Drei Ehepaare im Buch der Richter

Ein jeder tat, was recht war in seinen FE Augen." Dies ist der Schlüsselvers des Richter-Buches. Robert Lee schreibt in seinem Buch "Abriss und Gliederung der biblischen Bücher": "Schon das vierte Buch Mose ist ein trauriges Buch ..., aber das Buch der Richter ist ein weit traurigeres und ernsteres Buch, denn es spricht von Israels Verfehlungen in nicht vierzig, sondern annähernd zehnmal vierzig Jahren." Doch dann heißt es weiter: "Nicht bloß Dunkelheit: Der Nachdruck, welcher auf Israels wiederholte Verfehlungen gelegt wird, erweckt den Eindruck, dass die ganzen 400 Jahre der Richterzeit in der Sünde verbracht wurden. Das war jedoch nicht der Fall, denn von den 400 Jahren waren nicht weniger als etwa 300, während denen das Volk in Treue wandelte."
Die Geschichte der drei Ehepaare, die im Folgenden nur kurz angerissen wird, im Buch der Richter nachzulesen, empfehle ich jedem Leser. Auf Schlussfolgerungen aus den biblischen Berichten in unsere Zeit habe ich weitestgehend verzichtet. Ich hoffe, dass die beschriebenen Fakten für sich sprechen.

1. Othniel und Aksa - Richter 1, 11-15 und 3, 8-11

Hier begegnen wir einem Mann und einer Frau, die in Israel namentlich bekannt waren. Sie waren Menschen, die in der Öffentlichkeit auftraten.
Othniel war es, der die Stadt Kirjath-Sepher einnahm. Er war ein Mann, der aktiv an der von Gott verordneten Landnahme mitkämpfte. Er trat als Retter in Israel auf. Er kämpfte gegen den König von Mesopotamien und besiegte ihn. Er richtete Israel vierzig Jahre. Das machte er so gut, dass das Land während dieser vierzig Jahre Ruhe hatte vor seinen Feinden. Diese Lebensleistung wird uns nur in Berichtsform mitgeteilt, ohne besonders hervorgehoben zu werden. Aber was diese vierzig Jahre bedeuteten, können wir vielleicht einschätzen.
Aksa war gewissermaßen auch eine Frau in der Öffentlichkeit, doch so, wie das für eine Frau schicklich ist. Sie war die Tochter Kalebs. Kaleb war ein Führer in Israel bei der Landnahme. Er war eine herausragende Persönlichkeit. Er und Josua waren die einzigen der Männer, die beim Auszug über zwanzig Jahre waren und das Land Israel erreicht haben. Sie waren Gott gegenüber treue Männer und bewährt. Das hat zwar noch nichts mit Aksa, der Tochter Kalebs zu tun, indirekt aber sehr wohl. Kaleb versprach dem Mann, der Kirjath-Sepher einnehmen würde, seine Tochter zur Frau. Damit stand sie in der Öffentlichkeit. Über ihr Verhalten im Rampenlicht wird zwar nichts gesagt. Aber man kann sich vorstellen, dass es die Töchter bekannter Männer ein wenig schwerer haben, dass der Ruhm des Vaters ihnen den Kopf nicht verdreht. Aksa scheint dieser Gefahr nicht erlegen zu sein. Ich schließe das daraus, dass wohl sonst ein so vortrefflicher Mann wie Othniel nicht um sie gekämpft und damit um sie geworben hätte.
Dann feierten Othniel und Aksa ihre Hochzeit. Die Hochzeitsgabe ihres Vaters war ein Feld, ein Mittagsland. Es lag dem Süden zu, so dass die Sonne mit voller Kraft darauf brannte. Das war gut so, aber nicht ohne Wasser. So fordert Aksa von ihrem Vater noch Wasserquellen dazu.
Diese Forderung war zum einen sehr sinnvoll. Sie entsprach genau der Sorge einer Frau für ihre Familie, wie es uns in Sprüche 31 beschrieben wird. Dabei waren sie erst jung verheiratet. Und diese Forderung war zweitens im Rahmen dessen, was man tun konnte. Es war nicht unschicklich, maßlos, habgierig oder unangemessen dem Vater gegenüber.
Dieses Ehepaar aus dem Buch der Richter macht einen guten Eindruck. Sie sind beide mit Namen bekannt. Othniel ist ein Segen für das Volk Israel, und zwar war er ein Befreier, bevor er eine Frau hatte, und ein Retter und Richter, als er diese Frau hatte. Aksa, obwohl sie aus berühmtem Haus in Israel stammte, war nicht stolz, rücksichtslos oder eingebildet. Sie verhielt sich normal, war umgänglich und besorgt. Ihr Vater, Kaleb, war ein Held in Israel - und zwar _ ein Held im Glauben und im Kampf. Er war darum besorgt, was für einen Mann seine Tochter bekommen würde. Als Othniel sich ihm als ebenbürtig erwies, was Mut und Glauben anbelangte, stand er zu seinem Wort und ließ die beiden heiraten. Dann gab er den jungen Eheleuten noch ein gutes Startkapital als wirtschaftliche Grundlage mit.

2. Manoah und seine Frau - Richter 13

Hier spielen auch vierzig Jahre eine gewisse Rolle, aber eine negative, bedrückende Rolle. Vierzig Jahre war das Volk Israel in Knechtschaft unter der Hand der Philister. In dieser Zeit gab es einen kleinen Lichtblick. Da waren Manoah und seine Frau.
Manoah war aus dem Stamm Dan aus der Stadt Zorha. Bis nach Timna, der Grenzstadt zu den Philistern, waren es nur sieben bis acht Kilometer. Also ein Zwei-Stunden-Weg. Sie hatten die Feinde Israels förmlich vor der Haustür. Das wirkte sich sicher auf das ganze Leben in dem Ort und auch auf jeden einzelnen aus.
Das Ehepaar lebte offensichtlich sehr zurückgezogen. Es wird uns nicht berichtet, dass sie zu irgend jemand dort besonderen Kontakt gehabt hätten. Vielleicht war ihre Kinderlosigkeit die Ursache dafür. Der Mann mag seinen Geschäften nachgegangen sein. Das wird schwer genug gewesen sein in den Tagen der Unterdrückung. Von Gott wusste er nicht viel. Das war ein allgemeines Kennzeichen der Richterzeit.
Die Frau wusste kaum mehr. Gott offenbarte sich ihr durch den Engel. Er gab die Verheißung eines Sohnes. Die Frau verhielt sich zwar sehr hilflos, aber sie glaubte. Der Mann verriet mehr Glauben. Er wusste sich zu helfen. Er betete zu Gott um eine nochmalige Offenbarung in dieser Sache.
Gott erfüllte diese Bitte. Dann handelte ER sehr eindrücklich und deutlich vor diesem Ehepaar, um zu zeigen, wer ER ist. Und dieses Ehepaar gibt Gott nun die Ehre, die IHM gebührt. Sie fallen auf ihr Angesicht.
Der Mann denkt über die Sache nach. Wenn das Gott war, der sich uns geoffenbart hat, dann müssen wir sterben. Er spricht nicht aus, dass sie wie alle Menschen vor Gott Sünder waren. Seine Schlussfolgerung ist aber richtig. Die Frau dachte ebenfalls darüber nach. Sie rechnet außerdem mit der Gnade Gottes. Und sie sprechen beide über diese eigentlich entgegengesetzten Schlussfolgerungen. Das Ergebnis des Gesprächs war Übereinstimmung und nicht (wie so oft in religiösen Fragen) Entzweiung.
Dieses Ehepaar aus dem Buch der Richter macht einen anderen Eindruck auf uns als Othniel und Aksa. Doch auch dieser Eindruck ist gut. Die beiden standen als Ehepaar gar nicht in der Öffentlichkeit. Sie lebten zurückgezogen. Das trifft besonders für die Frau zu. Ihr Name wird uns nicht einmal genannt. Von Eltern ist nicht die Rede. Vielleicht lebten sie nicht mehr. Manoah und seine Frau waren Kinder ihrer Zeit, was das Wissen über Gott betrifft. Im Glaubensleben waren sie dennoch vorbildlich und von Gott auserwählt, die Eltern von Simson zu werden. Sie lebten entsprechend der Kenntnis, die sie hatten, und nahmen Gott, den Gott Israels, ernst.

3. Ein levitischer Mann und seine Frau aus Bethlehem-Juda — Richter 19

Es ging bergab in Israel. Wer hätte gedacht, dass es von Othniel und Aksa in moralischer Hinsicht aber nun so weit abwärts gehen konnte. Mit innerer Betroffenheit verfolgen wir ihre Geschichte.
Der Mann war ein Levit, also aus dem Stamm, den Gott für sich erwählt hatte, damit er IHM diene. Er hielt sich an der äußersten Seite des Gebirges Ephraim auf. Warum das so war, bleibt hier im Dunkeln. Er war schon verheiratet. Nun nahm er sich noch eine Nebenfrau. Das war damals nicht ungewöhnlich. Jeder Israelit konnte aber aus der Geschichte erkennen, dass es dadurch oft Probleme gab.
Auch hier gab es Probleme. Sie "hurte neben ihm" (Elberf Übers). Es war klar, dass die Frau in dem Haus dieses Mannes nicht bleiben wollte. Sie lief von ihm weg und ging nach Hause zu ihrem Vater. Vier Monate blieb der Zustand so. Über die Gründe, die die Frau hatte, kann man lediglich Vermutungen anstellen. Zuerst war sie ja mit dem Mann gegangen. Dann aber mag es ihr schwer gewesen sein, die Realität in seinem Haus als Nebenfrau erleben zu müssen.
Über den Mann ist auch nicht viel mitgeteilt. Er hielt sich am Rand des Gebirges Ephraim auf. Was veranlasste ihn dazu? Er hatte da keinen Kontakt zu Menschen. Nur seine Familie war da. Das mag ihm genügt haben. Das entsprach aber nicht seiner Berufung als Levit.
Seine Frau war im weggelaufen. Das ist schlimm für einen Mann. (Wie es auch schlimm für eine Frau ist, wenn der Mann wegläuft.) Vier Monate hat er diesen Zustand ausgehalten. Dann zog er los, um sie zurückzuholen. Er wollte das nicht mit irgendwelchen Mitteln versuchen. Er "machte sich auf und ging ihr nach, um zu ihrem Herzen zu reden..." Man denkt zunächst, dass er das aus Zuneigung und Liebe zu seiner Frau tat. Aber dann kommen berechtigte Zweifel. Denn in Gibea, als die Homosexuellen der Stadt ihm zusetzten, schob er seine Frau vor. Er war gerettet, aber seine Frau kostete es das Leben.
Wovon war diese Ehe geprägt? Vielleicht davon, dass jeder fast nur an sich selbst dachte. Der Mann hatte sich eine zweite Frau genommen. Das mag in gewisser Weise recht angenehm für ihn gewesen sein. Oder hatte er es sich nur schön gedacht? Zu seiner Verantwortung als Mann stand er dann nicht mehr. Die Frau fand im Haus ihres Mannes nicht das, was sie erwartet hatte. Dann lief sie von ihm weg.
Der Schwiegervater schließlich spielt auch keine gute Rolle. Er nimmt seine von ihrem Mann weggelaufene Tochter wieder auf, ohne etwas zu unternehmen. Seinem Schwiegersohn bietet er Essen und Trinken an. Aber das war gar nicht das Gebot der Stunde. Was dieses Ehepaar hier an Hilfe brauchte, konnte er nicht geben.
Den Namen dieser beiden erfahren wir nicht. Auch der Wohnort wird nicht genannt. Die Ehe hat keinen Bestand. Auch die Versuche, etwas zur Heilung zu unternehmen, scheitern und enden schließlich in einer Katastrophe.

Nachsatz

Die Ehe von Othniel und Aksa war zum Segen für das Volk Israel. In der Zeit Othniels hatte das Land vierzig Jahre Ruhe vor seinen Feinden. Vor- und nachdem das eigene Haus gebaut war, führten sie ein Leben für das Volk Gottes.
Die Ehe von Manoah und seiner Frau war ebenfalls zum Segen für Israel. Ihr Sohn, der ihnen verheißen und von ihnen erzogen war, wurde zum Retter für Israel. Er befreite das Volk von der schon vierzig Jahre dauernden Bedrückung durch die Philister. Nachdem sie die Verheißung bezüglich der Geburt ihres Sohnes bekommen hatten, führten sie ein Leben in Enthaltsamkeit. Das wurde zum Segen für Gottes Volk.
Die Ehe des Leviten mit seiner Nebenfrau endete nach kurzer Dauer in einer Katastrophe. Die Ausrichtung auf die Befriedigung von eigenen Wünschen und Bedürfnissen führte zu einem Chaos für ganz Israel.
Peter Baake