Bibelstudium

Das Buch Ruth (4)

Kapitel 2 ist – wie wir in der letzten Folge gesehen haben – besonders reich an praktischer Belehrung für unser tägliches Leben. Ruth arbeitet fleißig auf dem Feld des Boas und lernt dort den Segen dieses vermögenden Mannes kennen, der ihr mehr gibt, als sie nötig hat. Doch es geht nicht allein um den Segen, sondern es geht vor allem um den, der den Segen gibt. Ruth lernt Boas kennen, der ein Vorausbild des Herrn Jesus ist.

 

Kapitel 3: Auf der Tenne des Boas

Es ist wahr, dass der Segen, den wir Christen im Wort Gottes finden, außerordentlich groß ist. Der geistliche Reichtum eines Christen ist in Tat nicht zu ergründen. Und das ist gerade deshalb so, weil es der „unergründliche Reichtum des Christus“ ist (Eph 3,8). Der Segen ist nicht von dem Segnenden (dem Herrn Jesus) zu trennen, und der Segnende ist immer größer als der Segen, den er gibt. Das lernen wir nun, wenn wir uns Kapitel 3 und 4 anschauen. Die Moabiterin Ruth lernt Boas auf eine ganz neue Weise kennen und wird schließlich sogar seine Frau. War das nach dem Gesetz eigentlich überhaupt möglich (vgl. 5. Mo 23,4)? Hier triumphiert die Gnade über das Gesetz.

Es ist allerdings nicht ganz so einfach, aus diesen beiden Kapiteln die richtigen praktischen Nutzanwendungen für uns zu ziehen. Wir müssen dabei behutsam vorgehen. Rein geschichtlich geht es um eine Brautwerbung und Eheschließung – und das zu einer ganz anderen Zeit als heute und in einem Land mit ganz anderen Gewohnheiten, als wir sie kennen. Als praktisches Beispiel für die Anbahnung einer Ehe für uns heute sind diese beiden Kapitel deshalb nicht sonderlich geeignet. Es geht ganz sicher nicht um die Frage, wie sich eine junge Frau einen reichen Mann „angeln“ oder wie eine Mutter ihrer Tochter einen Ehemann „besorgen“ kann. Die große Lektion für uns liegt vielmehr darin, wie wir unseren himmlischen Boas – den Herrn Jesus – besser kennenlernen können. Unter diesem Gesichtspunkt wollen wir in dieser letzten Folge über das Buch Ruth etwas über den Bericht nachdenken.

 

Ein guter Rat Noomis (Verse 1.2)

Kapitel 3 beginnt damit, dass Noomi ihrer Schwiegertochter Ruth einen guten Rat gibt. Es ist immer gut, wenn ältere und jüngere Gläubige einen guten Kontakt und Austausch miteinander haben. Ältere Glaubensgeschwister können Jüngeren Wegweisung geben, und wenn die Beziehung stimmt, werden solche Hinweise nicht unbeachtet bleiben. Ich möchte jedem Mut machen, solche Beziehungen in beide Richtungen zu pflegen.

Das Ziel Noomis ist, dass Ruth bei Boas Ruhe findet. Sie sagt: „Meine Tochter, sollte ich dir nicht Ruhe suchen, dass es dir wohl gehe?“ (V. 1). Damit meint sie ganz konkret, dass sie dafür Sorge tragen will, dass Boas Ruth heiratet. Für uns liegt darin der Gedanke, dass wir nur dann innerlich zur Ruhe kommen, wenn wir uns an den Herrn binden und eine vertraute Beziehung mit Ihm pflegen. Fürstin Eleonore Reuss hat das bekannte Lied gedichtet: „Ich bin durch die Welt gegangen“, und sie kommt zu der Schlussfolgerung, dass es in dieser Welt keine Ruhe gibt. Wir mögen nach Liebe, Ehre und Glück suchen und werden sie in der Welt nicht finden. Wirkliche Befriedigung für die Seele (den inneren Menschen) gibt es nur bei dem Herrn Jesus. Das gilt nicht nur für einen Sünder, der Frieden mit Gott sucht. Es gilt ebenfalls für uns Gläubige – ob wir jünger oder älter sind. Ruth würde beim Arbeiten auf dem Feld keine Ruhe finden, sondern nur bei dem, der Eigentümer des Feldes ist. Noomi hat also das richtige Ziel vor Augen – Ruth soll Boas besser kennenlernen und seine Frau werden.

Noomi kennt Boas und weiß, was er tut. Sie erinnert Ruth daran, dass er ein Verwandter ist und dass er gerade im Begriff steht, zu worfeln, d. h. die Spreu vom Weizen zu trennen. Offensichtlich ist das Ende der Erntezeit gekommen, und Boas ist mit der Ernte beschäftigt; er freut sich über ein gutes Ernteergebnis. Für uns gilt, dass es gut ist, wenn wir uns immer wieder auf den Herrn Jesus hinweisen lassen und auf das, was Er tut.

 

Notwendige Vorbereitungen (Verse 3.4)

Noomi erwähnt nun einige notwendige Voraussetzungen, damit ihr Plan gelingen kann. Ruth soll sich baden, sich salben, Kleider anlegen und dann warten, zuhören und gehorchen. Darin liegen wichtige Hinweise für uns, denn wir lernen, was notwendig ist, um in der Praxis des Lebens näher mit unserem Herrn verbunden zu werden.

  1. Baden: Als Gläubige sind wir grundsätzlich gereinigt, im Sinn von Johannes 13,10 „gebadet“ (das ist unsere Stellung). Aber es ist nötig, dass das weggenommen wird, was uns täglich verunreinigt. Das finden wir in der Fußwaschung symbolisiert, die der Herr Jesus an seinen Jüngern vorgenommen hat (Joh 13). Ohne diese praktische Reinigung gibt es keine Gemeinschaft mit Ihm.
  2. Salben: Das Baden und Reinigen nimmt das weg, was nicht zu uns passt. Das Salben hingegen fügt etwas hinzu. Wir denken an Maria, die den Herrn Jesus mit einer kostbaren Narde gesalbt hat (vgl. Joh 12,3). Es geht also darum, dass wir mit unserem Herrn und seinen Herrlichkeiten beschäftigt sind, und das wird einen spürbaren Effekt haben. Man wird es wahrnehmen (riechen).
  3. Kleider anlegen: Die Kleider sprechen von dem, was man sieht. Sie symbolisieren an manchen Stellen in der Bibel unser Zeugnis, das wir nach außen abgeben. Unser Zeugnis ist es, auf unseren Herrn hinzuweisen und Ihn auf der Erde nachzuahmen. Wir verhalten uns so, wie Er sich verhalten hat.
  4. Warten – zuhören – gehorchen: Vielleicht fällt uns gerade das manchmal sehr schwer. Wer das dies gelernt hat, lebt nicht seinen eigenen Willen aus, sondern tut das, was unser Herr und Meister ihm sagt.

 

Gehorsam (Verse 5.6)

In Vers 5 signalisiert Ruth Gehorsam. In Vers 6 ist sie gehorsam. Es ist eine Sache, etwas tun zu wollen, und eine andere Sache, es tatsächlich zu tun. Gute Vorsätze sind nicht verkehrt, es darf allerdings nicht bei den Vorsätzen bleiben, sondern sie müssen in die Tat umgesetzt werden. Das lernen wir von Ruth.

 

Zu Boas´ Füßen (Verse 6-13)

Die in diesen Versen beschriebene Szene mag uns ein wenig sonderbar vorkommen. Wir dürfen aber nicht übersehen, dass sie von großer Schönheit und vor allem rein ist – wir dürfen nichts Negatives oder Unmoralisches in sie hineinlegen.

Boas übernachtet auf der Tenne und freut sich über den großen Ernteertrag. Plötzlich stellt er fest, dass Ruth sich dort ebenfalls befindet. Sie hat den Wunsch, Boas nah zu sein. Die Tatsache, dass Ruth sagt: „Breite deine Flügel aus über deine Magd, denn du bist ein Blutsverwandter“ (V. 9) bedeutete nichts anderes, als dass Ruth von Boas geheiratet werden wollte. Nun haben wir schon gesagt, dass wir hier kein Beispiel für die Anbahnung einer Ehe haben. Es ist nicht der „normale“ Weg, dass eine Frau den Heiratsantrag stellt, sondern der Mann (vgl. 2. Mo 2,1). Hier ist es umgekehrt. Die gesamte Szene hat vor allem eine prophetische Bedeutung im Blick auf die zukünftige Erlösung Israels, auf die wir ihm Rahmen dieser Bibelarbeit aber nicht näher eingehen wollen.

Wenn wir diese Szene auf uns anwenden wollen, müssen wir bedenken, dass es im Alten Testament die Vorschrift des „Lösens“ (oder Erlösens) gab. Wenn ein Mann kinderlos starb, gab es die Aufforderung zur „Schwagerehe“, d. h. der Bruder des verstorbenen Ehemannes sollte die verwitwete Frau heiraten (5. Mo 25,5). Auf diese Weise wurde sie „gelöst“ (erlöst), und das Erbteil blieb ihrem ersten Mann erhalten. Auf dieser Vorschrift basiert das ganze Geschehen in Ruth 3 und 4. Für uns spricht das davon, dass der Herr Jesus unser „Löser“ (das heißt Erlöser) ist, der uns freigemacht hat. Der Prophet Jesaja spricht in den Kapiteln 41-57 mehr als zehnmal von dem Erlöser, und es lohnt sich, die Stellen mit Hilfe eines Bibelprogramms oder einer Konkordanz einmal herauszusuchen[1]. Was wir von Ruth lernen können ist, dass es ihr wichtig war zu heiraten und Nachkommen zu haben. Für uns spricht das von dem Wunsch, aus der Verbindung mit unserem Erlöser heraus Frucht für Gott zu bringen (vgl. z. B. Röm 7,4).

Boas stellt Ruth noch einmal ein gutes Zeugnis aus und beweist damit, wie gut er sie kannte. Er sichert ihr zu, alles in seiner Macht Stehende zu tun, um die Sache zu einem guten Ende zu bringen. Er war bereit, sie zu lösen und damit zu heiraten. Ruth musste Boas nur Vertrauen schenken.

 

Sechs Maß Gerste (Verse 14-18)

Der nächste Abschnitt zeigt zunächst, dass es Boas wichtig war, dass alles anständig und in Ordnung ablief. Er wollte niemand ein Anstoß sein, und Ruth sollte es auch nicht. Dann gibt er ihr sechs Maß Gerste mit, die sie nach Hause trägt und ihrer Schwiegermutter zeigt. Es war noch nicht der volle Segen (das wären dann eher sieben Maß Gerste gewesen), sondern eine Art „Anzahlung“, aber in reichem Maß. Noomi versteht das sofort und sichert Ruth zu, dass Boas alles gut machen wird. Wer dem Herrn Jesus vertraut, weiß genau, dass Er sein Werk an und in uns vollenden wird. Er wird nicht eher ruhen, bis wir bei Ihm völlige Ruhe gefunden haben.

 

Kapitel 4: An Boas´ Seite

Das vierte Kapitel zeigt uns, wie Boas die Sache tatsächlich zu einem guten Ende bringt. Ruth wird seine Frau und findet Ruhe bei ihm. Die mittellose Frau aus Moab wird die Frau des reichen Großgrundbesitzers in Bethlehem. Das ist das Ziel des Herrn Jesus mit jedem von uns. Wir – die wir nichts verdient hatten – sollen aus Gnade in der Verbindung mit Ihm Ruhe finden und Frucht für Ihn bringen.

 

Der andere Blutsverwandte (Verse 1-8)

Doch zunächst taucht ein Hindernis auf, das bereits in Kapitel 3 erwähnt wird. Es gab für Ruth noch einen anderen Verwandten, der Noomi näher stand und der damit das erste Lösungsrecht an Ruth hatte. Erneut erscheint uns die Szene etwas sonderbar und fremd. Sie zeigt, dass sich Sitten und Gebräuche ändern können. Ohne hier auf Einzelheiten einzugehen, sei nur gesagt, dass dieser andere Blutsverwandte ein Hinweis auf das Gesetz ist, dem das Volk Israel unterworfen war, weil Gott es ihnen gegeben hatte. Das Gesetz kann jedoch niemals Erlösung bringen. Das gilt für Israel und das gilt auch für uns heute. Dieser andere Blutsverwandte sagt, dass er nicht „lösen“ (erlösen) kann. Der Römerbrief erklärt uns, dass die Erlösung von Menschen dem Gesetz unmöglich ist (Röm 8,3). Deshalb hat Gott uns den Herrn Jesus (den wahren Boas) gegeben, der allein erlösen kann. Das Prinzip guter Werke ist völlig ungeeignet, irgendeinen Menschen zu erlösen.

 

Ruth wird gelöst (Verse 9-12)

Boas ist es, der Ruth lösen kann. Er ist dazu in der Lage und er ist willens, es zu tun, weil er Ruth liebt. Das lässt uns an unseren Herrn denken. Er ist der einzige, der uns erlösen konnte, und Er war aus Liebe bereit, es zu tun. Dafür können wir Ihm nie genug danken. Der gesamte Vorgang wird vor Zeugen besiegelt. Boas stellt sich damit öffentlich auf die Seite dieser jungen Frau aus Moab, die als Moabiterin eigentlich überhaupt kein Anrecht darauf hatte, einen Mann aus Israel zu heiraten. Wir freuen uns über den Gedanken, dass der Herr Jesus sich nicht schämt, uns „seine Brüder“ zu nennen (Heb 2,11). Er steht zu uns, obwohl auch wir überhaupt kein Recht hatten, von Ihm geliebt und erlöst zu werden. Das muss uns tief dankbar machen für die Gnade, die Er uns gegeben hat.

Vers 12 enthält einen wunderbaren Segenswunsch von den Ältesten Bethlehems: „Und von den Nachkommen, die der Herr dir von dieser jungen Frau geben wird, werde dein Haus wie das Haus des Perez, den Tamar dem Juda geboren hat!“ Tamar war – wie Ruth – ebenfalls ein Denkmal der Gnade (lies dazu 1. Mose 38). Perez war aus einer sündigen Verbindung heraus geboren worden. Wir staunen, dass gerade da, wo Sünde überströmend wird, die Gnade noch überreichlicher geworden ist (Röm 5,20).

 

Boas heiratet Ruth und bekommt einen Sohn (Verse 13-17)

Es wäre zu wenig und würde der Geschichte nicht gerecht, von einem „Happy End“ zu sprechen. Es ist viel mehr als das. Boas heiratet Ruth. Die Hochzeit ist die Vereinigung von Mann und Frau und zeigt uns hier, wie eng wir mit dem Herrn Jesus verbunden sind. Gott segnet die Ehe der beiden, und ein Sohn wird geboren. Er bekommt den Namen Obed, und der Text betont, dass er der Großvater Davids war. Das kleine Geschlechtsregister am Ende erinnert noch einmal an den Beginn mit Perez (dem Sohn Tamars), und es endet mit David. David ist – wie viele von uns wissen – ebenfalls ein Bild des Herrn Jesus.

 

Resümee

So schließt dieses kleine Buch, das so traurig anfängt, mit einem herrlichen Ausblick auf die Person des Herrn Jesus. Ich hoffe, dass wir alle aus diesem Buch etwas gelernt haben und lernen. Zum einen finden wir darin viele praktische Lektionen und Hinweise, die Gott uns als Warnung und Ermutigung gibt. Zum anderen sehen wir etwas von der Herrlichkeit unseres Herrn Jesus. Gott möchte, dass Er für uns immer größer wird und wir dankbar für die wunderbare Erlösung sind, die wir in Ihm haben.

 



[1] Ein Vergleich dieser Stellen zeigt, dass die erste Bedeutung dieser Verse prophetisch ist und auf Israel zutrifft, wenn es in Zukunft – d. h. vor dem Tausendjährigen Reich – erlöst werden wird. Dennoch sprechen diese Stellen ebenfalls zu unseren Herzen.