Leid - wozu lässt der Herr das zu?

Leid – wozu lässt der Herr das zu?

Und er wandte sich von ihnen ab und weinte. Und er kehrte zu ihnen zurück und redete zu ihnen; und er nahm Simeon aus ihrer Mitte und band ihn vor ihren Augen. (1. Mose 42, 24)

Jahrelang hatte Joseph seine Brüder nicht gesehen. Doch jetzt stehen sie vor ihm. Joseph erkennt seine Brüder sofort, die Brüder dagegen erkennen in dem mächtigen Mann, der vor ihnen steht, ihren Bruder nicht wieder, den sie Jahre zuvor als Sklave nach Ägypten verkauft hatten. Joseph redet hart mit seinen Brüdern. Wegen der Hungersnot im Land sind sie gekommen, um Brot zu kaufen. Aber Joseph klagt sie der Spionage an. Er tut das mit den gleichen Worten, mit denen damals seine Brüder über ihn hergefallen waren, als er sich im Auftrag seines Vaters Jakob nach dem Wohlergehen seiner Brüder erkundigen wollte.

Warum behandelt Joseph seine Brüder so? Will er sich an ihnen rächen? Nein, Joseph möchte seinen Brüdern ihre Schuld bewusst machen, damit sie vergeben werden kann. Die schändliche Behandlung Josephs und der Betrug an ihrem Vater sollen ans Licht gebracht werden. So viele Jahre tragen sie die Last ihrer Schuld mit sich herum. Der Anblick des gebrochenen Vaterherzens sollte sie täglich aufs Neue daran erinnert haben.

Ein Bild, ...

Die Brüder sehen nur die harte Behandlung, die Tage im Gefängnis und die Geiselnahme Simeons. Was sie nicht sehen, sind die im Verborgenen vergossenen Tränen des sie liebenden Bruders. Darin ist Joseph ein Hinweis, ein Voraus-Bild auf den Herrn Jesus, und zwar in doppelter Hinsicht:

Der Sohn Gottes war als Mensch auf die Erde gekommen, um den in Sünde gefallenen und der ewigen Verdammnis entgegen gehenden Menschen das liebende Herz des Vaters zu offenbaren. Doch die Menschen nahmen Ihn nicht an. „Hinweg mit diesem! Wir wollen nicht, dass dieser über uns herrsche!“ So schrieen sie damals, bevor sie Jesus mit Hass erfüllten Herzen an das Kreuz dort auf Golgatha schlugen. Und als Er dann am Kreuz hing, verspotteten sie ihn: „Andere hat er gerettet, sich selbst kann er nicht retten. Der Christus, der König Israels, steige jetzt herab vom Kreuz, damit wir sehen und glauben.“ (Mk 15,31.32) Ja, der Herr Jesus kam „in das Seine, und die Seinen nahmen ihn nicht an“ (Joh 1,11). Das entspricht im Leben Josephs seiner Verwerfung durch seine Brüder.

... das nichts von seiner Aktualität verloren hat.

Aber so wie Josephs Bemühungen – und seine Tränen – um seine Brüder hier von den Brüdern nicht erkannt werden, erkennen viele Menschen heute den Herrn Jesus nicht, der sich in Liebe um jeden bemüht. Der moderne Mensch genießt sein Leben in vollen Zügen. Glauben ist nur etwas für Alte und ewig Gestrige. Aufgeklärte Menschen von heute brauchen Gott nicht. Darum fragen sie auch erst gar nicht nach Ihm. Doch dann trifft sie das Unglück – eine unheilbare Krankheit, Arbeitslosigkeit, Krieg, oder was auch immer. Und plötzlich ist die Frage da: „Wie kann Gott das zulassen?“ Der Mensch ohne Gott sieht nur das Unglück. Was er nicht sieht, sind die Tränen, das innerliche Bewegtsein dessen, der sein Leben für verlorene Sünder gegeben hat und dieses Heil jedem anbietet – wobei das Vergießen von Tränen heute übertragen gemeint ist, denn der Herr Jesus weint natürlich im Himmel nicht. Aber bis heute streckt Er auch dem vom Unglück Betroffenen seine Hand entgegen und sagt: „Kommt her zu mir, alle ihr Mühseligen und Beladenen, und ich werde euch Ruhe geben“ (Mt 11,28).

Das Ziel seiner verborgenen Tränen

Das Leid, das Er die Menschen treffen lässt, hat auch das große Ziel, verlorene Sünder an sein liebendes Herz zu ziehen, damit auch sie noch das Gnadenangebot seines Erlösungswerkes am Kreuz von Golgatha annehmen. Und Er selbst schaut diesem Leid nicht teilnahmslos zu, sondern alle seine Erbarmungen sind in Ihm erregt (Hos 11,8).

Wie ist es mit dir? Wie hast du bisher auf dieses Gnadenangebot reagiert? Vielleicht fühlst du dich sicher, weil du in einer Familie bewusster Christen aufgewachsen bist. Du gehst immer mit zu den Zusammenkünften der Gläubigen (Gemeindestunden) und führst ein ordentliches Leben. Doch das Wesentliche fehlt dir, die eigene bewusste Umkehr. Dann weint der Sohn Gottes auch um dich noch Tränen, weil du noch nicht mit der Last deiner Schuld zu Ihm gekommen bist und Ihn noch nicht als deinen Sünder-Heiland kennst. Aber bis heute hast du diese Gelegenheit.

Doch auch im Leben eines Gläubigen gibt es immer wieder leidvolle Wegstrecken. Dafür gibt es sicher verschiedenen Gründe (untersuche einmal Jakobus 1,12-15). Wie sehr betrübt es unseren Herrn, wenn Er uns durch leidvolle Erfahrungen auf ungerichtete Sünden in unserem Leben hinweisen muss. Denn als Gläubige wandeln wir nicht nur im Licht, wir sündigen auch im Licht. Darum lasst uns ohne Zögern zum Herrn umkehren, wenn wir gefallen sind. Vielleicht ist es ein harter Weg, aber es ist der einzige Weg zum Ziel.

„Siehe, zum Heil wurde mir bitteres Leid: Du zogst liebevoll meine Seele aus der Ver- nichtung Grube; denn alle meine Sünden hast du hinter deinen Rücken geworfen“ (Jes 38,17).