Bibel praktisch

Handeln und/oder Gott wirken lassen?

Wenn unser Leben besonders schwierig wird, hören wir manchmal auf, selbst etwas zu unternehmen, und drücken das dann vielleicht so aus: „Wir wollen die Sache ganz dem Herrn überlassen.“ Aber gibt es eine solche direkte Verbindung zwischen unserem (Nichts-)Tun und Gottes Wirken überhaupt?

 

Warten – geistlicher als Handeln?

Geben wir Gott wirklich mehr Raum zu wirken, wenn wir selbst weniger handeln? Andererseits: Hindern wir womöglich Gott daran zu wirken, wenn wir handeln, weil unser Handeln von mangelndem Gottvertrauen zeugt? Die Antworten auf diese Fragen erscheinen zunächst einfach. Doch ist es möglich, dass hinter einem solchen Denken auch Denkmuster stehen, die nicht Gottes Wort standhalten? Diese Ausgangsfragen wollen wir im Folgenden zu klären suchen.

Es gibt Momente, in denen wissen wir wir eigentlich wissen müssten, dass unser Tun nicht gefragt ist. Beispielsweise, wenn wir planen, etwas zu tun, was gegen Gottes Wort ist, oder wenn schlechte Motive zugrunde liegen. Zudem gibt es den Fall, dass unser Vorhaben nicht Gottes Willen entspricht, obwohl es nicht direkt gegen Gottes Wort verstößt.

Wenn wir dagegen einen klaren Auftrag vom Herrn haben und aus der Liebe zu Ihm handeln möchten, ist das Abwägen von Tun oder Lassen schwieriger. Besonders, wenn sich auf dem Weg Hindernisse auftun und wir mit menschlichen Mitteln kaum einen Erfolg erwarten können.

Nehmen wir zum Beispiel eine geplante Evangelisationsveranstaltung. Für den Raum wird eine behördliche Genehmigung benötigt und die erste mündliche Rückmeldung klingt sehr negativ. Ist das so ein Moment, bei dem jedes weitere Handeln eigenmächtig wäre und wir die Situation nur dem Herrn überlassen sollten? Sollten wir jetzt nur noch beten und ganz bewusst auf eigene Schritte wie z.B. einen persönlichen Behördenbesuch, einen Brief oder ein Telefonat verzichten? Der Gedanke dahinter wäre dann: Unser Handeln behindert doch sein Wirken!

 

Israel vor dem Roten Meer – warten und doch handeln!

Die Begebenheit vom Volk Israel vor dem Roten Meer scheint ein Beispiel dafür zu sein, dass Gott grundsätzlich von uns verlangt stehenzubleiben und stillzustehen, bevor Er selbst eingreift. Das Volk steht vor dem unüberwindbaren Meer, hinter ihm das Heer des Pharaos, über die seitlichen Berge ist jedenfalls kein ausreichend schnelles Entkommen. Da sagt Mose zum Volk: „Steht und seht die Rettung des Herrn, die er euch heute verschaffen wird… Der Herr wird für euch kämpfen und ihr werdet still sein“ (2. Mose 14,13-14).

Hier könnte man denken, dass ein weiteres Handeln des Volkes Gott an seinem Wirken gehindert hätte. Aber das ist durchaus nicht der Fall. Gott sagt vielmehr zu Mose: „Was schreist Du zu mir? Rede zu den Kindern Israel, dass sie aufbrechen“ (2. Mo 14,15). Gott wollte also doch etwas von ihnen, nur eben keinen Kampf und keine Kapitulation, sondern ihr Aufbrechen. Er wollte Vertrauen bei ihnen sehen, und dieses Vertrauen sollte sie zum Weitergehen veranlassen. So sollte das Volk zwar noch etwas tun, für die Rettung aber wollte Gott allein sorgen.

Gottes Wirken und unser Handeln gehen also durchaus zusammen. Welchen Zusammenhang gibt es nun zwischen diesen beiden Seiten?

 

Handeln – und dabei vertrauen!

Gott ist souverän. Unser Handeln hindert Ihn nicht, unser Nicht-Handeln befähigt Ihn nicht, sonst wäre Er nicht souverän. Aber wie sieht es mit unserem Vertrauen aus? Wenn wir Gott mangelndes Vertrauen entgegenbringen, wird unser Handeln nicht zum Segen sein, da wir selbst die Rettung bewirken möchten. Oder wir resignieren, weil wir – wie das Volk Israel – die Hoffnung auf Rettung bereits aufgegeben haben. Das wiederum wird Gott dazu bewegen, anders mit uns umzugehen, als Er es gerne möchte. In diesem Sinn kann unser Handeln indirekt das Wirken Gottes beeinflussen. Der Schlüssel liegt dann allerdings im Vertrauen und nicht im Handeln.

Es geht um unser Vertrauen zu Gott und unsere Abhängigkeit zu Ihm. Wenn wir im Vertrauen zu Ihm handeln, kann Er wirken. Wenn wir dagegen uns selbst vertrauen, handeln wir in eigener Kraft, und Er kann nicht wirken, wie Er es möchte. In beiden Fällen handeln wir, aber die Haltung der Abhängigkeit und des bedingungslosen Vertrauens macht den Unterschied.

 

David und Goliath

David hatte dies gut begriffen. Er verstand sich auf die Wurfschleuder und konnte mit Erfahrung fünf glatte Steine aus dem Bach auswählen. Dabei war ihm völlig bewusst, dass er mit diesen Fähigkeiten allein niemals den Riesen Goliath bezwingen konnte. Trotzdem setzte er diese Fähigkeiten ein, ohne jemals daran zu zweifeln, dass nicht sein Handeln, sondern Gottes Wirken den Sieg bringen würde. „Der Herr, der mich aus den Klauen des Löwen und aus den Klauen des Bären errettet hat, er wird mich aus der Hand dieses Philisters erretten“ (1. Sam 17,37). Indem er die Waffenrüstung Sauls ablehnte, setzte er zudem nicht auf seine eigene Kraft. Gleichzeitig war er aber bereit, das für den Kampf einzusetzen, was Gott ihm anvertraut hatte.

So dürfen auch wir unsere Fähigkeiten für Gott einsetzen, aber gleichzeitig niemals darauf setzen, dürfen unsere Kräfte dem Herrn zur Verfügung stellen, aber zugleich niemals in eigener Kraft handeln: „Das Pferd wird gerüstet für den Tag des Kampfes, aber die Rettung ist des Herrn“ (Spr 21,31).

 

Unsere Denkmuster

Aus den Fragen zu Beginn bleibt noch eine offen: Wenn unser Handeln und Gottes Wirken so wunderbar Hand in Hand gehen, warum haben wir dann manchmal trotzdem den Eindruck, unser Handeln stehe Gott im Weg? Vielleicht weil bei uns allzu schnell „das Handeln“ und „das Handeln in eigener Kraft“ ein und dasselbe ist? Und weil wir vielleicht unser Leben gestalten nach dem Motto: „Gott löst die großen Probleme, die kleinen kriegen wir schon selbst hin“? Wenn uns eine solche Haltung – vielleicht nur im Unterbewusstsein – prägt, haben wir uns eine Welt geschaffen, in der Gottes Wirken nur noch für die großen Probleme gefragt ist. Dort müssen wir dann das Handeln in eigener Kraft loslassen, was wir aber bei den kleinen Dingen nicht geübt haben, sodass wir lieber ganz auf das Handeln verzichten. Das aber ist ein falscher Weg: in eigener Kraft lösen wir weder die kleinen noch die großen Probleme. Petrus sah den Wind und die Wellen, aber er hätte auch bei schönstem Sonnenschein nicht ohne festes Vertrauen auf seinen Herrn über das Wasser gehen können (Mt 14,30).

 

Und wann sollen wir nichts tun?

In der richtigen Haltung können wir also durchaus handeln und Gott gleichzeitig wirken lassen. Kann es aber nicht trotzdem manchmal richtig sein, nichts zu tun? Absolut. Nur entscheiden wir uns nicht deshalb für den Verzicht auf unser Handeln, um Ihm mehr zu vertrauen oder Ihn mehr wirken zu lassen. Es ist ein falscher Gedanke, dass man dem Herrn dadurch automatisch mehr vertrauen würde, wenn man sein eigenes Handeln einschränkt oder einstellt. Vielmehr ist die Frage, ob wir etwas tun oder nicht tun, eine Frage der persönlichen Wegweisung, die aus der Beziehung zu unserem Herrn heraus zu beantworten ist[M1] . Dabei ist die Frage „Tue ich was?“ eng verwandt mit der Frage „Was tue ich?“ Durch einen vertrauten Umgang mit meinem Meister lernen ich, ob und – wenn ja – wie Er mich gebrauchen möchte. Dabei spielt nicht die Frage eine Rolle, ob ich mir die Aufgabe zutraue, sondern es geht darum, ob es in der aktuellen Situation der Weg des Herrn für mich ist, ob Er das jetzt so möchte und dieser Weg Ihn ehrt.

Wenn wir auf das Beispiel der Evangelisation zurückkommen, bedeutet dies, dass wir die Frage, ob wir weitere Aktivitäten veranlassen oder nicht, nicht eindeutig beantworten können. Wir stellen unser Handeln jedenfalls nicht ein, weil wir dem Herrn damit mehr Raum geben würden oder unser Vertrauen zu ihm beweisen würden. Wir handeln aber auch nicht, weil wir unserem Tun gute Erfolgsaussichten zuschreiben.

Glaubenstaten sind zudem nach menschlichem Ermessen nicht immer vernünftig und erfolgsversprechend. Eine Wurfschleuder zum Beispiel war nicht geeignet, einen Riesen in voller Rüstung zu bekämpfen. Und doch setzte David sie ein. Aber er war sich auch sicher, dass dies sein persönlicher Auftrag von Gott war. Und dies für uns persönlich herauszufinden, bleibt der eigentliche Schritt der Abhängigkeit. Hier benötigen wir die gelebte Nähe zu Ihm, die uns seine Stimme in der jeweiligen Situation erkennen lässt.

 

Zusammenfassung

Wenn wir in einer schwierigen Situation stehen und im Gebet um Hilfe bitten, fragen wir uns: Sollen wir noch selbst etwas unternehmen oder sollen wir die Sache ganz Gott überlassen? Darauf gibt es keine pauschale Antwort. Wir haben es vielmehr mit einer Frage der persönlichen Wegweisung zu tun, die aus der Beziehung zu unserem Herrn heraus zu beantworten ist. Grundsätzlich kann menschliches Handeln Gottes Wirken nicht behindern oder einschränken. Besonders dann, wenn es mit einem aufrichtigen Herzen und unter Gebet geschieht, wird Gott unser Bemühen segnen. Auch unser Vertrauen in sein Wirken wird nicht automatisch geringer, wenn wir selbst etwas unternehmen. Die Voraussetzung für ein Handeln unsererseits ist jedoch, dass wir in Abhängigkeit vom Herrn tätig sein wollen. Dies bedeutet auch, dass wir zwar unsere Fähigkeiten für ihn einsetzen, jedoch niemals darauf setzen.

 

Olaf Müller

 

 

 


 [M1]Diesen Satz könnte man zusätzlich in einen Kasten setzen – er hilft beim Verständnis.