalten wir mehr oder weniger unser Leben lang. Ein schüchterner, introvertierter Mensch wird – bis auf Ausnahmen – nicht plötzlich ein temperamentvoller, impulsiver Typ. Aber wir können in der Kraft des Heiligen Geistes und in der Schule Gottes lernen, mit unserem Temperament mehr zur Ehre des Herrn zu leben und weniger den damit verbundenen Versuchungen zur Sünde zu erliegen. Vielmehr noch: Gott hat eine große Veränderung für uns vorgesehen. Wir sind dazu aufgerufen, uns regelrecht verwandeln zu lassen.

Umgestaltung in sein Bild – das göttliche Ziel

Und das Ziel dieser Veränderung ist geradezu unglaublich. Gott möchte, dass wir dem Bild seines Sohnes ähnlicher werden: „Wir alle aber, mit aufgedecktem Angesicht die Herrlichkeit des Herrn anschauend, werden verwandelt, in dasselbe Bild von Herrlichkeit zu Herrlichkeit, als durch den Herrn, den Geist“ (2. Kor 3,18; vgl. die Aufforderung „werdet verwandelt“ in Röm 12,2). In der Beschäftigung mit der Herrlichkeit unseres Herrn dürfen wir selbst mehr und mehr seine Herrlichkeiten ausstrahlen. Einen Wesenszug des Herrn nach dem anderen sollen wir widerspiegeln. Wir dürfen statt Charakterschwächen göttliche Eigenschaften zeigen und durch diese Umwandlung Gott verherrlichen.

Können wir uns das vorstellen? Ist es für uns begreiflich, dass jemand, der bekanntlich bei jeder kleinsten Kränkung gleich beleidigt ist, sich so verändern kann, dass er bei einer ernsthaften Verunglimpfung keinen Gedanken der Bitterkeit mehr spürt? Gerade ein solcher Wandel ist das Ziel Gottes für uns. Eine echte Verwandlung zeigt sich darin, dass man in einer Situation, in der man spontan reagieren muss, ein geändertes Verhalten zeigt.

Ist das nicht ein wunderbarer Plan Gottes? Nur wie sieht der Weg dahin aus?

Erfüllt mit dem Geist – der göttliche Weg

Der obige Bibelvers gibt uns da bereits einen wichtigen Hinweis: „als durch den Herrn, den Geist“. Eine Umgestaltung kann nur in der Kraft des Heiligen Geistes geschehen. Er bringt in uns die göttlichen Eigenschaften hervor: „Die Frucht des Geistes aber ist: Liebe, Freude, Friede, Langmut, Freundlichkeit, Gütigkeit, Treue, Sanftmut, Enthaltsamkeit“ (Gal 5,22). Deshalb werden wir in diesem Kapitel auch dazu aufgerufen, im Geist zu wandeln: „Wandelt im Geist und ihr werdet die Begierden des Fleisches nicht vollbringen“ (Gal 5,16). Die Bibel beschreibt das Gegenteil zur Frucht des Geistes nicht als Charakterschwächen, sondern als die Begierden des Fleisches. Sie stellt keinen Gegensatz auf zwischen Charakterschwächen und Charakterstärken, sondern zwischen Fleisch und Geist: „Denn das Fleisch begehrt gegen den Geist, der Geist aber gegen das Fleisch“ (V. 17). Gott hat demnach eine andere Sichtweise auf das Thema.

  1. Zunächst einmal lenkt diese Sicht den Blick auf das Wesentliche, nämlich auf die Sünde in uns. Das Fleisch bezeichnet unser menschliches Wesen, das wir seit der Geburt besitzen und das seit dem Sündenfall Adams von der Sünde bestimmt wird. Durch die Neugeburt wird dieses Fleisch nicht verändert. Aber wir besitzen daneben auch das neue, ewige Leben, das nicht sündigen kann (den Geist in V. 17, siehe auch Joh 3,6). Diesen Widerstreit hat schon Augustinus im Jahr 415 mit den verständlichen Begriffen „alte Natur“ (für Fleisch) und „neue Natur“ (für Geist) verdeutlicht, die wir noch heute verwenden. Wenn nun der Charakter mit uns „durchgeht“, ist das nichts anderes, als dass die alte Natur in uns zum Vorschein kommt. Dann müssen wir uns daran erinnern und verwirklichen, dass wir gestorben sind und daher die alte Natur keine Macht mehr über uns hat. Anstrengung aus eigener Kraft hilft hier nicht weiter, das Fleisch bleibt Fleisch und lässt sich nicht verbessern. Das zeigt auch, dass wir aus uns selbst heraus keine Charakterstärken entwickeln können. Der Heilige Geist in uns ist die Kraftquelle der neuen Natur, die uns umgestaltet (V. 16).
  2. Daneben bietet diese Sichtweise von alter und neuer Natur auch einen umfassenderen Blick. Das Fleisch wird von den Begierden und Trieben des menschlichen Wesens gesteuert, das durch die Sünde verdorben ist. Diese Triebe umfassen sowohl den Körper als auch die Seele. Wenn wir zur Sünde verleitet werden, macht es im Prinzip keinen Unterschied, ob wir den Regungen von Hunger/Durst, dem Sexualtrieb oder dem Impuls des Temperaments unkontrolliert folgen. Alles kommt aus dem Fleisch heraus, aus unserer alten Natur.
  3. Außerdem lässt diese Sichtweise nicht den Schluss zu, dass die Umgestaltung in sein Bild abhängig vom Charaktertyp ist. Wir denken sehr schnell, dass es doch anders und bedeutend schwieriger sein müsste, einen cholerischen Menschen umzugestalten als einen ruhigen, emotionslosen Vertreter. Letztendlich steckt aber hinter beiden Charaktertypen nur die alte Natur, von der es keine guten und schlechten Sorten gibt. Denn die alte Natur ist und bleibt böse, weil sie unter der Herrschaft Satans steht. Genauso gilt aber auch für beide Charaktere die Aufforderung „Wandelt im Geist!“, zusammen mit der Verheißung, dass wir die göttliche Frucht des Geistes erbringen, wenn wir diesem Zuruf folgen.

Was bedeutet es jetzt aber in der Praxis des täglichen Lebens, im Geist zu wandeln? Gerade in Bezug auf unser Temperament?

Der göttliche Weg – ganz praktisch

Ein paar praktische Tipps können uns dabei vielleicht helfen:

  1. Keine Ausreden suchen: Eine Grundvoraussetzung überhaupt ist, dass wir die Notwendigkeit einer Umwandlung einsehen. Der Aufruf „Werdet verwandelt“ ist eine Aufforderung, die wir ernst nehmen müssen. Es gibt Menschen, die sehen das Temperament als etwas Unveränderliches an. Wenn jemand von Natur aus schnell aufbraust, dann kann man nichts dagegen machen, so sagen sie, außer dass man sich natürlich nachher auf christliche Weise entschuldigt und für den verursachten Schaden aufkommt. Diese Ansicht ist grundfalsch. Selbst wenn wir diese Ansicht nicht teilen, müssen wir aufpassen, dass wir sie uns nicht manchmal selbst einreden. Die Ausrede „Ich bin halt so...“ gilt nicht!
  2. Gott alles zutrauen: Wir haben schon gesehen dass wir bei unserem Temperament mit eigener Kraft nichts erreichen können. Aber der Aufruf „Werdet verwandelt“ ist ja auch gleichzeitig ein Passivkonstrukt. Wir werden verwandelt. Ist das nicht eine Ermunterung? Wenn wir uns dem Heiligen Geist überlassen, wenn wir uns dem wärmenden und erhellenden Licht der Sonne (Christus) aussetzen, wird etwas mit uns passieren. Und wenn es Rückschläge gibt (und die gibt es!), dann dürfen wir sie unserem Herrn im Gebet sagen und Ihn um Umgestaltung bitten. Und dabei unserem Gott alles zutrauen. Der Apostel Paulus war in Bezug auf die Philipper zuversichtlich, „dass der, der ein gutes Werk in euch angefangen hat, es vollenden wird bis auf den Tag Jesu Christi.“ (Phil 1,6). Gott hatte das Werk in den Philippern begonnen und Er würde es auch zu seinem Ziel führen. Auch wenn wir manchmal den Eindruck haben, dass das Werk bei uns eher eine ziemliche Baustelle ist, gilt trotzdem: Es ist nicht unsere, sondern Gottes Baustelle.
  3. „Gewohnheitssünden“ erkennen: Es ist wichtig, die Schwächen zu kennen, bei denen der Charakter immer wieder mit uns durchgeht. Dabei geht es nicht darum, unser Temperament detailliert zu erforschen oder einem Charaktertyp zuzuordnen, auch wenn das manchmal ein nützliches Instrument sein kann. Es ist vielmehr wichtig, Sünden zu erkennen und zu beobachten, zu denen unser Temperament uns immer wieder verleitet. Wir müssen besonders auf der Hut sein vor der „leicht umstrickenden Sünde“ (Heb 12,3), die gerade unserem persönlichen Naturell zum Fallstrick wird. Dabei ist kritisches Selbstgericht besonders wichtig. Aber auch ein Gespräch mit Geschwistern kann unser Eigenbild verändern helfen. Bei einem solchen Gespräch muss man allerdings sehr behutsam und empfindsam miteinander umgehen, denn „psychologische Nacktheit“ kann sehr beschämend sein. Am besten sind Eltern geeignet, oder vielleicht ein ganz besonders guter Freund.
  4. Unmittelbares Selbstgericht: Gerade bei den Charaktersünden benötigen wir eine ausgeprägte Empfindlichkeit gegenüber der Sünde. In dem Augenblick, in dem uns Sünden bekannt werden, sollten wir sie unverzüglich bekennen. Die Übung des sofortigen Bekennens ist ein Schlüssel für ein sieghaftes Christenleben. Dabei sollte uns bewusst sein, dass das Gewissen abstumpfen kann. Die Schwächen unseres Temperaments schaffen oft ausgeprägte Gewohnheiten, an die wir uns so gewöhnt haben, dass wir nichts Unrechtes mehr dabei empfinden. Das Gewissen muss immer wieder an dem Maßstab Gottes – seinem Wort – geeicht werden.
  5. Bleibe du selbst: Auf den ersten Blick steht dieser Rat im Widerspruch zu dem oben Gesagten. Eine Umgestaltung durch den Geist bedeutet aber nicht, dass das Temperament ausgelöscht wird, sondern nur, dass es auf das richtige Maß gebracht wird. Ein Petrus z.B. wäre nicht anders vorstellbar als ein impulsiver, offenherziger Typ, aber von unkontrollierten Ausbrüchen lesen wir in späteren Jahren nichts mehr. Wir können unserem Temperament unbefangen und froh folgen, solange es uns nicht in die Sünde führt. Wir brauchen uns auch nicht zu verbiegen, indem wir z.B. versuchen, andere Mitgeschwister zu kopieren.
  6. Misserfolge erwarten: Da unser Temperament ausgeprägte Gewohnheiten schafft, wird es zwangsläufig zu unfreiwilligen Rückfällen kommen. Dies darf uns nicht entmutigen. Gott wird sein Werk an uns tun, wenn wir unser Leben täglich im Geist führen. Vielleicht werden wir die ersten Veränderungen auch gar nicht selbst wahrnehmen, sondern nur unsere Mitmenschen, die uns beobachten.
  7. Schule Gottes bedenken: Gott kommt mit uns zu seinem Ziel. Dazu benutzt Er manchmal auch schwierige Umstände, in die Er uns führt. In dieser Schule Gottes wurde Mose 40 Jahre erzogen, bis er zum sanftmütigsten Mann auf der Erde wurde. Aber es ist Gottes Liebe, die Ihn immer wieder zu diesem Mittel greifen lässt (Hebr 12,6-11). Wollen wir uns nicht lieber den einen oder anderen harten Erziehungsweg ersparen, indem wir uns mehr einem Leben im Geist zur Verfügung stellen?

Und noch einen Nachgedanken: Wir wollen Gott alles zutrauen in Bezug auf unsere eigene Umgestaltung. Aber trauen wir Ihm auch alles zu in Bezug auf unsere Mitgeschwister? Oder schreiben wir schon mal den einen oder anderen innerlich ab?


Ach, ich weiß, wie Deine Nähe
allezeit so reich beglückt,
wenn das Auge Deine Fülle,
Deine Herrlichkeit erblickt,
wenn die Wärme Deiner Liebe
Herz und Sinne mir durchdringt
und Dein Bild, im Stillen wirkend,
in mir zur Gestaltung bringt.

R. Brockhaus