Das Gesetz, Teil 5
Bibelstudium
Frei und gehorsam - statt gestzlich oder liberal Teil 5
Wir haben in dieser Beitragsserie festgestellt, dass der Christ nicht unter Gesetz ist – weder kann er durch das Halten des Gesetzes gerechtfertigt werden, noch darf das Gesetz seine Lebensregel sein. Der Christ bringt Frucht für Gott, wenn er Christus, sein persönliches Vorbild, nachahmt. Auf diesem Weg sind Gesetzlichkeit und Liberalismus – fleischliche Freiheit – üble Gefahren. Sie sind – auf unterschiedliche Weise – jeweils das genaue Gegenteil von dem, was wir als „Lebensprogramm“ des Christen erkannt haben. Diesen beiden Gefahren wollen wir in diesem letzten Beitrag der Serie "Christ und Gesetz" nachgehen
Gesetzlichkeit, Liberalismus – worum geht es?
Unbiblisch
Die Begriffe „Gesetzlichkeit“ und „Liberalismus“ findet man in der Bibel (so) nicht. Sie sollen zwei bestimmte Grundhaltungen beschreiben, die Christen einnehmen können, die aber unbiblisch sind. Die Haltungen, um die es in diesem Beitrag gehen soll, werden gern mit Schlagworten belegt wie „gesetzlich“, „streng“, „rechts“ oder „konservativ“ einerseits und „liberal“, „locker“, „links“ oder „modern“ andererseits. Solche Etiketten sagen manchmal über den Verwender ebenso viel aus wie über den, der so be- zeichnet wird ... Deshalb sollten wir uns zunächst darüber vergewissern, wovon wir eigentlich reden. Und wir sollten dabei die Bibel zum Maßstab nehmen. Also: Was ist „gesetzlich“, was ist „liberal“, und warum entsprechen diese Haltungen nicht dem guten Christenleben, wie es das Wort Gottes beschreibt?
Was ist Gesetzlichkeit – und was ist es nicht?
Gesetzlich
Mit „Gesetzlichkeit“ ist gemeint:
• Das Aufstellen von Regeln (nicht nur für sich selbst, sondern gerade auch gegenüber anderen), die im Wort Gottes so nicht niedergelegt sind,
• um durch diesen„Gehorsam“ Gottes Anerkennung zu bekommen.
Gesetzlichkeit besteht nicht nur darin, durch die Beachtung des Gesetzes von Sinai gerechtfertigt werden zu wollen, sondern auch darin, als gerechtfertigter Gläubiger Gott durch den Gehorsam gegenüber dem Gesetz Frucht bringen zu wollen. Das Erste verhindert den Frieden mit Gott, das Zweite wahre Frucht für Gott.
Nicht gemeint ist, dass jemand bewusst auf Freiräume verzichtet, die die Bibel ihm eigentlich gewährt – aus Hingabe an Gott (vgl. 4. Mo 6,13 ff.), zur Vermeidung eigener Versuchungen (Hiob 31,1) oder aus Rücksichtnahme auf Mitgläubige, die ansonsten in ihrem Glauben Schiffbruch erleiden würden (Röm 14,21).
Was ist „Liberalismus“ – und was ist es nicht?
Liberal
Mit „Liberalismus“ (fleischlicher Freiheit)1
• Die Missachtung dessen, was das Wort Gottes für Christen vorschreibt
• aus einer Haltung, die Freiheit vor Gehorsam stellt. Liberalismus besteht darin, sich von Gottes Wort zu lösen und Freiräume zu nutzen, die es nicht einräumt, um letztlich selbst darüber zu bestimmen, wie man Gott Frucht bringen kann; auch dies verhindert echte Frucht für Gott.
Nicht!
Nicht gemeint ist, dass jemand sich nicht an Gebote hält, die andere beachten, aber sich dabei im von der Bibel gesteckten Rahmen hält. Das beschreibt Römer 14 als das Gegenteil von „Schwachheit“ – dort wird allerdings gewarnt, dass so jemand anderen Glaubensgeschwistern nicht zum Fallstrick werden darf, und es wird auf das Ziel des Friedens und der Erbauung hingewiesen. Auch nicht gemeint ist, dass jemand eine Anweisung Gottes nicht befolgt, weil er sie nicht kennt oder weil er darin schlicht versagt – das trifft leider auf jedes Christenleben mehr oder weniger stark/ häufig zu und ist nicht in diesem Sinne „liberal“.
Was ist das Problem mit Gesetzlichkeit oder Liberalismus?
Das Problem
Beide Haltungen beruhen auf gleichartigen Fehlern:
• Das Wort Gottes wird nicht so anerkannt wie es gilt: Regeln werden entweder hinzugefügt/verschärft/verändert (Gesetzlichkeit) oder ignoriert/umgedeutet/relativiert (Liberalismus).
• Die ausgewogene Balance2 zwischen Gehorsam und Freiheit wird verfehlt: Der gesetzliche „Gehorsam“ ist kein Gehorsam, wenn Gottes Wort in diesem Punkt kein Gebot enthält – er beschneidet die Freiheit; die „Freiheit“ des Liberalismus ist keine christliche Freiheit, wenn sie sich in Bereiche hineinbewegt, die Gott ihr nicht zugänglich gemacht hat – sie geht dann auf Kosten echten Gehorsams.
Warum ist Gesetzlichkeit falsch?
Gesetzlich und Mängel
Schauen wir uns diese beiden Haltungen noch etwas genauer an. Was ist falsch an der Gesetzlichkeit? Eine Menge. Sie geht einher mit
• der Einschränkung der Freiheit, zu der wir berufen und für die wir frei gemacht sind – ich lebe nicht gemäß der freien Stellung als Christ, sondern unter einem selbstgemachten „Joch der Knechtschaft“;
• der Einschränkung des Wirkens des Heiligen Geistes in uns – Er darf nur innerhalb der selbst gesetzten„Leitplanken“ wirken;
• einem Mangel an der Erkenntnis von Gottes Willen und der Minderung von geistlichem Aufwand, Gottes Willen zu erkennen – ich folge lieber bestimmten Regeln, anstatt mich im Einzelfall der Mühe zu unterziehen, Gottes Willen zu prüfen und zu erkennen, und der Blick auf die christliche Wahrheit wird verstellt durch„selbstgestrickte“ Gebote;
• dem Verlust der christlichen Freude – stattdessen werde ich mich quälen, weil ich meinem gesetzlichen Maßstab auf Dauer nicht voll genügen werde;
• dem Verlust der Gnade als Grundlage meines Lebens und der Entwertung dessen, was der Herr Jesus für mich getan hat – denn ich baue auf mein eigenes Leistungsvermögen;
• Mängeln im praktischen Leben – dass ich nicht Christus zum Vorbild für mein praktisches Leben nehme, sondern ein eige- nes Regelwerk, wird für mich selbst und in meinem Verantwortungsbereich praktische Folgen haben;
• der Gefahr des Hochmuts gegenüber solchen, die „meine Gesetze“ nicht beachten – sie erscheinen ja weniger konsequent und treu;
• der Gefahr, andere Christen in ihrer Freiheit zu beschränken, indem man die eigenen „Gesetze“ zum allgemeinen Maßstab erhebt – Gottes Wort gilt ja für alle, und meine Regeln deshalb auch.
Ein Beispiel: Die Haltung der Pharisäer
Das Hauptkennzeichen der Haltung der Pharisäer war das Festhalten an äußerlichen Dingen; dies entspricht der Gesetzlichkeit des menschlichen Herzens. Eine solche gesetzliche Haltung ist immer durch Unduldsamkeit gekennzeichnet. Die Gesetzlichkeit muss die Gnade verfolgen. Der nach dem Fleisch Geborene verfolgt den nach dem Geist Geborenen (Gal 4,29). Wenn wir in die Lehre des Christus gesetzliche Richtlinien hineinbringen, werden auch wir in unseren Herzen gesetzlich. Wir haben dann ein Gesetz auf „höherem Niveau“. Wenn wir dies auch noch anderen auferlegen wollen, ist „Verfolgung“ das Endergebnis. Wir sollen tun, was der Herr uns sagt. Was nach dem Willen des Herrn für mich richtig ist, kann auch für andere richtig sein, es muss aber nicht in jedem Fall so sein, es sei denn, dass Gott seinen Willen in seinem Wort deutlich zum Ausdruck gebracht hat. So können andere vielleicht durch meine Handlungen verurteilt werden, aber wenn ich ihnen dies als eine Art Gesetz auferlege, so ist das falsch.3
A. Remmers
Ein Christ, der (anhand eines Regelwerks) versucht heilig zu sein, ist gesetzlich. Der Geist der Fesseln ist attraktiv, solange nicht die Freiheit von Gottes Gegenwart genossen und „Christus in euch“ erkannt wird. Das ist der Geist eines Mönchs, aber ohne die unbequeme Zelle.
H.F. Witherby
Warum ist Liberalismus falsch?
Liberal
Der Liberalismus geht beispielsweise einher mit
• Ungehorsam gegenüber Gott – indem ich meine Freiheit missbrauche, missachte ich Gebote Gottes; ich bin zwar geheiligt, aber ich lebe nicht heilig;
• der Abstumpfung des Gewissens – das Gewissen ist nützlich, wenn es an Gottes Wort „geschärft“ wird; übergehe ich mein Gewissen dauerhaft, so stumpft es ab;
• der Verfehlung der echten Liebe zu Gott und des Bleibens in Christus – die Liebe zu Gott beinhaltet das „Gebote-Halten“ (Joh 14,15.21; 1. Joh 5,3); viel Frucht bringt, wer „in Christus bleibt“ (Joh 15,5), und in Christus bleibt, wer seine Gebote hält (1. Joh 3,24);
• einem Verlust von Segen, der mit dem Gehorsam gegenüber Gottes Wort verbunden ist – denn ich werde ernten, was ich durch den Ungehorsam säe;
• dem Verlust von Gottes Wort als Grundlage meines Lebens – denn ich ersetze es durch meine eigenen, fleischlichen Vorstellungen;
• einem Mangel an Erkenntnis von Gottes Willen, da man sich den Aufwand spart, ihn zu prüfen und zu erkennen – während der Gesetzliche die geistliche Übung des Prüfens, Erkennens und Geleitetwerdens durch gesetzliche Regeln ersetzt, erspart der Liberale sich diese Mühe dadurch, dass er „frei“ danach entscheidet, was sinnvoll, nützlich, pragmatisch ist, oder schlicht danach, was er gerade will;
Hochmut
• der Gefahr des Hochmuts gegenüber solchen, die die eigene „Freiheit“ nicht ausnutzen – Paulus warnt Christen, die ihre christliche Freiheit (rechtmäßig) ausleben davor, die zu verachten, die das nicht tun (Röm 14,3); wenn ich aus einer liberalen Haltung heraus Gottes Gebote überschreite, bin ich erst recht in Gefahr, hochmütig zu werden gegenüber denen, die sich treu an Gottes Gebote halten;
• der Gefahr, andere Christen in ihrem Gehorsam zu Fall zu bringen, indem man die eigene „Freiheit“ zum allgemeinen Maß- stab erhebt – diese Gefahr (die auch beim rechtmäßigen Gebrauch christlicher Freiheit besteht, vgl. Röm 14) ist besonders groß, wenn ich in einem Bereich „frei“ lebe, in dem ich nach der Bibel „gebunden“ bin.
Ein Beispiel: Die Haltung der „Gottlosen“ im Judasbrief
Judas beschreibt in seinem Brief Menschen, die sich in die Gemeinschaft der Gläubigen eingeschlichen haben, ohne selbst neues Leben zu haben. Sie verachten Gottes Autorität und widersprechen Ihm offen (V. 8 u. 11), und sie leben nach ihren eigenen Begierden und „verkehren“ Gottes Gnade „in Ausschweifung“ (V. 4.16). Die Gefahr einer solchen Haltung besteht auch für Gläubige. Sie beginnt damit, die Autorität von Gottes Wort in einzelnen Punkten in Frage zu stellen, oder Gottes Willen nicht zu befolgen, weil man dann Abstriche an eine selbstsüchtige, genussorientierte Lebensweise machen müsste.
Wie kommen solche Haltungen zusatande?
Neigungen
Beide Haltungen entsprechen zwei gegensätzlichen Neigungen oder Bedürfnissen des Menschen, die bei jeder Person unterschiedlich ausgeprägt sein können: Es gibt das Bedürfnis, möglichst „frei“ und autonom sein Leben zu gestalten; es gibt aber auch das Bedürfnis, ein möglichst „sicher“ geregeltes Leben zu haben. Jeder befindet sich irgendwo zwischen diesen Extremen, und bei den meisten werden beide Neigungen in unterschiedlichem Maß vorhanden sein. Das ist nicht nur eine Frage der persönlichen Neigung (bin ich eher vom Typ „Revoluzzer“ oder ein Vertreter von „Law and Order“?), sondern meine persönliche Haltung ist auch ganz unterschiedlichen Einflüssen aus der Gesellschaft, dem familiären und gemeindlichen Umfeld ausgesetzt. Weil das so ist, ist es so wichtig, den objektiven Maßstab des Wortes Gottes anzuwenden und mich anhand dessen gegebenenfalls von Gott verändern zu lassen.
Was ist besser – Gesetzlichkeit oder Liberalismus?
Besser?
Beide Haltungen sind gleich schlecht. Letztlich kommt beides gleichermaßen aus dem Fleisch und ist damit eine Auswirkung der Sünde, die in uns wohnt:
• Das Fleisch will einerseits das Gesetz gebrauchen, um seine eigene Gerechtigkeit vor Gott zu erweisen. Es kann sich dann der genauen Befolgung strenger Vorgaben rühmen (Eph 2,9; vgl. Gal 6,13).
• Das Fleisch will andererseits die Freiheit als Freibrief gebrauchen, um zu sündigen (Gal 5,13). Unliebsame Regeln und Vorgaben des Wortes Gottes werden so unter Berufung auf die christliche Freiheit „aus dem Weg geräumt“, das Fleisch hat „freie Bahn“.
Abweichen
Keine Form des Abweichens ist gut: Der „Konservative“ ist nicht besser als der „Moderne“, und die „Linksdrift“ führt genauso vom Ziel weg wie der „Rechtsdrall“. Richtig ist es (in Anwendung von zwei Versen aus den Sprüchen), „mitten auf den Steigen des Rechts“ zu gehen (Spr 8,20) – sich also genau im Rahmen der Vorgaben der Bibel zu halten, und „nicht zur Rechten noch zur Linken“ abzubiegen (Spr 4,27; vgl. ausdrücklich zum Gesetz vom Sinai: 5. Mo 5,32).
Gibt es kein Rezept gegen Gesetzlichkeit undLiberalismus?
Rezept?
Wer zur Gesetzlichkeit neigt, sollte sich die Bedeutung der christlichen Freiheit bewusst machen und sie verinnerlichen. Vielleicht kommt eine solche Haltung auch daher, dass man versucht, Gott möglichst treu zu sein und sich deshalb „gute Regeln“ auferlegt. Dann sollte man bedenken, dass der Einfluss des Fleisches im Gläubigen nicht durch das Gesetz eingedämmt werden kann, sondern nur durch den Geist (Gal 5,16). Und dass Treue nicht treuer wird, wenn man bestimmte Regeln einhält. Im Gegenteil! Um Gott Frucht zu bringen, ist dann ein Sinneswandel nötig. Dieser wird echte Freude bringen und auch helfen, die Glaubensgeschwister „anzunehmen“, selbst wenn sie einmal eine andere Auffassung oder Haltung vor Gott einnehmen als ich (lies die ersten Verse von Römer 15 als Fortsetzung von Kap. 14).
Freude
Wer Mühe hat, die guten, neutestamentlichen Gebote Gottes für Christen anzuerkennen, sollte sich Gottes Autorität bewusst machen und verinnerlichen, dass es auch für Christen notwendig und gesegnet ist, Ihm zu gehorchen. Vielleicht ist eine solche Haltung auch die Folge einer Überbetonung der„Freiheit des Geistes“. Dann sollte man bedenken, dass es kein Wirken des Geistes gegen Gottes Wort gibt. Um Gott Frucht zu bringen, ist auch hier ein Sinneswandel vonnöten. Dann kann ich vollen Segen genießen und werde den Glaubensgeschwistern auch dann meine Liebe zeigen können, wenn sie manche Dinge enger sehen als ich.
Wenn wir wünschen, dass alle Gläubigen Gottes Wort halten, dann sollten wir in demütiger Weise selbst damit anfangen.
W. Kelly
1 Der hier gemeinte Liberalismus ist nicht zu verwechseln mit den Liberalismuskonzepten, die z.B. in Politik und Ökonomie vertreten werden. Ihnen ist (nur) gemeinsam, dass sie auf einer die Freiheit betonenden Grundausrichtung beruhen.
2 Mit „Balance“ ist gemeint, dass Gehorsam und Freiheit jeweils zu ihrem vollen Recht kommen müssen: Gehorsam in allem, was Gehorsam einfordert; Freiheit in allem, was der Freiheit überlas- sen ist. Anders ausgedrückt: Wenn wir die biblische Freiheit genießen, sind wir dem Wort Gottes gehorsam. Und wenn wir gehorsam sind, schränkt das die christliche Freiheit nicht ein.
3 A. Remmers, Der Brief an die Galater (Ernst-Paulus-Verlag 1995), S. 34.
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