Bibel praktisch

Rache üben – eine Haltung des Gläubigen?

In unserem Alltag kommt es immer wieder vor, dass wir Ungerechtigkeiten (Böses) vonseiten anderer erfahren. Wie gehen wir damit um? Legen wir Gott die Sache vor und übergeben sie Ihm im Gebet oder kommen in unserem Herzen Rachegedanken auf?

Um in solchen Lagen richtig zu handeln, schauen wir uns einmal an, was die Bibel zu diesem Thema sagt. Unser vollkommenes Vorbild ist auch bei diesem Thema der Herr Jesus.

 

1.) Was ist Rache?

Rache bedeutet, einer Person, die mir Unrecht getan hat, dieses Unrecht zu vergelten. Dann hat man das Ziel, sich selbst Recht zu verschaffen und das Unrecht zu bestrafen (vgl. Lk 18,3). Bemerkenswerterweise ist das Wort „strafen“ in 2. Korinther 10,6 im Grundtext dasselbe Wort wie „rächen“ in Römer 12,19.

 

2.) Wie kann es zu einem Racheakt kommen?

Wir erleben, dass eine Person aus unserem Umfeld beginnt, uns ungerecht zu behandeln. Sie begegnet uns nicht unbedingt mit körperlicher Gewalt, äußert aber uns gegenüber ihren ganzen Unmut. Das kann durch Beleidigungen, Verachtung, Spott und Mobbing ... deutlich werden. In einem anderen Fall werden wir vielleicht hintergangen oder belogen. Wie leicht sind wir dann in Gefahr, uns rächen zu wollen.

Auch in unserem familiären Umfeld kann sich schnell eine Lage „zuspitzen“, wo uns der Bruder oder die Schwester ungerecht behandelt. Dann neigen wir schnell dazu, uns rächen zu wollen, da die alte Natur immer noch in uns ist. Wir erkennen Ursachen und Anlässe, die zu einem Racheakt führen:

  1. Ungerechtigkeit von außen (der äußere Einfluss)
  2. Die alte Natur in uns selbst (sie will sich rächen, als typische Reaktion auf den äußeren Einfluss)

 

3.) Unsere Verantwortung 

„Rächt nicht euch selbst, Geliebte, sondern gebt Raum dem Zorn“ (Röm 12,19).

Bevor der Apostel über die Rache spricht, behandelt er vorher in diesem Brief das Thema unseres Heils (Röm 3-8). Das ist wichtig zu beachten. Denn Paulus zeigt dabei auf, dass wir der Sünde gestorben (Röm 6,6.11) und in Christus freigemacht worden sind (Röm 8,2). Durch den Heiligen Geist bekommen wir nun die Kraft, befreit von der Macht der Sünde zu leben.

Wir müssen nicht mehr der alten Natur entsprechen, sondern können ein Leben zur Ehre Gottes führen. Das ist eine völlig neue Lebenshaltung, auf die der Apostel nun ab Kapitel 12 zu sprechen kommt. In Bezug auf unser Thema finden wir in diesem Bibelabschnitt zwei konkrete Anweisungen. Die erste bezieht sich auf das, was wir nicht tun sollen, und die zweite auf das, was wir tun sollen.

Die erste Anweisung

In der ersten Anweisung lernen wir, dass wir nicht aktiv werden sollen, wenn es ums Rächen geht: „Rächt nicht euch selbst, Geliebte“ (Röm 12,19). Paulus schreibt dies in der Befehlsform. Diese drückt eine klare Aufforderung aus, in unserem Fall, etwas nicht zu tun. So ist Gehorsam notwendig, dass wir dieser Aufforderung nachkommen und uns selbst nicht rächen.

Die zweite Anweisung

In der zweiten Anweisung lernen wir, dass wir etwas tun sollen – „gebt Raum dem Zorn“ (Röm 12,19). Erneut steht hier die Befehlsform. Doch nun werden wir aufgefordert, dem Zorn (der Ungerechtigkeit) unserer Mitmenschen Raum zu geben.[1] Das bedeutet, wir sollen den Zorn ins Leere laufen lassen, indem wir ihn still ertragen. 

„Geliebte“ – ein wichtiges Detail

Zwischen der ersten und der zweiten Anweisung finden wir den Begriff „Geliebte“. Genau dieses Bewusstsein, dass wir von Gott geliebt werden, dürfen wir uns in solchen Situationen ins Gedächtnis rufen. Diese Liebe können wir dann auch an unseren Feind weitergeben (Mt 5,44) und Gnade üben, statt uns zu rächen.

 

4.) Gottes Handeln

„Denn es steht geschrieben: „Mein ist die Rache; ich will vergelten, spricht der Herr“ (Röm 12,19).

Nun wird uns eine weitere Begründung gegeben, warum wir uns nicht selbst rächen sollen. Das Recht, Rache zu üben oder zu vergelten besitzt nur Gott. Das war schon zur Zeit des Alten Testamentes der Fall. Und auch heute hat sich der Grundsatz nicht geändert. Es ist die Angelegenheit Gottes, nach seiner Weise und zu seinem Zeitpunkt zu vergelten. Wenn wir dagegen jemandem vergelten, greifen wir letztlich in Gottes Handeln mit der jeweiligen Person ein. Hinzu kommt, dass wir durch Ausharren den anderen gewinnen können, das Böse zu überwinden (vgl. Röm 12,20.21).

 

5.) Das Vorbild

„Der keine Sünde tat, noch wurde Trug in seinem Mund gefunden, der gescholten nicht wiederschalt, leidend nicht drohte, sondern sich dem übergab, der gerecht richtet“ (1. Pet 2,22.23).

Der Apostel Petrus stellt uns in seinem ersten Brief das vollkommene Vorbild vor – Jesus Christus. Er hat uns ein Beispiel hinterlassen (1. Pet 2,21). Er tat keine Sünde und lebte in völliger Reinheit und Vollkommenheit. Dennoch hat Er vonseiten der Menschen viel Ungerechtigkeit erfahren. Wie viel Schmach, Spott, körperliches Leid, Hohn hat Er gerade in den letzten Stunden vor seiner Kreuzigung erfahren. Doch in keinem Augenblick ist sein Herz von dem Gedanken der Vergeltung oder Rache erfüllt gewesen. Still und stumm ließ Er diese Ungerechtigkeiten über sich ergehen, während Er tief darunter litt und alles dem übergab, der gerecht richtet. Lassen wir uns von dieser vorbildlichen Handlungsweise des Herrn prägen und Ihn darin nachahmen.

 

6.) Die Regierung

„Wenn du aber Böses verübst, so fürchte dich, denn sie trägt das Schwert nicht umsonst; denn sie ist Gottes Dienerin, eine Rächerin zur Strafe für den, der das Böse tut“ (Röm 13,4).

Gott hat uns eine Regierung gegeben. Diese hat Er eingesetzt, damit sie das Gute fördert und das Böse bestraft. Für die Bestrafung des Bösen hat Gott ihr Autorität verliehen, Rache zu üben und das Gericht über das Böse zu vollstrecken. Dazu hat die Regierung das Schwert bekommen. Mit anderen Worten: Sie darf das Böse vergelten. Natürlich sollte dies in Übereinstimmung mit der Gerechtigkeit geschehen und nicht willkürlich. Dass die verliehene Autorität missbraucht werden kann, ist in der Welt leider häufig der Fall.

Für uns gilt: Wir haben im Gegensatz zu den irdischen Regierungen die Anweisung bekommen, uns nicht zu rächen, sondern dem Zorn Raum zu geben.

 

7.) Abschlussgedanke

Wenn wir unser Leben im Gehorsam dem Wort Gottes gegenüber führen, ist dies ein Ausdruck unserer Liebe zum Herrn Jesus. Liebe zeigt sich durch Gehorsam. Wenn wir dazu bereit sind, wird uns der Geist Gottes die nötige Kraft zur Verwirklichung geben. Zugleich dürfen wir das Beispiel unseres Herrn vor Augen haben!

„Wer meine Gebote hat und sie hält, der ist es, der mich liebt; wer aber mich liebt, wird von meinem Vater geliebt werden“ (Joh 14,21).



[1] Der geschätzte Bibelausleger William Kelly denkt hier an den Zorn Gottes, der anstelle unserer Rache Raum bekommen soll.