Die Gebetsversammlung
Vor einiger Zeit hatten wir schon das Beten im Kämmerlein und im Familienkreis zum Thema. Doch die Schrift berichtet auch von großen und kleinen Gebetsversammlungen, die aus besonderen Anlässen oder regelmäßig stattfanden. Denken wir z. B. an die Einweihung des Tempels, an Daniel und seine Gefährten, an Esras gefährliche Reise, an Esthers Zeit, an die 120 Jünger im Obersaal, an das Gebet der Versammlung für den gefangenen Petrus, an die Gebetsversammlungen im Hafen von Milet und Tyrus. Auch wir haben es dringend nötig, in den gemeinsamen Gebeten zu verharren (vgl. Apg 2,42) und „uns vor unserem Gott zu demütigen, um von ihm einen geebneten Weg zu erbitten für uns und für unsere Kinder" (Esra 8,21). Deshalb wollen wir heute über die Gebetsstunde der örtlichen Versammlung (Gemeinde) sprechen. Sie ist zweifellos die wichtigste Form gemeinsamen Betens; sinngemäßs gilt das folgende für jede Gebetsgemeinschaft.
Sie erhoben einmütig ihre Stimme zu Gott
Vom persönlichen und familiären Gebetsleben unterscheidet sich eine Gebetsstunde vor allem durch ihren gemeinschaftlichen Charakter. Daran sind zwei wesentliche Voraussetzungen geknüpft: Einmütigkeit und Zurücktreten des einzelnen. Sie sollen uns jetzt auch vor allem beschäftigen.
Von einem Versammlungsgebet kann man nur sprechen, wenn alle wirklich dahinterstehen. Der Herr versichert in Matthäus 18,19: „Wenn zwei von euch auf der Erde übereinkommen werden über irgend eine Sache, um welche sie auch bitten mögen, so wird sie ihnen werden von meinem Vater, der in den Himmeln ist." Die Apostelgeschichte enthält manches Beispiel dazu. „Diese alle verharrten einmütig im Gebet mit etlichen Frauen und Maria, der Mutter Jesu, und mit seinen Brüdern" (Apg 1,14). „Sie aber, als sie es hörten, erhoben einmütig ihre Stimme zu Gott" (Apg 4,24). Immer wieder beeindruckend ist Apostelgeschichte 12, wo Vers 5 lautet: „Petrus nun wurde in dem Gefängnis verwahrt; aber von der Versammlung geschah ein anhaltendes Gebet für ihn zu Gott." Die Versammlung in Jerusalem, die einige Tausend Gläubige umfaßte, betete wie aus einem Mund, wenn auch nicht in einem Raum. Solche Übereinstimmung wird der Heilige Geist überall hervorbringen, wo Er ungehindert wirken kann, wo Ihm menschlicher Eigenwille nicht im Weg steht. In den Gebetsstunden wird es immer zuerst spürbar werden, wenn der innere Zusammenhalt unter den Gläubigen irgendwie gestört ist.
Wenn es einmal zu Unstimmigkeiten oder Meinungsverschiedenheiten kommt, sollten wir zuerst unser Versagen vor Gott bekennen und Seine Hilfe erbitten. Aber wir müssen auch bereit sein, miteinander zu reden. Keinesfalls dürfen wir Gebetsstunden dazu mißbrauchen, auf den Knien gegensätzliche Standpunkte auszudiskutieren. Schlimm, wenn ein Beter vergißt, daß er zu dem Vater oder dem Herrn Jesus spricht. Heißt es nicht, „Du sollst den Namen des HERRN, deines Gottes, nicht zu Eitlem aussprechen; denn der HERR wird den nicht für schuldlos halten, der seinen Namen zu Eitlem ausspricht" (2. Mo 20,7)? Wir wollen miteinander und füreinander, aber niemals gegeneinander beten. Paulus wünschte den Christen in Rom, von denen einige aus heidnischem, andere aus jüdischem Hintergrund stammten: „Der Gott des Ausharrens und der Ermunterung aber gebe euch, gleichgesinnt zu sein untereinander, Christo Jesu gemäß, auf daß ihr einmütig mit einem Munde den Gott und Vater unseres Herrn Jesus Christus verherrlicht" (Röm 15,5.6).
(Ein „Lösungsweg" bei Problemen mit dem gemeinsamen Gebet ist ganz sicher falsch: die örtliche Gebetsstunde durch eine Anzahl mehr oder weniger großer Gebetskreise zu „ersetzen" - offiziell oder de facto. Das wäre eher ein Auflösungsweg. Ich sage hier nichts gegen Gebetskreise an sich. Nur, wenn sie für einzelne oder gar für eine ganze Versammlung (Gemeinde) an die Stelle der Gebetsstunde nach Apostelgeschichte 2,42 träten, wäre das doch alarmierend.)
Besonnen und nüchtern
Gott gemeinsam zum Gebet nahen zu dürfen, ist ein hohes Vorrecht Seiner Kinder. Aber wir sollten niemals vergessen, vor wen wir in der Gebetsstunde hintreten. Besonders diejenigen nicht, die dort beten, gewissermaßen als Mund aller Versammelten. Denn unser selbstgefälliges Ich wird sogar dabei versuchen, auf sich aufmerksam zu machen; und es ist ungeheuer erfinderisch.
So mußte der Herr an den Pharisäern tadeln, daß sie gern vor allen Leuten lange (persönliche) Gebete verrichteten, um bewundert zu werden. Der Pharisäer in Lukas 18 hielt seine Frömmigkeit für einsame Spitze und meinte daher wohl, sich ganz aufs Danken beschränken zu können; sein Gebet enthielt keine einzige Bitte. Später gefielen sich einige Korinther darin, beim Beten mit ihrer Sprachengabe zu glänzen, so daß nur wenige das Amen dazu sprechen konnten (1. Korinther 14). - Es gibt noch viele andere Schlingen; wie wichtig deshalb: „Seid nun besonnen und seid nüchtern zum Gebet" (1. Pet 4,7).
Wer in einer Zusammenkunft der Gläubigen betet, darf dabei nie vergessen, daß er für die Versammelten zu Gott spricht. Das wird ihn davon abhalten, zu ihnen zu sprechen; dafür gibt es die Wortverkündigung. Geschieht es nicht auch, daß man Gott, an den wir uns im Gebet ja wenden, die Schrift auslegt bzw. das Evangelium verkündigt? Der Betreffende will das natürlich nicht, sondern hat bestimmte Anwesende im Auge; dennoch bleibt es unehrerbietig. Was hätte Ahasveros von Esther denken sollen, falls sie sich, nachdem er ihr gnädig das goldene Zepter gereicht hatte, mit den Hofbeamten unterhalten hätte.
Auch in der Wortwahl sollte sich das Bewußtsein ausdrücken, daß wir vor Gott stehen. Eben deshalb darf die Sprache einfach und ungekünstelt sein (bitte nicht mit salopp und alltäglich verwechseln!). Kunstvolle Formulierungen zielen eigentlich nur auf die Zuhörenden; auf die Erhörung haben sie mit Sicherheit keinen Einfluß. „Denn das Wort ist noch nicht auf meiner Zunge, siehe, HERR, du weißt es ganz" (Ps 139,4). „Ehe sie rufen, werde ich antworten; während sie noch reden, werde ich hören" (Jes 65,24). Eine geschraubte Ausdrucksweise bewirkt höchstens, daß nicht so redegewandte Brüder schweigen, obwohl der Herr ihnen Bitten aufs Herz gelegt hat. Wir wollen an dieser Stelle betonen, daß es keine spezielle Gebetsgabe gibt.
Sagst Du noch „amen"?
An manchen Orten hört man nach Gebeten kaum ein Amen von den Versammelten. Doch eigentlich macht erst die hörbare gemeinsame Bekräftigung das Einzelgebet zum Versammlungsgebet. - Das hebräische „amen" ist verwandt mit Wörtern, die „Treue, Wahrheit, Zuverlässigkeit" bedeuten; so steht in Jesaja 65,16 für „Gott der Treue" wörtlich „Gott des Amen". Am besten macht vielleicht Jeremia 28,6 die Bedeutung klar: „Und der Prophet Jeremia sprach: Amen, so tue der HERR! Der HERR bestätige deine Worte". Seit alter Zeit wird „Amen!" zur feierlichen Bestätigung wichtiger Aussprüche gebraucht. Man stellte sich damit z.B. unter einen Fluch oder Schwur (5. Mo 27,15-26) oder identifizierte sich mit einem Lobpreis bzw. Gebet (Neh 8,6; Offb 5,14). Auch uns sollte ein deutliches Amen nicht zu mühsam sein.
Zuweilen ist der Betende selbst schuld, daß kaum jemand „amen" sagt. Vielleicht konnten ihn nur wenige richtig hören. Möglicherweise hat er hauptsächlich lange Schriftauslegungen, Ergänzungen zur vorausgegangenen Wortbetrachtung, Kritik an einzelnen oder allen Mitgeschwistern, unbegründete Vermutungen und dergleichen in Gebetsform gekleidet. Auch auf ein „Marathongebet", mit echten Bitten zwar, das aber andere einfach zum Schweigen verurteilt, will das Amen schwerfallen. - So sehr wir uns gerade auf diesem Gebiet vor kleinlicher Krittelei hüten sollten, steht es andrerseits fest, daß alles, was das freudige Amen dämpft, auch die Besucherzahl der Gebetsversammlungen negativ beeinflußt.
Gebetsanliegen
Im Neuen Testament finden wir, daß u. a. gebetet wurde oder werden sollte:
→ für Verfolger (Mt 5,44; Apg 7,60),
→ daß der Herr der Ernte Arbeiter aussendet, wörtl. „herausstößt" (Mt 9,38; Lk 10,2),
→ daß eine Flucht nicht im Winter stattfinden muß (Mt 24,20),
→ für die Missionsreise von Barnabas und Saulus (Apg 13,3),
→ anläßlich eines Abschieds (Apg 20,36; 21,5),
→ für Paulus angesichts bevorstehender Gefahren und Schwierigkeiten im Dienst (Röm 15,30),
→ daß die Korinther nichts Böses tun würden (2. Kor 13,7),
→ für alle Heiligen und um Bekennermut für Paulus (Eph 6,18),
→ ein Dankgebet für die Kolosser (Kol 1,3),
→ daß die Kolosser zur Erkenntnis des Willens Gottes kämen (Kol 1,9; Ps 119,66),
→ um eine offene Tür für das Wort (Kol 4,3),
→ für alle Menschen und Obrigkeiten (1. Tim 2,1),
→für Paulus und seine Mitarbeiter (1. Thes 5,25; Heb 13,18),
→ daß das Wort laufe (2. Thes 3,1),
→ um die Freilassung des Paulus (Phim 22).
Offenbar hatten gemeinsame Gebete damals hauptsächlich das Werk und die Arbeiter des Herrn sowie die Versammlungen (Gemeinden) zum Thema. Doch wir brauchen sicher keine Regeln darüber aufzustellen. In Philipper 4,6 steht: ,,... in allem laßt durch Gebet und Flehen mit Danksagung eure Anliegen vor Gott kundwerden." In Matthäus 18,19 sichert der Herr einer einmütigen Bitte um „irgendeine Sache" Erhörung zu. Wenn Er vorher auf „übereinkommen" besteht, ist darin einbegriffen, daß die Einzelperson beim gemeinsamen Beten in den Hintergrund treten muß. Wer öffentlich betet, sollte daher das Wir benutzen. In der Ichform wäre es praktisch nur ein „Kämmerleingebet", derjenige spräche dann nicht für alle. Dennoch dürfen wir - denke ich - auf solch ein Gebet, das in der Regel aus tiefer Not oder aus Unerfahrenheit gesprochen wird, von Herzen Amen sagen. Anliegen, Bedürfnisse und Nöte, die noch nicht allgemein bekannt sind, können zu Beginn kurz genannt werden, damit sie nicht erst im Gebet geschildert werden müssen.
Noch einmal: Voraussetzungen, daß Gott uns erhören kann
Wir haben in den früheren Artikeln über das Beten bereits einige Voraussetzungen berührt. In den Abschnitten zuvor haben wir gerade über Einmütigkeit, Nüchternheit und Selbstkontrolle gesprochen. Hier noch eine zusammenfassende Aufzählung:
→ Glauben (Mt 21,22; 1.Chr 5,20),
→ Vergeben (Mk 11,25),
→ in Ubereinstimmung mit dem Wort (Joh 15,7),
→ saubere Motive (Ps 66,18; Jak 4,3),
→ Einmütigkeit (Mt 18,19),
→ nüchtern und besonnen (1. Pet 4,7),
→ den Verstand gebrauchen (1. Kor 14,15),
→ ohne Zorn und Zweifel (1.Tim 2,8; Jak 1,6.7),
→ unter der Leitung des Heiligen Geistes (Jud 20),
→ den Armen helfen (Spr 21,13),
→ Loslassen von Götzen (Hos 14,8),
→ Bekenntnis und Verlangen nach Belehrung (Ps 119,26; Dan 10,12).
Beachten wir jedoch: Die Punkte dieser Liste machen unsrerseits den Weg frei für Gottes Erhörung, die aber außerdem von Seinem Willen abhängt. Die aufgeführten Voraussetzungen allein garantieren also nicht etwa die Gewährung jeder beliebigen Bitte.
DEIN Wille geschehe
Ob, wann und wie Gott erhört, steht völlig in Seiner Hand. Wir haben keinen Einblick in Seine Regierungswege. Darum gilt für uns: „So demütigt euch nun unter die mächtige Hand Gottes, auf daß er euch erhöhe zur rechten Zeit, indem ihr alle eure Sorge auf ihn werft [eigtl. geworfen habt]" (1. Pet 5,6.7). Sofern wir das mit unseren Sorgen tun - auch gemeinsam, erkennen wir Gottes Unumschränktheit und zugleich Seinen (uns unbekannten) Terminplan an. Praktisch bringen wir das zum Ausdruck, indem wir unserer Bitte „wenn es Dein Wille ist" oder eine ähnliche Wendung anfügen. Die Bibel bietet dazu viele Beispiele. Die erhabensten sind die Gebete des Herrn in Gethsemane, aus denen Matthäus die Worte „sondern wie du willst" (26,39), Markus aber „sondern was du willst" (14,36) wiedergibt. Der Herr überließ es damit Seinem Vater, ob und wie Er Ihn retten würde.
Solche Bitten, die wir nur vorbehaltlich des göttlichen Einverständnisses äußern können, stehen mehr mit den irdischen, zeitlichen Umständen in Verbindung wie Krankheit, Heimgang, Gefahren, Lebensunterhalt, Gefangenschaft, Krieg, Hungersnot, Naturereignisse, Witterung. In den gemeinsamen Gebeten werden diese Dinge vor allem in der Fürbitte eine Rolle spielen. Wir wollen aber nicht nur um möglichst rasche Beendigung der Prüfung bitten, sondern auch darum, daß dadurch Gott verherrlicht wird, womöglich Menschen zum Glauben kommen und daß die Betroffenen nicht ermatten oder im Glauben wankend werden.
Bei den Kernanliegen der Versammlungsgebete - Werk und Diener des Herrn bzw. Seine weltweite Versammlung (Gemeinde), wie wir weiter oben fanden - sind wir über Gottes Willen nicht im unklaren gelassen, Ihm sei Dank!
Gott will, daß alle Menschen errettet werden und zur Erkenntnis der Wahrheit kommen. Er will nicht, daß irgendwelche verlorengehen (1. Tim 2,4; 2. Pet 3,9). Der Herr will, daß Seine Jünger in die ganze Welt gehen, das Evangelium predigen und die Bekehrten unterweisen, Seine Gebote zu halten (Mt 28,19.20; Mk 16,15; Apg 1,8). Wir sollen den Herrn der Ernte um Arbeiter bitten (Mt 9,38; Mk 3,13-15; Lk 10,2; Apg 13,2).
Der Vater im Himmel will nicht, daß Kinder verlorengehen (Mt 18,14). Der Herr will die Seinen in Seiner Herrlichkeit haben (Joh 17,24). So wollen wir in unseren gemeinsamen Gebeten auch um Sein Kommen bitten. „Der Geist und die Braut sagen: Komm! Und wer es hört, spreche: Komm!" (Offb 22,17).
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