Jesus Christus

Jesus Christus – einzigartig! (6)

Andachten über den Erlöser

 

Das Schreien des Herrn

Das Schweigen des Herrn war das Thema der letzten Andacht und lässt uns Ihn bewundern. Dass der Herr aber auch laut gerufen, ja sogar geschrien hat, könnte dabei ein wenig vergessen werden. Dabei ist auch dies Ausdruck der echten Menschheit unseres Erlösers – und größter Not.

Rufen, Flehen und Schreien weisen in der Bibel durchgängig auf größte Not hin, aus der heraus jemand zu Gott betet (vgl. Ps 130,1; Lk 18,7). Das kann hörbar (Neh 9,4) oder auch lautlos (1. Sam 1,15) geschehen. Gottes Ohren sind auf das Schreien der Seinen gerichtet (Ps 34,16). Wer zu Gott schrie, durfte Errettung erleben, wenn er auf Gott vertraute (Ps 22,5.6). Wie war es denn bei Christus?

  • Im Leben: Das Leben des Herrn Jesus war durch Gebet geprägt (im Lukas-Evangelium wird davon 14mal berichtet!) – Er war Gebet in Person (Ps 109,4). Vor der Berufung der Jünger einschließlich Petrus und Judas hat Er die Nacht im Gebet verharrt – vielleicht hat Er geschrien, wie es Psalm 17,1 formuliert: „Horche auf mein Schreien; nimm zu Ohren mein Gebet von Lippen ohne Trug!“
  • Im Garten Gethsemane betete und sprach der Herr dreimal dasselbe Wort (Mt 27,36-42). Aber die Not, die vor Ihm stand, von Gott verlassen und mit unzähligen Sünden beladen, ja zur Sünde gemacht zu werden – das war für Ihn eine schreiende Not. Der Herr hat Gott diese und vielleicht auch noch andere Bitten mit starkem Schreien und Tränen vorgelegt (Heb 5,7)! Psalm 102, der auch als „Gethsemane-Psalm“ bezeichnet wird, drückt es so aus: „Herr, höre mein Gebet, und lass zu dir kommen mein Schreien!“ (V. 2). Als Mensch schreckte Er vor Golgatha zurück – und zeitgleich unterwarf Er sich den Kreuzesleiden. Beides zeigt seine Vollkommenheit. Dieses Schreien geschah auch wegen meiner Sünden – Herr, ich preise Dich!
  • Die vielen Anklagen, Attacken, körperlichen Leiden riefen Schweigen bei dem Lamm Gottes hervor. Doch die ganze innere Not hat Er seinem Gott vorgetragen – so stark, dass seine Kehle entzündet war vom Rufen (Ps 69,4), wohl als Bild von tiefer innerer Anspannung.
  • Doch dann, auf Golgatha  – am Ende der drei Stunden der Finsternis, sozusagen auf dem Höhepunkt der Sühnungsleiden – „schrie Jesus mit lauter Stimme: Mein Gott, mein Gott, warum hast Du mich verlassen?“ (Mk 15,34; vgl. Mt 27,46; Ps 22,2). Die ganze Last der Leiden um der Sünde, der Sünder und der Sünden willen lag auf Ihm. Vielleicht hat Er während dieser ganzen drei Stunden ständig so oder ähnlich zu Gott gerufen, „am Tag und bei Nacht“, wie es Psalm 22,3 beschreibt (vgl. auch Ps 88,2.3). Diese „Warum“-Frage war keine rhetorische Frage; sie zeigt das Menschsein des Erlösers, der als Gerechter nach dem Warum der Verlassenheit fragt – nie war je ein Gerechter von Gott verlassen (vgl. Ps 37,25)! Ja, wir geben eine Antwort auf diese Frage: „Der Sohn Gottes hat mich geliebt und sich selbst für mich hingegeben“ (Gal 2,20). Aber wir bleiben zugleich ehrfürchtig vor dem Geheimnis der Sühnungsleiden des Erlösers, ja vor Ihm selbst stehen.
  • Der Sieger von Golgatha legt sein Leben freiwillig ab – und beendet sein Leben mit einem lauten Schrei: „Und Jesus rief mit lauter Stimme und sprach: Vater, in deine Hände übergebe ich meinen Geist!“ (Lk 23,46; vgl. Mt 27,50; Mk 15, 37). Nicht Schwachheit, Erschöpfung, dazu Gottverlassenheit waren das Ende, sondern ein kraftvoller Ruf, eine Übergabe in die Hände des Vaters!
  • Antwort auf das Schreien und Rufen des Herrn in Gethsemane und auf Golgatha bekam der Herr – durch die Auferweckung! Gott hatte sein Schreien gehört, Christus wurde um seiner Frömmigkeit willen erhört (Ps 40,2; Heb 5,7). „Als er zu ihm schrie, hörte er“ (Ps 22,25). Christus ist befreit – nun hören wir kein Schreien und Rufen mehr, sondern Er stimmt den Lobgesang inmitten der Erlösten an (Heb 2,12).

Diese Liebe des Herrn Jesus übersteigt genauso mein Verständnis wie seine tiefe Leidensnot. Ich danke Dir, Herr, dass Du mir trotzdem Einblick gibst in die Tiefe Deiner Leiden und Deiner Liebe. Ich möchte Dich lieben, weil du mich zuerst geliebt hast!