Bibelstudium

Das Gesetz - Lebensregel für Christen (Teil 2)

Wir haben im vorigen Heft gesehen, dass der Christ das Gesetz vom Sinai nicht zu halten braucht. Das Gesetz trägt nicht zur Rechtfertigung des Christen bei, und es kann auch nicht die Regeln für sein praktisches Leben aufstellen. Denn der Christ ist dem Gesetz gestorben, indem er sich in seiner Bekehrung mit Christus einsgemacht hat. So weit die Lehre.

Nun gibt es im Gesetz vom Sinai ein paar Vorschriften, die nach Auffassung mancher Christen auch für sie heute praktische Bedeutung haben. Deshalb machen wir jetzt einen „Praxistest“: Wie geht der Christ konkret mit diesen Geboten um? Zusätzlich vertiefen wir die Lehre mit einigen frei wiedergegebenen Zitaten von J. N. Darby.

Vielleicht kommt auch die Frage auf: Was soll ich dann überhaupt noch mit dem Gesetz? Deshalb werden wir am Ende des Artikels schauen, welchen Wert das Gesetz vom Sinai für Christen hat.

 

1. Das Gebot des Zehnten – oder fröhliches Geben „nach Gedeihen“?

Was schon Jakob freiwillig versprach (1. Mo 28,22; vgl. 1. Mo 14,202), wurde später im Gesetz verankert: Das Gebot, Gott den Zehnten zu geben. Es gab aber nicht nur ein solches Gebot, sondern verschiedene: Man gab den Zehnten vom Ertrag (3. Mo 27,30 ff.) und vom Besitz (3. Mo 27,32), mal war er für die Leviten vor Ort bestimmt (5. Mo 14,28 f.), mal wurde er zentral gesammelt (5. Mo 12,6), und die Leviten gaben wiederum einen Zehnten (vom Zehnten) an die Priester (4. Mo 18,26). Daneben gab es noch die Pflicht, den Priestern die Erstlinge der Ernte zu geben (5. Mo 18,4), wie auch die Erstlinge des Viehs und die erstgeborenen Kinder Gott gehörten (2. Mo 13,12 f.). Wie geht man als Christ mit diesen Geboten um?

 

  • Da der Christ nicht unter dem Gesetz steht, gelten diese verschiedenen Vorschriften nicht für ihn. Für materielle Gaben – Spenden – hat das Neue Testament eigene Bestimmungen, die ganz anders ausgerichtet sind. Dazu einige Hinweise:  Das Geben
  • Die Motivation: Jeder soll geben, wie er es sich im Herzen vorgenommen hat: aus Dankbarkeit und Bereitschaft und nicht mit Verdruss oder aus Zwang, denn einen fröhlichen Geber liebt Gott (2. Kor 8,12; 9,7).
  • Das Geben als Opfer und Dienst: Materielle Gaben stehen neben geistlichen Opfern (Heb 13,16; 2. Kor 9,13) und zeigen geistliche Frucht für Gott (Phil 4,17); materielle Gaben sind Ausdruck davon, dass wir uns selbst ganz Gott hingeben (2. Kor 8,5); sie drücken unsere Liebe und Gemeinschaft aus und folgen dem Vorbild des Herrn Jesus (lies 2. Kor 8.9).
  • Die Verbindung mit dem Himmel: nicht sammeln für die Erde, sondern sammeln und geben für den Himmel. Wo dein Schatz ist, da wird auch dein Herz sein (Mt 6,19 ff.; im Himmel wird das Geben auch belohnt, Lk 6,38); eine Spende wird auch beim Empfänger Frucht für Gott hervorbringen (2. Kor 9,11 ff.; Phil 4,17).
  • Das relative Vermögen: Jeder soll – wenn im Rahmen der Zusammenkünfte als Versammlung gesammelt wird – bei sich zurücklegen, je nachdem er Gedeihen hat (1. Kor 16,2); das kann auch das ganze Vermögen sein (Mk 12,41 ff.).
  • Die Vertraulichkeit: Es soll in dieser Frage noch nicht einmal die eigene Linke wissen, was die Rechte tut (Mt 6,3).
  • Die Freigebigkeit: Wer sparsam sät, wird auch sparsam ernten, und wer segensreich sät, wird auch segensreich ernten (2. Kor 9,6). Es geht für Christen nicht so sehr darum, eine bestimmte „Menge“ zu geben, sondern der Herr fragt eher danach, wie viel wir für uns zurückbehalten.

 

2. Das Sabbatgebot – heute ein Sonntagsgebot?

„Gedenke des Sabbattages, ihn zu heiligen“ – so lautet das vierte Gebot (2. Mo 20,8). Sechs Tage sollte der Jude arbeiten, aber der siebte Tag war Sabbat dem Herrn, an dem keine Arbeit getan werden durfte (V. 9 f.) – bei Todesstrafe (2. Mo 31,12 ff.). Unter anderem durfte man am Sabbat kein Feuer anzünden (2. Mo 35,3) und seinen (Wohn-) Ort nicht verlassen (2. Mo 16,29). Weitere Vorschriften wurden später – auch außerhalb der Bibel – hinzugefügt. Wie halten wir es damit?

  • Das Sabbatgebot gilt nicht für Christen, denn Christen sind nicht unter Gesetz. Sie dürften sonst am Samstag (dem siebten Tag)  nicht arbeiten, dürften nicht kochen und müssten den Tag zu Hause verbringen.
  • Das Sabbatgebot kann nicht auf den Sonntag übertragen werden. Der Sonntag ist der erste Tag der Woche, das Gesetz gilt aber ausdrücklich für den siebten Tag. Wäre das Sabbatgebot für uns gültig, dürften wir es in diesem Punkt nicht verändern; wir würden sozusagen arbeiten, als Gott ruhte und ruhen, als Gott arbeitete.
  • Das „Halten von Tagen“ gehört zum alten Regime, dem der Christ nicht unterliegt (Gal 4,10 f.; Kol 2,16). Natürlich kann man freiwillig einen Ruhetag einlegen – alles ist mir erlaubt, aber: Ich will mich von keinem beherrschen lassen (1. Kor 6.12); wenn es ein Zwang wird, ist es nicht gut. Sonst hätte man im Geist angefangen, aber im Fleisch vollendet (Gal 3,3), würde unter ein Joch der Knechtschaft zurückkehren (Gal 5,1).
  • Die Sabbatruhe nimmt zwar Bezug auf die Schöpfung und soll den Menschen an Gottes Ruhe teilhaben lassen, die er nach der „Arbeit“ der sechs Schöpfungstage am siebten Tage pflegte (2. Mo 20,11; 1. Mo 2,2)4. Der Segen der Ruhe wurde in ein zwingendes Gebot gegossen, war aber doch „um des Menschen willen“ da (Mk 2,27). Körperliche, geistige und seelische Ruhe und Erholung ist für Christen lebenswichtig (vgl. Mk 6,31). Aber für Christen gibt es jetzt keine Sabbatruhe; die ist für die Zukunft aufbewahrt (Heb 4,9). Als der Herr Jesus zur Rede gestellt wurde, weil er am Sabbat Menschen heilte, antwortete er: „Mein Vater wirkt bis jetzt, und ich wirke“ (Joh 5,17).
  • Und der Sonntag? Gesellschaftlich wird der Sonntag noch überwiegend (!) als Ruhetag betrachtet. Das Verfassungsrecht schreibt vor: „Der Sonntag und die staatlich anerkannten Feiertage bleiben als Tage der Arbeitsruhe und der seelischen Erhebung gesetzlich geschützt“, und das zeigt sich konkret nicht nur in der Rasenmäherlärmschutzverordnung. Das ist gut so. Davon profitieren Christen, die den Tag des Herrn nach dem Vorbild der Bibel nutzen, um Zusammenkünfte abzuhalten (Apg 20,7; vgl. Joh 20,19.26). Doch – falls erforderlich – kann sich ein Christ nicht weigern, an einem Sonntag zu arbeiten. Christen etwa in arabischen Ländern (in denen der Sonntag ein Arbeitstag ist) können dies ebenso wenig tun wie Christen, die hierzulande einen Beruf haben, in dem die Sonntagsarbeit erforderlich ist. Andererseits ist der Sonntag kein Ruhetag im Sinne von „Faulenztag“; das steht nicht in Einklang mit dem Vorbild und Aufruf des Herrn Jesus zu „wirken“. Für den Umgang mit dem Sonntag ist entscheidend, dass dies der Tag des Herrn ist, also der dem Herrn gehörende Tag. Was mit dieser Widmung in Einklang steht, ist gut; was nicht, ist nicht gut.

 

Glückliche Kinder am Sonntag

Als Christ freue ich mich, einen Tag – und auch noch den Tag des Herrn – zu haben, der von der Welt und der alten Schöpfung frei ist. Ich glaube und habe erlebt, dass es gut ist, an diesem Tag im Geist zu sein – aber das ist kein Gesetz. Ich würde Kinder am Tag des Herrn so glücklich machen, wie es nur geht, würde es mit Glücklichsein verbinden (Glücklichsein, das mit Gott zu tun hat, nicht mit eitlem Spaß).

J. N. Darby

 

3. Der Wert des Gesetzes für den Christen

Einerseits haben wir im letzten Heft gesehen, dass Christus das Gesetz „hinweggetan“ hat, Gott hat es „abgeschafft“. Andererseits sagt der Herr Jesus, dass Er nicht gekommen war, um das Gesetz oder die Propheten aufzulösen, sondern zu erfüllen (Mt 5,17; vgl. Röm 15,8). Es heißt auch in Römer 3,31, dass wir als Christen das Gesetz nicht durch den Glauben aufheben, „sondern wir bestätigen das Gesetz“, und in uns wird „die Rechtsforderung des Gesetzes erfüllt“ (Röm 8,4) Wie passt das zusammen?

 

a) Christus hat das Gesetz erfüllt

Der Herr Jesus war unter Gesetz geboren (Gal 4,4) und hielt das Gesetz. Das verlangte Er auch von seinen Jüngern, zu denen er in Matthäus 5 sprach. Das galt, bis an Pfingsten die neue Ära der Versammlung anbrach. Dass Er gekommen war, um das Gesetz zu erfüllen, bedeutet: Erstens war Er das fleischgewordene Wort Gottes (Joh 1,14), so dass die Fülle von Gottes Gedanken (auch die im Gesetz enthaltenen) in Ihm für Menschen sichtbar wurde. Zweitens wird durch Ihn die Prophetie des Alten Testaments erfüllt (was teilweise noch in der Zukunft liegt). Drittens findet in Ihm jede Zeremonie und jedes Gebot die wahre Erfüllung, indem Er den wahren Sinn ans Licht bringt. Er zeigt uns die wahre Bedeutung des Alten Testaments.

 

b) Christen bestätigen das Gesetz

Bestätigt  Und inwiefern bestätigen wir das Gesetz (Röm 3,31)? Galater 3 gibt die Antwort: Den Fluch, den das Gesetz über solche bringt, die das Gesetz brechen, hat Christus „für uns“ (gemeint sind Judenchristen) getragen, damit der Segen „zu den Nationen“ (also zu den Christen aus dem Rest der Welt) käme (V. 13.14). Die Strafe wurde somit nicht einfach aufgehoben, sondern vollzogen – an Christus – und wird uns zugerechnet (vgl. Apg 13,39). Einen Vers vorher heist es in Römer 3 dass die Juden und die Nationen gleichermaßen durch Glauben gerechtfertigt werden, wobei die Forderungen des Gesetzes durch Christus vollständig erfüllt wurden. Genau das ist die Botschaft des Evangeliums.

 

c) Christen erfüllen die Rechtsforderung des Gesetzes

Wir bestätigen jedoch nicht nur das Gesetz, wir erfüllen sogar die Rechtsforderung des Gesetzes. Was bedeutet das? Es geht hier nicht darum, dass wir in unserem praktischen, christlichen Leben die konkreten Forderungen des Gesetzes (im Sinne von einzelnen Geboten vom Sinai) erfüllen. Das liegt bei einer ganzen Reihe von Geboten offensichtlich auf der Hand: Denken wir nur an das Sabbatgebot (s.o.), an die Opfergesetze und viele Gebote aus dem zivilund strafrechtlichen Bereich, die zweifellos nicht von Christen beachtet zu werden brauchen. Die buchstäblichen Forderungen dieser Gebote erfüllen wir eindeutig nicht. Römer 8,4 besagt also nicht, dass wir uns doch wieder unter Gesetz begeben oder die einzelnen Gebote zu unserer Leitlinie nehmen sollten, um seine „Rechtsforderung zu erfüllen“ – denn wir wandeln „nach dem Geist“, nicht nach dem Gesetz.

Paulus meint hier etwas anderes: Auch wenn das Gesetz vom Sinai nicht für jeden Menschen gilt, ist in ihm doch eine „Rechtsforderung“ enthalten, die Gott an jeden Menschen richtet. Diese Rechtsforderung wird von Christen erfüllt, auch wenn sie sich nicht konkret nach dem Gesetz ausrichten. In Galater 5,14 fasst Paulus den Inhalt des Gesetzes zusammen: „Denn das ganze Gesetz ist ein einem Wort erfüllt, in dem: ,Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst.’“ Diese Rechtsforderung des Gesetzes erfüllt der Christ, der viel mehr als das tut, nicht weil er unter Gesetz stünde, sondern weil es charakteristisch für das neue Leben in ihm ist zu lieben: „Ein neues Gebot gebe ich euch, dass ihr einander liebet, damit, wie ich euch geliebt habe, auch ihr einander liebet“ (Joh 13,34).

 

d) Gottes unveränderliche Gedanken im Gesetz

Wenn es einen Unterschied zwischen dem Lebenswandel „nach dem Geist“ und dem Befolgen des Gesetzes gibt – widerspricht dann der Geist dem Gesetz? Das wirft die Frage auf, inwieweit die Gebote vom Sinai inhaltlich und moralisch genau die Maßstäbe sind, die auch für Christen gelten, die vom Geist geleitet werden.

Es gibt moralische Grundsätze, die immer und für jeden gelten. Sie folgen aus Gottes Natur und sind unveränderlich. Etliche Gebote, die Gott dem Volk der Juden am Sinai gegeben hat, drücken solche moralischen Grundsätze aus. In diesem Sinne zitiert Paulus beispielsweise in Epheser 6,1 das Gebot, dass Kinder ihre Eltern ehren sollen – „denn das ist recht“. Diese moralischen Grundsätze, die dem Menschen „von Natur“ gegeben sind (Röm 2,14), sind Gottes Maßstab für jeden Menschen, auch für solche, die nicht unter Gesetz sind (Röm 3,19). Man findet sie auch in dem wieder, was den Christen nach dem Neuen Testament kennzeichnet. Wenn wir „nach dem Geist“ wandeln (Röm 8,4), werden wir auch die moralischen Anforderungen Gottes, die unter anderem auch im Gesetz vom Sinai ausgedrückt werden, erfüllen.

Nicht alle Gebote vom Sinai haben einen solchen unveränderlichen, moralischen Kern. Es gibt auch Unterschiede: Schon die an das Eltern- Ehren-Gebot angefügte Verheißung („damit es dir wohl ergehe und du lange lebest auf der Erde“) können Christen, deren Segensstellung grundsätzlich eine himmlische und keine irdische ist, nicht in absoluter Weise für sich in Anspruch nehmen – ihre Lebenserwartung hängt von Gottes Handeln mit ihnen ab, nicht zuletzt davon, wann der Herr Jesus kommt und sie zu sich in die Herrlichkeit holt. Und wir haben gesehen, dass auch nicht jedes Gebot vom Sinai eine buchstäbliche, allgemeingültige moralische Bedeutung hat. Gebote wie die Opfergesetze usw. nehmen wir nicht zur Anleitung für ein bestimmtes Verhalten, sondern sie haben allenfalls eine geistlich übertragene Bedeutung.

Das heißt: Inwieweit die Vorschriften vom Sinai einen bleibenden moralischen Anspruch Gottes an jedermann ausdrücken, können Christen nur im Einzelfall bestimmen, indem sie die jeweilige Gesetzesvorschrift und die für Christen geltende Belehrung des Neuen Testaments „nebeneinanderlegen“; entscheidend ist, was das Neue Testament sagt. Nützlich kann es auch sein, die Grundsätze, die Gott für andere Haushaltungen aufgestellt hat, hinzuzuziehen. Zwei Beispiele:

 

Darf ein Christ töten und Ehebruch begehen?

Wenn der Christ dem Gesetz gestorben ist, ist er dann nicht fein raus? „Du sollst nicht töten“, „du sollst nicht ehebrechen“ – gilt das dann für ihn nicht? An diesen zwei fundamental moralischen Geboten kann man nachvollziehen, wie der Christ zum Gesetz steht:

  • Gott sagte im Gesetz: „Du sollst nicht töten“, und: „Du sollst nicht ehebrechen“ (2. Mo 20,13 f.). Diese Verbote sind nicht an Christen gerichtet, denn Christen sind nicht unter Gesetz.
  • Beide Verbote lassen sich bereits aus der Schöpfung herleiten (Töten: 1. Mo 9,6; Ehebruch/Monogamie: 1. Mo 2,24) und gelten  für alle Menschen, auch für Christen – als Gottes Geschöpfe – uneingeschränkt. Das Gesetz kam „daneben ein“ (Röm 5,20) und tastete die Schöpfungsgrundsätze nicht an; umgekehrt werden diese Grundsätze auch nicht dadurch aufgehoben, dass der Christ dem Gesetz gestorben ist.
  • Beide Verbote werden in der Bergpredigt auf die Wurzel des Übels – die Gesinnung – zurückgeführt. Für den Christen im Reich Gottes ist es nicht nur verboten zu töten, sondern ebenso untersagt, zu hassen und unversöhnlich zu sein (Röm 12,17 ff.; vgl. Mt 5,21 ff.), und ihm ist nicht nur der Ehebruch verboten, sondern auch die Lust und fehlende Selbstkontrolle (Mt 5,27 ff.).
  • Beide Verbote werden im Neuen Testament bestätigt (Off 22,15). Insofern werden von einem Christen, der Gottes Willen tun will, diese Gebote ihrem moralischen Inhalt nach erfüllt, aber noch mehr als das: Er zeigt auch eine Gesinnung, die Gott freut und ehrt.

 

e) Das Gesetz als „Bilderbuch“ für Christen

Jede Schrift – die ganze Bibel – ist nützlich zur Belehrung, zur .berführung, zur Zurechtweisung, zur Unterweisung in der Gerechtigkeit (2. Tim 3,16). Das gilt auch für das Gesetz vom Sinai, und es gilt für manche Gesetzesvorschriften in besonderer Weise:

  • In den Zehn Geboten sind allgemein anerkannte ethische Grundsätze so auf den Punkt gebracht, dass sich schon mancher durch ein kurzes Zitat in seinem Gewissen hat ansprechen lassen, ohne darüber nachzudenken, ob das Gesetz überhaupt für ihn gilt.
  • Das gesamte Gesetz vom Sinai ist ein Bilderbuch für Christen, in dem vieles einen bildlichen Sinn hat.
  • In einigen Fällen kann man eine Brücke von „damals“ nach „heute“ schlagen, indem man die Aussagen des Gesetzes auf einer geistlichen Ebene auf Christen anwendet. Hier ist es aber wichtig zu beachten, dass das Gesetz immer nur herangezogen werden darf, um Gebote, Leitlinien und Prinzipien des Neuen Testamtents zu illustrieren und nicht, um sie zu ergänzen oder auszulegen oder gar Handlungsanweisung zu begründen, die das Neue Testament nicht kennt.
  • Häufiger noch entdeckt man einfach Parallelen, die zwischen damals und heute bestehen. Das Verbot des Ehebruchs findet etwa eine Parallele in der Beziehung zwischen dem Gläubigen und  dem Herrn Jesus – hat Er noch unsere „erste Liebe“ (Off 2,4)?

 

4. Für’s nächste Mal

Wir haben festgestellt, dass das alttestamentliche Gesetz den Menschen weder vor Gott rechtfertigen kann, noch ihm eine Lebensregel bietet. Das gilt nicht nur für das Gesetz vom Sinai: Auch kein anderes Gesetz kann dem Christen helfen, heilig zu leben. Beim nächsten Mal geht es um die Frage: Was ist denn nun die Lebensregel des Christen? Woran kann er sich orientieren?

 

 

Der Christ und das Gesetz – nach Gedanken von J. N. Darby

Man muss dem Gesetz gestorben sein – nicht nur um gerechtfertigt zu werden, sondern auch um Gott Frucht bringen zu können.

Das Gesetz hat immer die Wirkung, die Gott ihm in seinem Wort gegeben hat: Sünde im Menschen wird vom Gesetz ohne Gnade verflucht. Wer einen Christen darunter stellt, bricht entweder die Autorität des Gesetzes (da der Christ nicht verflucht wird), oder er bringt den Christen entgegen Gottes Wort unter den Fluch.

Die legitime Wirkung des Gesetzes ist, dass es

  • die Sünden (als sündige Taten) verdammt und
  • (bei geistlicher Betrachtung) die Sünde (als Prinzip) verdammt: Indem es absoluten  Gehorsam fordert, verdammt es meinen Eigenwillen.

Dadurch tötet es. Es tötet meine Handlungen, meine Lust, meinen Willen (nicht buchstäblich, sondern in meinem Gewissen). So bin ich durch das Gesetz dem Gesetz gestorben. Hier endet das Gesetz. Mehr bringt es nicht. Es gibt mir kein Leben, keine Kraft, keine Alternative. Aber: Für den Christen ist dieser Tod nicht das Ende. Der Tod ist stellvertretend in Christus eingetreten, und ich lebe durch Christus. Durch seinen Tod ist die Sünde (die vom Gesetz verdammt wird) von meinem Gewissen weggenommen. Ich kann mich dem Gesetz und der Sünde für tot halten, und ich lebe durch Christus. Mein wahres „Ich“ ist Christus. Das ist die Grundlage der Lehre über Sünde und Gesetz.

Es ist schon im Ansatz falsch, wenn man zwischen dem Gesetz als Mittel zur Rechtfertigung und seinem Gebrauch als Lebensregel unterscheiden will. Wer ermächtigt uns, das Gesetz zu einem Zweck zu gebrauchen und zu einem anderen Zweck beiseite zu lassen, wenn Gott es zu einem bestimmten Zweck gegeben hat? Das Gesetz bringt jeden unter Fluch und Tod; es fragt nicht, wozu er es einsetzt.

Wenn Paulus schreibt, dass für den Christen das Gesetz nicht gilt, meint er nicht nur das moralische Gesetz, sondern das Gesetz als Prinzip, dass der Mensch aufgrund Gehorsams Leben verheißen bekam und andernfalls verdammt wurde. Hiervon ist der Christ befreit, und zwar vollständig (auch als Lebensregel).