Bibel praktisch

Das Gleichnis vom Säemann

Es ist ziemlich schwer, sich vorzustellen, daß jemand, der in einer Wohlstandsgesellschaft lebt, unterernährt ist. Jeder würde sagen: Das liegt an dem Betroffenen selbst.
Wir Christen leben heute in einer geistlichen Wohlstandsgesellschaft. Es gibt für unseren inneren Menschen ein großes Nahrungsangebot: An jedem Sonntag wird Gottes Wort verkündigt, in der Woche ist gemeinsame Wortbetrachtung; es gibt Jugendstunden, Konferenzen und Freizeiten, gute christliche Zeitschriften werden herausgegeben, es gibt eine sehr große Anzahl guter Bücher; es werden Kalender und Bibellesepläne angeboten, man kann die Bibel und auch Betrachtungen auf CD-ROM kaufen usw. Da braucht wirklich niemand zu hungern. Und doch gibt es viele, die eher zur Unterernährung neigen. Woran liegt es, daß wir trotz dieses Überangebots hungern? Woran liegt es, daß wir so viel bekommen können und doch häufig nichts nach außen zeigen? Woran liegt es, daß in unserem Leben so wenig von dem zu sehen ist, was wir zu uns nehmen? Das Gleichnis vom Sämann kann uns einige Antworten auf diese Fragen geben. (Natürlich ist das Gleichnis zunächst in bezug auf die Verkündigung des Evangeliums an Ungläubige zu deuten. Doch auch uns Gläubigen hat es etwas zu sagen, und zwar besonders im Blick auf die Art und Weise, in der wir das Wort Gottes aufnehmen.)
Zum besseren Verständnis ist es vielleicht gut, wenn man an dieser Stelle zuerst einmal das Gleichnis vom Sämann in Matthäus 13, 1-23 liest.
An diesem Gleichnis gibt es gar nicht viel zu deuten. Zunächst erzählt der Herr Jesus das Gleichnis, und dann gibt Er selbst die Deutung. Wir brauchen diese Deutung nur noch auf unser praktisches Leben zu übertragen.
In dem Gleichnis werden vier verschiedene Stellen beschrieben, auf die der Same, den der Sämann sät, fällt: der Weg,das Steinige,die Dornen und die gute Erde. Nur der Same der auf die gute Erde fällt, bringt Frucht.Bei den anderen drei Stellen hat der Same keine Chance, Frucht zu bringen.  Diese drei Bodentypen wollen wir uns nun einmal etwas näher ansehen.

Der Weg

,,Sooft jemand das Wort vom Reich hört und nicht versteht, kommt der Böse und reißt weg, was in sein Herz gesät war" (Mt 13,19).
Dieser Vers ist die erste Lösung für die oben gestellten Fragen. Wenn wir Gottes Wort aufnehmen und verstehen dabei etwas nicht, ist der Teufel bestrebt, uns das wieder abzunehmen. Das kann vielleicht geschehen, indem wir sagen: Das ist zu schwer für mich. Wir machen uns weiter keine Gedanken mehr darüber und vergessen die ganze Sache schnell. Dabei hilft uns dann die Ablenkung, die der Teufel immer zur Stelle hat. (An einem Weg ist immer etwas los.) 

Das Steinige

,,Dieser ist es, der das Wort hört und es sogleich mit Freuden aufnimmt; er hat aber keine Wurzel in sich, sondern ist nur für eine Zeit; wenn nun Drangsal entsteht oder Verfolgung um des Wortes willen, nimmt er sogleich Anstoß" (Mt 13,20.21).

Den zweiten Grund für mangelndes geistliches Wachstum finden wir hier. Es ist die kurzfristige Begeisterung - ein Problem, das in letzter Zeit verstärkt auftritt. Es wird auf christlichem Gebiet zweifellos sehr viel getan, und das auch mit guten Absichten. Die jungen Leute werden zu vielen Veranstaltungen mit buntem und kurzweiligem Programm eingeladen, um sie mit Jesus Christus in Verbindung zu bringen. Bei diesen Veranstaltungen wird eine gewisse Euphorie erzeugt, und viele bekennen sich zum christlichen Glauben. Doch leider ist das oft dann ein ,,Jesus-ist-toll-Glaube" mit sehr wenig Tiefgang. Wenn diese Menschen dann im normalen Leben ihren Glauben beweisen müssen, sieht man leider, daß sie keine Wurzel haben.

Doch wenn wir uns unser eigenes Leben ansehen, ist das meist auch nicht viel besser. Wem der Herr durch einen Vortrag oder ein gutes Buch unser Herz bewegt, sind wir voll guter Vorsätze und wollen nach Gottes Willen leben. Sobald jedoch die ersten Schwierigkeiten auftauchen oder auch nur der normale Alltag eintritt, zeigt sich, wie echt unsere Begeisterung war. Oder überlegen wir einmal, wie es mit unserem Glauben aussieht, wenn wir mit Christen zusammen sind. Wir singen, unterhalten uns, beten oder treiben zusammen Sport. In diesem Umfeld unseren Glauben bekennen? Kein Problem! Aber am nächsten Tag bei ungläubigen Schulkameraden oder Arbeitskollegen?

Die Dornen

,,Dieser ist es, der das Wort hört; und die Sorge der Welt und der Betrug des Reichtums ersticken das Wort, und er bringt keine Frucht" (Mt 13,22).
Diese dritte Lösung auf das eingangs aufgezeigte Problem spricht eigentlich für sich. Jeder weiß, wo bei ihm persönlich in diesem Bereich die Gefahren liegen.
Bei unserer Bekehrung haben wir unser Leben unserem Herrn übergeben, um ganz für Ihn zu leben. Doch mit der Zeit haben wir durch berufliche Anspannung, durch Probleme im privaten Bereich und vielleicht auch durch das Streben nach Reichtum und Ansehen in dieser Welt immer weniger Zeit und Energie für die Sache des Herrn. Wenn wir das merken, gilt es, um im Bild zu bleiben, mit des Herrn Hilfe die Dornen auszureißen.
Zum Abschluß wollen wir uns noch einmal kurz vor Augen halten, was in dem Gleichnis als Idealfall geschildert wird. Es ist die gute Erde.

,,Dieser ist es, der das Wort hört und versteht, der wirklich Frucht trägt; und der eine bringt hervor hundert-, der andere sechzig-, der andere dreißigfach." (Mat 13,23)