Bibelstudium

Die sühnenden Leiden des Herrn Jesus

„Und als die sechste Stunde gekommen war, kam eine Finsternis über das ganze Land bis zur neunten Stunde; und zur neunten Stunde schrie Jesus mit lauter Stimme: Eloi, Eloi, lama sabachtani?, was übersetzt ist: Mein Gott, mein Gott, warum hast Du mich verlassen?“ (Mk 15,33.34). 

 

In der Menschheitsgeschichte gab es nur einen, der vollkommen war – Jesus Christus. Schon als zwölfjähriger sagte Er fragend: „Wusstet ihr nicht, dass ich in dem sein muss, was meines Vaters ist?“ (Lk 2,49). Stunde um Stunde war Er in ununterbrochener Gemeinschaft mit seinem Vater und führte seinen Willen zu dessen Wohlgefallen aus (Joh 4,34). Über Ihn konnte der Himmel sich öffnen und der Vater sagen: „Dieser ist mein geliebter Sohn, an dem ich Wohlgefallen gefunden habe“ (Mt 3,17; 17,5).

Angesichts dieses großartigen Zeugnisses stellen wir uns die Frage, warum gerade derjenige von Gott verlassen werden musste, der jederzeit zum Wohlgefallen des Vaters lebte.

 

Die Reinheit des Herrn Jesus

In dem Herrn Jesus selbst gab es keinen Grund dazu, dass Er von Gott verlassen wurde. Durch den Heiligen Geist gezeugt war Er vollkommen rein und sündlos (Lk 1,35). Er kannte und tat Sünde nicht und Sünde ist nicht in Ihm (2. Kor 5,21; 1. Pet 2,22; 1. Joh 3,5). Damit war Er absolut schuldlos (Mt 27,24).

Insofern litt der Herr Jesus in den drei Stunden der Finsternis unter der Hand Gottes, nicht weil Er selbst etwas verschuldet hatte. Nein, die Strafe, die Ihn auf Golgatha traf, fand ihre Ursache in unseren Sünden. Sie brachten Ihm dieses unendliche Leid.

 

Gethsemane – Leiden im Voraus

Wenige Stunden vor seinem Tod ging der Herr Jesus in den Garten Gethsemane. Dort fing Er an, sehr bestürzt und beängstigt zu werden. Die Leiden, die jetzt vor seiner heiligen Seele standen, drangen tief in Ihn ein. Denn in wenigen Stunden sollte Er zur Sünde gemacht werden und Sündenträger sein.

Warum war das nötig? Weil die Sünde nicht nur ein Wegwenden des Menschen von Gott darstellt, sondern direkte Auflehnung gegen Ihn. Johannes nennt sie Gesetzlosigkeit. Der Mensch wollte Gottes Autorität nicht akzeptieren und war Ihm ungehorsam. Er machte sich unabhängig von Gott. Dafür konnte es nur eine Antwort Gottes geben: Gericht. Und der Herr Jesus stand nun davor, stellvertretend für sündige Menschen dieses furchtbare Gericht über sich ergehen zu lassen.

Schonungslos würde dann das Gericht des heiligen Gottes über Ihn kommen. Diese Heiligkeit kannte niemand so gut wie der Herr Jesus selbst. Er wusste, dass sie auch den Tod als Lohn der Sünde fordern würde.

Daher betete Er zum Vater: „Vater, wenn du willst, so nimm diesen Kelch von mir weg – doch nicht mein Wille, sondern der deine geschehe“ (Mk 14,42). Er konnte nicht anders, als vor dem zurückzuschrecken, was Ihn in den drei Stunden der Finsternis treffen sollte. Es konnte nicht sein Wille sein, zur Sünde gemacht zu werden.

Für den Herrn Jesus bedeutete es, einen heftigen Kampf zu durchstehen, gerade wenn wir an die erschütternden Gedanken an das bevorstehende Gericht denken. So betete Er heftiger (Heb 5,7). So sehr, dass sein Schweiß wie große Blutstropfen wurde. Aber in seiner immer bestehenden Übereinstimmung mit den Gedanken seines Vaters war Er bereit, den Kelch der Leiden und des Gerichtes aus der Hand des Vaters anzunehmen (Joh 18,11).

 

Vollkommener Gehorsam 

So stand Er auf vom Gebet, um im Gehorsam die letzten schweren Schritte nach Golgatha zu gehen. Dort würde Er bald leiden und sterben, damit das Erlösungswerk vollbracht werden konnte. Wieder hatte der Herr zu dem Weg seines Vaters „Ja“ gesagt. Dann kam die „Stunde“ und die „Gewalt der Finsternis“, in der Er verraten, überliefert, verurteilt und gekreuzigt wurde (Lk 22,53ff.).

 

Golgatha – die drei Stunden der Finsternis

Nun hing der Herr Jesus schon drei ganze Stunden zu Unrecht am Kreuz (Mk 15,25; Lk 23,41). In diesen ersten drei Stunden (von der dritten bis zur sechsten Stunde) litt der Herr Jesus schwer unter den Anfeindungen und Misshandlungen der Menschen. Doch jetzt begann die sechste Stunde, mit der eine Finsternis über das ganze Land kam. Gott richtete den Herrn Jesus wegen unserer Sünden, indem Er Ihn zur Sünde machte. Im Vorhinein hat Gott die Söhne Korahs beauftragt, prophetisch im Blick auf dieses Gericht von Wogen und Wellen zu schreiben, die über den Herrn Jesus kamen (Ps 42,8). So furchtbar empfand unser Retter dieses Gericht Gottes. Er litt unter der Hand Gottes.

 

Von Gott verlassen

Im Garten Gethsemane und in den ersten drei Stunden am Kreuz war der Herr noch in inniger Gemeinschaft mit seinem Vater gewesen (Mt 26,39; Lk 23,34). Doch nun war Er von seinem Gott verlassen worden. Auch kein Mensch stand Ihm mehr bei. Der Engel, der im Garten noch zu Ihm kam, um Ihn zu stärken, blieb aus. Der Heiland war jetzt vollkommen allein – allein in tiefster Finsternis (Ps 88,7). 

In dieser Zeit nahm der Herr die furchtbare Stellung ein, die einmal verlorene Menschen in der ewigen Gottesferne einnehmen werden.[1] Es ist eine Stellung, in der sich Gott von einem Menschen völlig entfernt. Der heilige Gott konnte jetzt keine Gemeinschaft mehr mit dem haben, der zur Sünde gemacht wurde und unsere Sünden trug. 

 

Zur Sünde gemacht

Den, der Sünde nicht kannte, hat Er für uns zur Sünde gemacht (2. Kor 5,21). Der Herr Jesus war während seines Lebens das fleckenlose Lamm Gottes gewesen. Doch in den drei Stunden der Finsternis hat Gott Ihn zur Sünde gemacht. „Es geht darum, als Sünde vor Gott zu stehen, denn dazu war Christus gemacht“ („Die Leiden Christi“ von John Nelson Darby, Seite 28).

Was mag das für unseren Herrn in diesen Momenten bedeutet haben? Die teilweise bereits zitierten prophetischen Worte „Tiefe ruft der Tiefe beim Brausen deiner Wassergüsse; alle deine Wogen und deine Wellen sind über mich hingegangen“ (Ps 42,8), geben uns einen kleinen Eindruck von den Leidenstiefen, in denen der Herr war, als die unaufhaltbaren Fluten des Gerichts über Ihn hereinströmten. Sie trafen Ihn, weil Er zur Sünde gemacht worden war.

 

„Die Sünde vieler getragen“

„Er aber hat die Sünde vieler getragen“ (Jes 53,12). In den drei Stunden tiefster Finsternis wurde der Herr Jesus nicht nur zur Sünde gemacht. Im selben Moment wurde Er auch der Sündenträger (1. Pet 2,24). Er tilgte und löschte stellvertretend die Sünden (Tatsünden) derer für immer aus, die Ihn im Glauben annehmen würden. Damit lag die schwere Last von Millionen sündiger und schmutziger Taten, Gedanken und Worten auf dem Reinen. Für jede einzelne Sünde wurde Er bestraft (Jes 53,5; vgl. 3. Mo 16,21). Ιn diesen Augenblicken konnte Gott, der zu rein ist, um Böses zu sehen, Ihn nicht verschonen (Hab 1,13). Es bedeutete für den Heiland tiefstes Leid (Ps 88,4.8).

 

Sein Tod

Dieses Gericht verlangte nun schonungslos das, was ein heiliger und gerechter Gott für die Sühnung von Sünden forderte – den Tod (Röm 6,23).

So schrecklich es für den Herrn Jesus gewesen sein muss, zur Sünde gemacht zu werden und die Sünden vieler zu tragen, so schrecklich muss es auch für Ihn gewesen sein, zu sterben. Er, der Fürst des Lebens, musste sterben. Dabei starb er nicht an den Folgen der Kreuzigung. Denn Er konnte wenige Augenblicke vor seinem Tod noch mit lauter Stimme schreien, obwohl das nicht bedeutet, dass diese körperlichen Qualen spurlos an Ihm vorübergegangen wären (Mk 15,36). Er gab sich selbst freiwillig für Gott und uns hin (Joh 10,17.18). Diese Hingabe ist gleichzeitig der Beleg seiner unendlichen Liebe (1. Joh 3,16).

 

Gottes Verherrlichung – unsere Errettung

Durch die sühnenden Leiden und den Tod des Herrn Jesus wurde Gott vollkommen verherrlicht. Denn sie sind die Grundlage dafür, dass die Sünde, die Gott aufs Tiefste beleidigte, da Er den Menschen ohne Sünde geschaffen hatte, einmal vollständig aus den Augen Gottes hinweggetan sein wird. So war das Werk Jesu ein duftender Wohlgeruch für Gott. Seinen Forderungen in Bezug auf die Sünde wurde entsprochen. Jetzt kann Er jedem Menschen auf der Grundlage des Blutes, des Todes des Herrn, die Errettung anbieten. 

Auch der Zugang ins Heiligtum wurde frei (Heb 10,19-22). Das heißt, der große Gott, der für das Volk Israel unzugänglich war und dessen Herrlichkeit verschlossen hinter einem Vorhang des Tempels verborgen war, kann nun von Menschen in persönlichem Gebet angesprochen und angebetet werden. Er ist in dem Herrn Jesus unser Vater. Dieser nunmehr freie Zugang zu Gott wird durch das Zerreißen des Vorhangs des Tempels symbolisiert (Mt 27,51).

 

Ein Lamm, wie geschlachtet

Nachdem der Herr das schwere Werk ausgeführt hatte, ist Er auferweckt und zur Rechten Gottes auf den Thron erhoben worden. Bald werden auch wir im Himmel sein und um den Thron versammelt stehen (Off 5,8.14). Dann werden wir seine durchbohrten Hände und seine durchbohrte Seite sehen. Sie sind ein Zeugnis davon, wie sehr Er vonseiten der Menschen litt. Aber auch die Leiden, die Er von Gott erfuhr, werden uns beschäftigen. Wir werden ein Lamm sehen, das wie geschlachtet vor unseren Augen stehen wird (Off 5,6.9.12).

Dann wird die Stimme vieler Engel, die der lebendigen Wesen und die der Ältesten gehört werden. Es werden Tausende mal Tausende und Zehntausende mal Zehntausende sein, die mit lauter Stimme sprechen: „Würdig ist das Lamm, das geschlachtet worden ist, zu empfangen die Macht und Reichtum und Weisheit und Stärke und Ehre und Herrlichkeit und Segnung“ (Off 5,12).

So werden wir Ihn, das Lamm in Ewigkeit, für das anbeten, was Er auf dem Schauplatz der Sünde in Vollkommenheit erlitten und was Er bewirkt hat.

 

[1] Bis heute ist noch kein Mensch von Gott verlassen worden. Auch wenn David schrieb: „Mein Gott, mein Gott, warum hast Du mich verlassen“ (Ps 22,2)?, war nicht er es, der verlassen wurde, sondern der Herr Jesus. Denn dieser Psalm spricht im ersten Teil prophetisch von Ihm und seinen Leiden.