Post von Euch

Verlobung - einige Zuschriften

1. Freie Entscheidung oder Vorherbestimmung

Im Zusammenhang mit dem Thema "Partnerwahl" möchte ich zunächst einige Gedanken zu der bisweilen gehörten Auffassung äußern, dass es "auf der ganzen Erde nur einen Partner gebe, den Gott für uns vor herbestimmt habe, den Er uns zuteile. Das ganze Problem liege nur darin, diesen zu finden. Wäre es so, wäre der Partner sozusagen "vorprogrammiert".
Würde man nun - sei es aus Unkenntnis oder gar Ungehorsam - jemand anders heiraten, welch eine Kette von "Fehlentscheidungen" hätte das zur Folge! Gottes Pläne mit dem einzelnen würden dann völlig "durcheinanderkommen", es würde kaum noch glückliche, von Gott gesegnete Ehen geben können.
Natürlich sollten wir unser Leben in Übereinstimmung mit dem Willen Gottes führen. Aber das bedeutet nicht, dass Gott uns bei unserer Bekehrung einen detaillierten "Plan" für unser Leben mitteilt, in dem alle Einzelheiten vorherbestimmt sind. Vielmehr gibt Gott Licht für den einzelnen Schritt. In jeder Entscheidung dürfen wir nach dem "guten und wohlgefälligen und vollkommenen Willen Gottes" fragen (Röm 12,2).
Wenn wir aber in einem Punkt eine Entscheidung gegen den Willen Gottes getroffen haben und vielleicht sogar lange und schwer an den Folgen zu tragen haben, dann können wir doch nach einem Bekenntnis vor dem Herrn diese Folgen mit Ihm tragen und in Übereinstimmung mit Seinem Willen leben.

Liebe und Freiheit gehören zusammen

Der Christ ist von der Sklaverei der Sünde befreit, um nun Gott zu dienen (Röm 6,1523). Dazu hat er in der Wiedergeburt eine neue Natur erhalten, die den Willen Gottes nicht aus Zwang, sondern freiwillig und gern tut. Diese neue Natur und ihre Freiwilligkeit offenbaren sich auch in Bezug auf die Liebe: Der Gläubige liebt Gott und die Mitgläubigen. Auch das geschieht nicht gezwungenermaßen, sondern freiwillig, weil die Liebe ein Kennzeichen seiner neuen Natur ist (1. Joh 3,14; 4,7; 4,19; 5,1).

Entscheidungsfreiheit innerhalb der göttlichen Grenzen

Als Christen bewegen wir uns mit der uns gegebenen christlichen Freiheit natürlich nur innerhalb der von Gott in Seinem Wort gezogenen Grenzen. Für die Eheschließung heißt das, dass dieser "Rahmen", wenn wir ihn einmal so nennen wollen, bestimmt wird von den Prinzipien, die Gott uns in Seinem Wort im Blick auf die Partnerwahl niedergelegt hat. (In Heft 1/94 wurden ja einige Kriterien genannt).

"Frei, sich zu verheiraten, nur im Herrn"

Innerhalb dieses Rahmens haben also sowohl der Bruder als auch die Schwester die Freiheit, gemäß einer von Gott geschenkten Zuneigung zu entscheiden. Der Apostel Paulus fasst die göttliche Grenze in 1. Korinther 7,39 mit den Worten zusammen: "So ist sie frei, sich zu verheiraten, an wen sie will, nur im Herrn." (Wenn sich dieser Vers in erster Linie auch auf die Witwen bezieht, so dürfen wir ihn als Grundsatz doch auf jede Eheschließung anwenden.) "Nur im Herrn" schließt also alles aus, was nicht göttlichen Maßstäben entspricht, gibt aber andererseits die Freiheit, sich innerhalb dieser Maßstäbe einen Partner vom Herrn zeigen zu lassen.

Das Beispiel Rebekkas

Wir sehen das auch ganz deutlich in 1. Mose 24. Der Knecht Abrahams hatte die feste Überzeugung, dass Rebekka die Frau für seinen Herrn war. Er hatte um Klarheit gebetet, und Gott hatte sie ihm gegeben. Und obwohl auch Laban einverstanden war, hing nun alles von der freien Entscheidung Rebekkas ab. Ihr "Mund musste befragt werden", und erst nach ihrer freiwilligen und eindeutigen Entscheidung "Ich will gehen" (Verse 57.58) wurde sie die Braut Isaaks.
Dass letztendlich Gott über allem steht und in wunderbarer Weise die Wege geebnet hat, bleibt natürlich bestehen. Mir geht es aber jetzt mehr um die Seite der menschlichen Verantwortung. Und da ist es sehr schön zu sehen, dass Elieser allen Beteiligten die Zeit lässt, um ebenfalls die Führung Gottes in dieser Sache zu erkennen. Obwohl Rebekka alle von Abraham vorgegebenen Voraussetzungen erfüllte, war er bereit, ohne sie zurückzukehren, wenn die Familie oder sie selbst nein sagen würde (Vers 49).

Christliche Freiheit bedeutet auch, NEIN sagen zu dürfen

Für das Eingehen einer bestimmten Ehe ist also erforderlich, dass beide Seiten in christlicher Freiheit und in persönlicher Prüfung vor dem Angesicht des Herrn zu dieser Überzeugung gekommen sind. Deshalb sollte ein Bruder eine Schwester niemals mit dem für ihn vermeintlich "klar erkannten Willen Gottes" konfrontieren, indem er bei der Werbung Formulierungen gebraucht wie "Ich bin fest davon überzeugt, dass es Gottes Wille ist, dass Du meine Frau wirst." Damit würde er die Schwester, die in dieser Sache ja auch nach dem Willen Gottes handeln will, unter Umständen so unter Druck setzen, dass sie kaum noch eine freie Entscheidung vor dem Herrn treffen kann. Wenn die Schwester den jungen Mann dann noch als einen ernsten und aufrichtigen Bruder kennt, von dem sie annehmen darf, dass er vorher oft und lange im Gebet wegen dieser Sache war, aber trotzdem keine Zuneigung verspürt (oder das Bild eines anderen Mannes im Herzen hat), kann sie durch solche Formulierungen in große Gewissensnöte gebracht werden.
(Natürlich muss der Bruder für sich selbst diese Überzeugung haben, aber er darf damit nicht versuchen, die Entscheidung der Schwester zu beeinflussen. Das Wissen um die Möglichkeit der Selbsttäuschung und die Tatsache menschlicher Fehlbarkeit sollte alle jungen Menschen gerade in diesem so sensiblen Bereich sehr vorsichtig machen und dem Gegenüber Gelegenheit geben, um in Ruhe eine persönliche Entscheidung vor dem Herrn treffen zu können.)

Volle Gewissheit nach der Entscheidung

Danach aber, nach der freien Entscheidung, können beide mit Recht sagen, dass ihre Verbindung voll und ganz dem Willen Gottes entspricht. Gott steht zu der nach biblischen Maßstäben getroffenen Entscheidung und segnet sie. Beide dürfen sich gegenseitig aus der Hand des Herrn annehmen. Der Bruder kann nun sagen: "Das ist das Mädchen, das der Herr mir zur Frau bestimmt hat." Und die Schwester hat ebenfalls die volle Gewissheit, den "richtigen" Ehemann bekommen zu haben. Gottes Wille erfüllt sich nun bei beiden.

Eine Entscheidung für das ganze Leben

Allerdings ist die Entscheidung dann auch für das ganze Leben bindend. Denn Liebe ohne den willentlichen Entschluss zum Durchhalten - auch "wenn's mal stürmt" - ist keine wirkliche Liebe. Echte Liebe ist immer verbindlich und bedeutet damit auch "Verpflichtung". Die beiden sind nun miteinander verlobt, und es beginnt die schöne, aber auch verantwortungsvolle Zeit des Brautstandes. In dieser Zeit aufblühender Liebe und wachsender Herzensverbindung haben beide nun die Verantwortung, schon jetzt das Fundament für ihre spätere Ehe, für ihr gemeinsames "Lebenshaus", zu legen. Dazu möchte ich jetzt noch einige Gesichtspunkte vorstellen:

2. Verlobung nach biblischem Verständnis

Die in der Bibel erwähnten Verlobungen enthalten Merkmale, die nach den Gedanken Gottes im Lauf der Zeit weder Veränderungen unterliegen noch ganz wegfallen können. In der Welt legt man heute nicht mehr viel Wert auf eine offizielle Verlobung, geschweige denn auf die göttlichen Grundsätze, die damit verbunden sind. Es ist aber unbedingt nach Gottes Gedanken, dass die beiden ihre Absicht, von nun an den Weg gemeinsam gehen zu wollen, auch öffentlich bekanntgeben. Denn eine Verlobung ist keine "lockere Freundschaft", sondern ein sich Binden, mit dem Versprechen zu heiraten.
Im Normalfall mündet eine Verlobung also in die lebenslange Ehe. Deshalb muss öffentlich klargemacht werden, dass beide Partner von jetzt an nicht mehr "frei" sind. Mit "nicht mehr frei" meine ich, dass die zwei "sich versprochen haben" und auch kein Dritter mehr in diese Beziehung eindringen darf.

Verlobung, ein Bild für die Beziehung Gottes zu den Seinen

Welche göttlichen Grundsätze mit einer Verlobung verbunden sind, zeigen uns besonders zwei Bibelstellen. Gott gebraucht darin das Bild der Verlobung, um sowohl Seine Beziehung zu Seinem irdischen Volk als auch die Beziehung Christi zur Versammlung auszudrücken. Im Blick auf Israel lesen wir in Hosea 2,19.20:
"Ich will dich mir verloben in Ewigkeit", und: "Ich will dich mir verloben in Treue."
Zu der Versammlung in Korinth sagt Paulus in 2. Korinther 11,2:
"Ich habe euch einem Manne verlobt, um euch als ein keusche Jungfrau dem Christus darzustellen."
Sicherlich ist eine Verlobung noch keine unauflösliche Verbindung wie die Ehe. Es ist eben eine gewisse Übergangs- und Prüfungszeit. Die beiden Verse machen aber doch deutlich, dass die Verbindung eines verlobten Paares in der Regel von Anfang an eine auf Dauer angelegte Beziehung ist. (Dass es Fälle gibt, in denen die Auflösung einer Verlobung durchaus gerechtfertigt oder sogar ratsam ist, soll nicht Gegenstand dieses Artikels sein.)
Nach den Gedanken Gottes gilt also für eine Verlobung:
- es soll der Beginn einer lebenslangen Verbindung sein
- sie soll von gegenseitiger Treue gekennzeichnet sein
- es soll eine Verbindung zwischen einem Mann und einer Frau sein
- sie soll durch Reinheit gekennzeichnet sein (Das bedeutet, dass sich zwei Menschen füreinander aufbewahren, um sexuell unberührt in die Ehe gehen zu können).

Verlobung, die Zeit des gegenseitigen Kennenlernens

Mit der öffentlichen Verlobung machen beide auch deutlich, dass sie nun eine gewisse Verantwortung füreinander übernehmen. Denn nun beginnt die Zeit des Sich-Kennenlernens. Man macht Schritt für Schritt Entdeckungen über den Charakter und die Gewohnheiten des anderen, lernt seine Denkweise kennen, findet Gemeinsamkeiten heraus, aber auch Unterschiede. Und nun müssen beide lernen, verantwortlich miteinander umzugehen. Schon in dieser Zeit können beide die für die spätere Ehe so notwendigen Tugenden wie gegenseitige Rücksichtnahme, Verständnis füreinander und liebevolles aufeinander Eingehen üben.

Verlobung, die Zeit der Vorbereitung auf die Ehe

Es ist ein großer Irrtum zu denken, dass eine Beziehung schon "irgendwie" klappen und die Ehe automatisch das große Glück bringen wird, denn "schließlich lieben wir uns ja". Die vielen unglücklichen und zerbrochenen Ehen - die es leider auch unter Christen gibt, wo man bestenfalls nur noch nebeneinanderher lebt — zeigen grausam, wie irrig und blauäugig diese Annahme ist. Nein, eine glückliche und erfüllte Ehe, ein harmonisches Familienleben, ein Lebenshaus, das der Herr segnen kann, kommt nicht von allein. Beide Partner müssen ein Leben lang daran arbeiten, müssen ihr Lebenshaus sozusagen vom "Fundament bis zum Dach" gemeinsam aufbauen und ständig pflegen.
W. Kleine, Gelsenkirchen