Bibel praktisch

Hier will ich wohnen - Gottes Wohnort bei seinem Volk (Teil 2)

Der erste Teil dieser Ausarbeitung (vgl. Heft 4) ging der Frage nach, wie der Wohnort Gottes, 21-mal erwähnt im 5. Buch Mose, im Licht des Neuen Testaments in die heutige Zeit übertragen werden kann. Die Antwort: Die erwähnten Merkmale dieses Ortes lassen sich mit den christlichen Zusammenkünften (oder Versammlungs-/Gemeindestunden) vergleichen. Drei dieser Merkmale hatte Teil 1 bereits vorgestellt: Gottes Wohnort ist heilig, ein Ort der Freigebigkeit und der Hingabe (vgl. 5. Mose 12.14.15). Nun folgen weitere fünf Merkmale.

 

4. Ein Ort der Freude (5. Mo 16)

In 5. Mose 16 wird der Wohnort des Herrn sechsmal erwähnt. Der Schwerpunkt liegt hier auf der Freude. In Verbindung mit dem Passahund dem Laubhüttenfest wird gesagt:

„Und du sollst dich vor dem Herrn, deinem Gott, freuen … Sieben Tage sollst du dem Herrn, deinem Gott, das Fest feiern an dem Ort, den der Herr erwählen wird; denn der Herr, dein Gott, wird dich segnen in all deinem Ertrag und in allem Werk deiner Hände, und du sollst nur fröhlich sein“ (V. 11.15).

Sind die Versammlungsstunden für uns Momente der Freude? Vielleicht nicht immer. Es kann sogar sein, dass wir uns ärgern – über anwesende Personen oder deren Beitrag oder vielleicht auch über die unangemessene Raumtemperatur. – Geben wir Acht auf die Regungen unserer alten Natur! In unserem Fleisch wohnt nichts Gutes.

Wenn alle Anwesenden sich ganz auf den Herrn konzentrieren, dann werden die Versammlungsstunden zu einem Ort der Freude. Im Vordergrund steht sicherlich die Freude am Herrn selbst. Das hatten die Jünger damals auch erlebt, als sie aus Furcht vor den Juden versammelt waren (es war noch kein christliches Zusammenkommen). Der Herr Jesus kam in ihre Mitte, und sie freuten sich, als sie Ihn sahen (vgl. Joh 20,20).

1. Korinther 14, das die Zusammenkunft als Versammlung thematisiert (vgl. Vers 23), erwähnt indirekt auch die Freude: „Ich will lobsingen mit dem Geist, ich will aber auch lobsingen mit dem Verstand“ (V. 15). Anlass dazu geben der Herr selbst, sein Sühnungstod und auch die Predigt des Wortes Gottes. Wenn Erlöste sich über ihre geistlichen Segnungen freuen, werden sie gern in ein Loblied einstimmen. Heute dürfen wir schon einen Vorgeschmack von dem erleben, was einmal im Himmel stattfinden wird: Das geschlachtete Lamm ist Zentrum und Motiv des Lobes. Die Gläubigen beten das Lamm an und singen ein neues Lied (vgl. Off 5,6 ff.). Das ist eine Freude, die uns niemand wegnehmen wird, die wir aber auch jetzt schon genießen können.

 

5. Ein Ort der Entscheidung (5. Mo 17)

„Wenn dir eine Sache zwischen Blut und Blut, zwischen Rechtssache und Rechtssache und zwischen Verletzung und Verletzung zu schwierig ist zum Urteil, irgendwelche Streitsachen in deinen Toren, so sollst du dich aufmachen und an den Ort hinaufziehen, den der Herr, dein Gott, erwählen wird. Und du sollst zu den Priestern, den Leviten, kommen und zu dem Richter, der in jenen Tagen da sein wird, und dich erkundigen; und sie werden dir den Rechtsspruch verkündigen“ (5. Mo 17,8.9).

Streitigkeiten unter Gläubigen? Ja, leider kann dies vorkommen. Wenn möglich sollten sie schnell zwischen den (beiden) Betroffenen geschlichtet werden, ohne die Sache zu verbreiten (vgl. Mt 18,15). Sollte das nicht gelingen, sind zwei oder drei geistliche Brüder mitzunehmen. Manchmal hat eine Sünde jedoch eine Dimension angenommen, dass sie nicht (mehr) im kleinen Kreis behandelt werden kann. Die Sache ist dann „zu schwierig zum Urteil“. Was ist nun zu tun? Damals gab es einen Ort, wo Priester und Richter ansässig waren und die notwendigen Entscheidungen trafen, an die sich die Betroffenen zu halten hatten. Heute gibt es auch einen „Ort“, wo Entscheidungen getroffen werden, die sowohl auf der Erde als auch im Himmel anerkannt werden. Es ist die örtliche Versammlung, mit dem Herrn in der Mitte. Der Herr Jesus selbst spricht davon: „Wahrlich, ich sage euch: Was irgend ihr auf der Erde binden werdet, wird im Himmel gebunden sein, und was irgend ihr auf der Erde lösen werdet, wird im Himmel gelöst sein“ (Mt 18,18). Später, als in Korinth ein Fall auftrat, wo die Versammlung einen Hurer aus der christlichen Gemeinschaft ausschließen musste, wendet Paulus die Anweisung des Herrn an (vgl. 1. Kor 5,2 ff.). Auf die geistlichen Voraussetzungen für solch eine Zuchtmaßnahme legt der Apostel dabei besonderen Wert (vgl. V. 2.4):

  • Die Versammlung hat über die Sünde Leid zu tragen;
  • sie muss im Namen des Herrn Jesus handeln;
  • die Gläubigen müssen in der Kraft des Herrn Jesus versammelt sein.

Der Herr gibt also der örtlichen Versammlung die Vollmacht, Entscheidungen mit großer Tragweite und uneingeschränkter Verbindlichkeit1 zu fällen. Sie gelten für die ganze Versammlung, weltweit. Denn wer damals in Korinth „draußen“ (d.h. außerhalb der christlichen Gemeinschaft) war, war es auch in Ephesus.

„Warum ist eine solche Maßnahme überhaupt notwendig?“, mag jemand fragen. Für einen Rechtsspruch im Zeitalter des Gesetzes hat man vielleicht mehr Verständnis als für eine Zuchtmaßnahme in der Gnadenzeit. Doch wollen wir beachten, dass

  • die Belehrungen des 1. Korintherbriefs allgemeine und zeitlose Gültigkeit haben (vgl. Kap. 7,17; 14,33; 16,1), weil sie direkt vom Herrn kommen.
  • der Herr nur dort „wohnen“ kann, wo seinem heiligen Wesen entsprechend gehandelt wird (vgl. Ps 93,5).

 

6. Ein Ort des (levitischen) Dienstes (5. Mo 18)

„Und wenn der Levit kommen wird aus einem deiner Tore, aus ganz Israel, wo er sich aufhält, und er kommt nach all seiner Herzenslust an den Ort, den der Herr erwählen wird, und verrichtet den Dienst im Namen des Herrn, seines Gottes, wie alle seine Brüder, die Leviten, die dort vor dem Herrn stehen, so sollen sie zu gleichen Teilen essen, außer dem, was er von seinem väterlichen Eigentum verkauft hat“ (5. Mo 18,6-8)

Der Stamm Levi nahm unter den 12 Stämmen einen Sonderstatus ein. Gott hatte ihnen keinen ausgewählten Landstrich in Kanaan zum Besitz gegeben. Ihr „Erbteil“ bestand aus

  • den Feueropfern des Herrn (Jos 13,14),
  • dem Herrn selbst (Kap. 13,33),
  • dem Priestertum des Herrn (Kap. 18,7) und
  • 48 Städten und ihren Bezirken, innerhalb der verschiedenen Stammesgebiete (Kap. 21).

Somit lebten die Leviten im Allgemeinen inmitten des ganzen Volkes. Da gewisse Feste ausschließlich an dem Ort gefeiert werden sollten, wo der Herr seinen Namen wohnen lassen wollte, war es klar, dass auch die Leviten dorthin kamen. Denn ihnen waren der Opferdienst und der Dienst am Haus Gottes anvertraut.

Bildlich sehen wir in den Leviten Diener des Herrn, die unterschiedliche Aufgaben in Verbindung mit dem Haus Gottes haben. Und der „Ort“, wo heute besonders gedient werden sollte, sind die biblischen Zusammenkünfte. Dieser Aspekt wurde bereits unter 2. b) erörtert, so dass er hier nicht weiter kommentiert werden muss.

Eins fällt noch auf: Egal wer der Levit war – wenn er an dem erwählten Ort diente, so sollte er auch versorgt werden („so sollen sie zu gleichen Teilen essen“). So ordnete Gott es für sein Volk damals an. Und wie kann diese Anweisung auf die heutige Zeit übertragen werden? Vielleicht so: Kommt irgendein Diener des Herrn zu uns in die Versammlung, und er kommt „im Namen des Herrn“, dann sollten wir ihn aufnehmen und seine Botschaft annehmen. „Wahrlich, wahrlich, ich sage euch: Wer aufnimmt, wen irgend ich senden werde, nimmt mich auf“ (Joh 13,20; vgl. Mt 10,40). Weder Bildung, Rang und Namen noch Schwächen und Fehler dürfen dabei eine Rolle spielen. Er kommt im Auftrag des Herrn – das ist entscheidend.

Das Aufnehmen des Dieners schließt auch seine materielle Versorgung ein: „Wer in dem Wort unterwiesen wird, teile aber von allem Guten [eigtl. von allen Gütern] dem mit, der ihn unterweist“ (Gal 6,6). Auch diese Aufforderung enthält keine weiteren Bedingungen. Selbst wenn der Diener wohlhabend wäre: „außer dem, was er von seinem väterlichen Eigentum verkauft hat“ – weil er mit Geistlichem dient, sind wir aufgefordert, ihn mit Materiellem zu versorgen (vgl. 1. Kor 9,11).

„Wenn du in das Land kommst … und du besitzt es und wohnst darin, so sollst du von den Erstlingen aller Frucht des Erdbodens nehmen … und sollst sie in einen Korb legen und an den Ort gehen, den der Herr, dein Gott, erwählen wird, um seinen Namen dort wohnen zu lassen … Und du sollst sie vor dem Herrn, deinem Gott, niederlegen und anbeten vor dem Herrn, deinem Gott“ (5. Mo 26,1.2.10).

 

7. Ein Ort der Anbetung (5. Mo 26)

Gott gibt immer das Beste! So ist es nicht verwunderlich, dass das Land Kanaan, das Gott seinem Volk geben wollte, als „ein sehr gutes Land“ bezeichnet wird. 5. Mose 8,7-10 berichtet ausführlicher davon. In diesem Land würde es dem Volk an nichts mangeln. Doch gilt stets: Wenn Gott segnet, wünscht Er eine entsprechende Antwort unsererseits. Und genau davon handeln die zitierten Verse. Die ersten Früchte einer neuen Ernte sollten Gott gehören. Wenn der Israelit sie in einem Korb nach Jerusalem tragen würde, dürfte er sich dankbar an den großen Wechsel erinnern: sein Vater damals im Elend in Ägypten – er jetzt in einem Land, „das von Milch und Honig fließt“ (V. 9). Da blieb ihm nichts anderes übrig, als zu staunen, niederzufallen und anzubeten.

Wie viel größer ist unsere Errettung! Sie ist ewig. Und wie viel herrlicher ist unser „Land“! Es ist himmlisch. Beides lernen wir kennen und schätzen, wenn wir uns Zeit nehmen und sorgfältig die Briefe des Neuen Testaments lesen. Dann füllt sich unser „Korb“ mit wertvollen Früchten. Das geschieht erst einmal zu Hause. Darum ist unser privates Leben mit dem Herrn und seinem Wort so wichtig. Es spielt eine entscheidende Rolle für unser gemeinsames Leben, speziell in den Zusammenkünften. Denn so wie der Israelit mit dem gefüllten Korb nach Jerusalem ging, gehen wir mit unseren gewonnenen Eindrücken in die Versammlungsstunden, um dem Herrn zu danken und Ihn anzubeten.

Anbetung ist – kurz gefasst – das bewundernde Anschauen der göttlichen Personen. Insofern wird sicherlich in jeder Zusammenkunft der Versammlung angebetet, laut oder lautlos. Dem Zusammenkommen zum Brotbrechen kommt in dieser Hinsicht allerdings eine besondere Bedeutung zu. Es ist in erster Linie ein Gedächtnismahl. Der Sohn Gottes, „der uns geliebt und sich selbst für uns hingegeben hat als Darbringung und Schlachtopfer, Gott zu einem duftenden Wohlgeruch“, ist Gegenstand unseres Gedenkens. Und doch spielen auch die geistlichen Segnungen eine große Rolle z.B. dass alle Erlösten die Versammlung, den einen Leib, bilden: „Ein Brot, ein Leib sind wir, die Vielen“ (1. Kor 10,17). Beides gibt Anlass, Gott, dem Vater, und seinem Sohn Lob und Anbetung zu bringen. Wie ehrt es sie, wenn sich viele daran beteiligen. Alle, die bei solchen Zusammenkünften innerlich „mitgehen“, mitsingen und von Herzen „Amen“ sagen, sind eingeschlossen: Männer und Frauen, Junge und Alte, Jungbekehrte und geistlich Fortgeschrittene. Zählst Du Dich auch zu solch glücklichen Christen?

 

8. Ein Ort des Wortes Gottes (5. Mo 31)

„Am Ende von sieben Jahren, zur Zeit des Erlassjahres, am Fest der Laubhütten, wenn ganz Israel kommt, um vor dem Herrn, deinem Gott, zu erscheinen an dem Ort, den er erwählen wird, sollst du dieses Gesetz vor ganz Israel lesen, vor ihren Ohren“ (5. Mo 31,10.11).

Die letzte Erwähnung des Ortes, den Gott erwählen wollte, steht in Verbindung mit zwei Ereignissen: dem Erlassjahr (vgl. Kap. 15,1 ff.) und dem Laubhüttenfest (vgl. Kap. 16,13-15). Beide erinnerten das Volk an die Barmherzigkeit Gottes. Er hatte sie aus Ägypten befreit und sie in dem verheißenen Land reich gesegnet. Und diesen Zeitpunkt hielt Gott für geeignet, öffentlich dem Volk das Gesetz vorlesen zu lassen.

Und heute? Hat das Wort Gottes noch den zentralen Platz in den Versammlungsstunden? Es kann durch nichts ersetzt werden. Auch in einer Zeit, wo die „gesunde Lehre nicht mehr ertragen“ wird, gilt: „Predige das Wort“ (2. Tim 4,2). Und wer solche gesegneten „Orte“ kennt, ist dankbar dafür und nimmt – wenn möglich – alle Personen mit, die ihm anvertraut sind: Männer, Frauen, Fremde und sogar kleine Kinder (vgl. 5. Mo 31,12a). Der Herr wünscht, dass wir geistlich wachsen und erwachsen werden (vgl. Eph 4,13). Deshalb ist es nötig, zu hören, zu lernen, Gott zu fürchten und das Wort Gottes zu tun (vgl. 5. Mo 31,12b). Nur so kann der Herr mit uns zu seinem Ziel kommen.

Christliche Zusammenkünfte, bei denen der Herr in der Mitte ist, sind „Orte“, wohin wir gern alles bringen, was wir haben, auch wenn es oft nur wenig ist. Und wenn wir dort gewesen sind, haben wir manches Mal gestaunt, wie viel wir empfangen haben.