Das Buch des Propheten Jona - Bibelstudium

Bibelstudium

DerProphet Jona hat sich in verschiedener Hinsicht als Diener Gottes zuerweisen. Wir haben im ersten Teil gesehen, dass er als Gläubiger ein Zeuge sein sollte, und dass er dieser hohen Berufung - genau wie wir oft- kaum entsprach. Aber wir sahen auch, dass Gott undwie Gott ihn fand und zurechtbrachte. Diesmal wird Jona als der Prophet, der einen Auftrag und eine Botschaft hat, vorgestellt. Was macht er mit dem Auftrag, mit der Botschaft? Bitte lest dazu noch einmal im Text der Heiligen Schrift mit.

Das Buch des Propheten Jona von Henri Rossier (II)

Eine Rettungsbotschaft für lsrael

Bevor Jona den Auftrag bekam, nach Ninive zu gehen, hatte er eine prophetische Mission an Israel weiterzugeben.1 Diese hatte stattgefunden unter Jerobeam II. bzw. kurze Zeit vor seiner Machtergreifung. In 2. Könige 14,25 lesen wir, dass Jerobeam ,,die Grenze lsraels wiederherstellte, vom Eingang Hamaths bis an das Meer der Ebene [das Salzmeer], nach dem Wort des HERRN, des Gottes Israels, das er geredet hatte durch seinen Knecht Jona, den Sohn Amittars, den Propheten, der von Gath-Hepher war. " Hosea, Amos und sicher auch Jona kannten den traurigen Zustand der zehn Stämme und des Königtums in Israel. Mit Entrüstung brandmarkten die beiden erstgenannten Propheten die Sünden des Volkes und seiner Führer und kündigten das Gericht an, das beide erreichen würde.

Dennoch hatte der HERR gesehen, ,,dass das Elend Israels sehr bitter war, und dass dahin war der Gebundene und dahin der Freie, und dass kein Helfer da war für Israel. Und der HERR  hatte nicht gesagt, dass er den Namen lsraels austilgen würde unter dem Himmel hinweg; und so rettete er sie durch die Hand Jerobeams, des Sohnes Joas"'(2. Könige 14,26-27). An anderer Stelle wird gesagt: ,,Und der HERR gab Israel einen Retter, und sie kamen aus der Hand der Syrer heraus" (2. Könige 13.5). Wir sehen also, dass, während die anderen Propheten das Gericht Gottes über Israel ankündigten, Jona dazu aufgerufen wurde, eine zeitliche Errettung durch einen Retter anzukündigen, der zu diesem Zweck erweckt wurde (unabhängig von seinem Charakter).

Die Grenze Israelswurde wiederhergestellt; Hamath, die Hauptgrenze gegen die nördlichen Feinde, wurde wieder eingenommen. Und Jona erhielt die Aufgabe, diese Barmherzigkeiten Gottes in Tagen anzukündigen, in denen Israel unter dem schrecklichen Joch des Königs von Syrien seufzte. Ein Prophet, der nur Errettung ankündigte, war wenn nicht einmalig, so doch die große Ausnahme in Israel. Als Jona nach Ninive gesandt wurde, wusste er also, dass der HERR- und das drückt er später auch in Kapitel 4,2 aus - „ein gnädiger und barmherziger Gott (ist), langsam zum Zorn und groß an Güte, und der sich des Übels gereuen lässt."

Rettung auch für ein ,,fremdes" Volk?

Als es sich um Israel handelte, hatte Jona nicht gezögert, die Errettung seines Volkes anzukündigen. Sein Herz freute sich darüber und sein Nationalgefühl fand darin Befriedigung. In seinem geistlichen Stolz wollte er aber eine solch einzigartige Botschaft Gottes an Nationen nicht akzeptieren. wie er sie zuvor an Israel gerne ausgerichtet hatte. Das hätte er noch nicht so schlimm gefunden, wenn er sich wenigstens sicher gewesen wäre, dass die Drohung der Zerstörung Ninives auch bestimmt folgen würde. Aber er hatte schon den barmherzigen Charakter des HERRN erlebt, wie Er sich ja auch früher Mose gegenüber offenbart hatte: "HERR, HERR, Gott, barmherzig und gnädig, langsam zum Zorn und groß an Güte und Wahrheit, der Güte bewahrt auf Tausende hin, der Ungerechtigkeit, Übertretung und Sünde vergibt"(2. Mo 34,6-7).

Jona wollte gern Gnade seinem Volk gegenüber gutheißen - die übrigens durch das Gesetz eingeschränkt war,- aberer wollte diese Gnade nicht akzeptieren, wenn sie götzendienerische Nationen betraf. Gott hatte diesen nicht das Gesetz gegeben; wie konnte man da gestatten, dass ihnen die Gnade frei gewährt werden sollte?

Sein Ansehen als Prophet steht in Frage

Es gab noch ein anderes Motiv für den Ungehorsam des Propheten, vielleicht das wichtigste: Jona dachte an sich selbst - an seinen persönlichen Ruf. Man sieht das sehr deutlich an seinem ganzen Verhalten in den Kapiteln 3 und 4. Er würde in Ninive rufen: „Noch vierzig Tage, so ist Ninive umgekehrt" (3,4). Wenn dieses Gericht aber doch nicht eintreffen würde? Wenn Gott es sich gereuen ließe? Was würde dann aus seinem Ruf als Prophet? Die Barmherzigkeit Gottes würde den völligen Verlust seinerAutorität und seiner eigenen Würde bedeuten.

Es kam Jona nicht einen Augenblick in den Sinn, dass die Menschen in Ninive Buße tun und sich die Wege Gottes mit ihnen deshalb verändern könnten. Andere Propheten und später der größte unter ihnen, Johannes der Täufer, haben dagegen Gericht und Buße gepredigt. Jona wünschte sich eine solche Botschaft nicht. Das, was er unter allen Umständen retten wollte, war seinen Ruf, seine Würde, seine Autorität als Prophet. Was würde daraus, wenn sich seine Worte nicht erfüllten? Als er im voraus prophezeit hatte, dass Hamath wieder eingenommen würde, hatte sein Wort ihn bei seinem Volk als Prophet bestätigt. Nun wollte er durch das Ausrufen des Gerichtes auch unter den Nationen einen guten Ruf erhalten. Der Egoismus des Menschen ist schon traurig, wie viel schlimmer aber ist der Egoismus eines Propheten!

Ein Auftrag verlangt nach Gehorsam ...

Aus diesem Grund flieht Jona und muss die Strafe für diesen Ungehorsam tragen. Wie viele Befähigungen bleiben brach liegen, weil Diener Gottes - mit welchen Motiven auch immer - eigenwillig waren. Der HERR will mich nach Ninive senden; ich lieber nach Tarsis in Spanien! Heutzutage ist solch ein Ungehorsam bei den Jüngern des Herrn so verbreitet, dass viele dies schon für normal halten. Da begibt man sich auf ein Schiff, das einen innerlich von Gott entfernt, und man macht es häufig schlimmer als Jona, indem man diesen Ungehorsam als einen göttlichen Auftrag und als Ungehorsam gegenüber der Führung des Heiligen Geistes ausgibt. Jona war in einem Sinn weniger schuldig als diejenigen, von denen wir gerade sprechen, da er sich nicht scheute, seine Flucht vor dem Angesicht des Herrn auch als solche zu bezeichnen (1,10). Andererseits war er schuldiger als diese, denn er wusste, dass er seinen eigenen Willen tat, indem er auf der Flucht war. Bei ihnen ist es häufig einfach Unwissenheit, so dass ihnen die Zucht erspart bleibt, während der Diener, "der den Willen seines Herrn wusste und nicht ... nach dem Willen getan hat, mit vielen Schlägen geschlagen" wird (Lk 12,47).

Wie gut, wenn die Diener oder Evangelisten, die einen wirklichen Auftrag Gottes nicht erkennen, aufrichtig vor Ihm sind und ihr Gewissen nicht dadurch beruhigen, dass sie etwas Gehorsam nennen, was das ganze Gegenteil davon ist.

 

Die auf nichtige Götzen achten, verlassen ihre Gnade (Kapitel 2,9).

 

... und einem Geist der Gnade

Am Ende von Kapitel 2 scheint es, als habe Jona als Zeuge durch die Zucht Gottes seine Lektion gelernt, denn der Fisch hatte Jona an das Land ausgespien. Dadurch war der alte Jona, der dem alten Adam so ähnlich war, - im Gleichnis - ein auferstandener Jona geworden. Als Prophet jedoch ist er noch weit davon entfernt, die ganze Lektion verstanden zu haben, die - wie der Bericht zeigt - offenbar sehr schwierig zu lernen ist. Sicher hatte er durch die Züchtigung erkannt, dass es hart ist, sich gegen den Stachel zu sträuben, und dass er auf jeden Fall gehorchen musste. Darum lesen wir, dass er die Ausführung des zweiten Auftrages Gottes nicht erneut ablehnt: "Da machte sich Jona auf und ging nach Ninive, nach dem Wort des Herrn" (3,3). Aber wie und in welchem Geist gehorcht er? Wie ein Jude unter dem Gesetz zu gehorchen pflegte, in Nationalstolz und voller Selbstgerechtigkeit und mit dem Gednken, dass Gott die Nationen richten muss, die ja überhaupt kein Bürgerrecht in Israel besaßen und zudem "Fremdlinge in bezug auf die Bündnisse der Verheißungen" waren "und ohne Gott in der Welt" (Eph 2,12)

Jona musste lernen, dass das letzte Wort eines Propheten nicht das Gericht ist: Wie fest beschlossen es auch ist, solange es nicht ausgeführt ist, bleibt immer noch Hoffnung. Gott hatte gesagt: „Noch vierzig Tage." Einst waren durch die Fürbitte Moses auch nicht mehr Tage nötig gewesen, um das Gericht abzuwenden (2. Mo 34,28; 24,18). Und später auch nicht, als infolge des Gehorsams Christi die Listen Satans vereitelt wurden (Lk 4,2). Das letzte Wort der Prophetie ist Gnade und Herrlichkeit. Davon aber ahnte Jona nichts. Sein Herz war gesetzlich, war hochmütig und hart und freute sich am Gericht. Er, den das gleiche Gericht gerade erst erreicht hatte, hätte die Gnade kennen müssen. Und das nicht nur, weil er sie selbst früher einmal angekündigt hatte, sondern auch, weil er selbst Gnade erfahren hatte. Wie hart muss das Herz des natürlichenMenschensein, wenn man ein solches Herz selbst unter dem Mantel eines Propheten schlagen sieht! Wie demütigend ist es doch zu sehen, dass wir unsere Lektionen so schwerfällig lernen.

Ein "erfolgreicher" und gerade deshalb unzufriedener Prophet!?!

Das Prophetenwort Jonas führt zu einem nachhaltigen Eindruck auf den Gewissen der Menschen in Ninive. Das Ziel, das Gott im Auge hatte, war damit erreicht. Denn wenn er seine Gerichte bekannt macht, dann möchte er damit erreichen, dass sich die Seelen bekehren und zu Ihm umkehren. Auf diese Weise kann der Gott der Gnade sein Herz offenbaren. Aber als Gott in Gnade handelt, ist der Prophet in seinem Hochmut und seiner Selbstgerechtigkeit innerlichungehalten und verärgert. Das hat die Juden in der Tat schon immer gekennzeichnet. Es erzürnte sie zu sehen, dass das Heil auch den Nationen gepredigt wurde. Sie konnten es nicht ertragen, dass sie auf gleicher Stufe mit den Nationen unter das gleiche Gericht gestellt wurden.

Wir denken bei Jona unwillkürlichan den älteren Bruder des sogenannten Verlorenen Sohnes, der gegen seinen Vater zornig wird und es ablehnt, in das Haus zu kommen, da sein Bruder der Gegenstand der Gnade und der Freude geworden ist. Wie der Vater im Gleichnis, tadelt Gott Jona - und mit welcher Geduld -, aber Er überlässt ihn schließlich seinem Eigensinn, lässt ihn in der Hütte, die er sich selbst gebaut hatte, wo er ohne seinen Wunderbaum in der Gluthitze der Sonne sitzt.

...und ich sollte mich Ninives, der großen Stadt, nicht erbarmen (Kapitel 4,11)

Hier hört die Geschichte Jonas auf. Wenn wir auch nicht wissen, welche Veränderung danach im Herzen des Propheten stattgefunden hat, so wissen wir doch, dass die Gnade des HERRNsich auch heute in bezug auf die Nationen nicht geändert hat. Davon dürfen wir selbst glücklicheZeugen sein.

,,Erforsche und erkenne mich" - Gnade muss gelernt werden

Im ersten Teil der Geschichte offenbart Jona mehr Gnade in seinem Herzen als im zweiten Teil. So ist es manchmal in der Laufbahn von Dienern Gottes. In dem Maße, wie ihr Einfluss- zu Recht- zunimmt, entsteht leicht Selbstzufriedenheit und führt dazu, dass sie mit den Gedanken Gottes nicht mehr voll übereinstimmen, so dass sie zu ihrem Dienst unfähig werden. Wie manche von ihnen stehen wie Jona mit einer gescheiterten Laufbahn da, weil sie ihren Weg in Selbstzufriedenheit gegangen sind, anstatt in der Erkenntnis der Gnade zu wachsen.

Im ersten Kapitel ist die Zucht, die den Propheten trifft, voller Belehrung für ihn. Er erkennt an, - welch schmerzliche Feststellung- , dass er, derProphet des HERRN, der Grund für das Gericht ist, das seine Genossen und das Schiff trifft (1,12). Er nimmt das Gericht, welches ihn selbst trifft, als gerecht an und verkündet, dass seine Verwerfung die Rettung der Nationen bedeuten wird. Wie schön wäre es gewesen, wenn diese Demütigung im zweiten Teil der Geschichte des Propheten ihre Früchte getragen hätte!

Wir wollen durch diese Dinge lernen und vor allem nicht dort anfangen, wo Jona anfing. Wir wollen uns auch nicht der Gegenwart Gottes entziehen, sondern im Licht wandeln. Lasst uns Ihm sagen: „Erforsche mich und erkenne mich." So werden wir schmerzliche Züchtigungen vermeiden. Vielleicht sendet Gott uns nicht als Propheten in die Welt, aber Er vertraut uns eine Aufgabe als Diener an. Diese nicht treu zu erfüllen hieße, wie Jona zu handeln und Gott den Rücken zu kehren.

Erforsche mich, Gott, und erkenne mein Herz; prüfe mich und erkenne meine Gedanken! Und sieh, ob ein Weg der Mühsal bei mir ist, und leite mich auf ewigem Wege! (PS 139,23.24)

 

1 Ich glaube, dass Jona diese andere Mission vorher ausgeführt hat, da das Wort "und" mit dem das Buch Jona - genau wie einige andere Bücher des Alten Testamentes wie z.B.. Josua, Ruth, 1. Samuel, Hesekiel - beginnt, andeutet, dass die dann folgenden Begebenheiten in Verbindung mit Dingen stehen, die mehr oder weniger kurze Zeit vorher stattgefunden haben.