Lebensbeschreibung

Martin Luther – die Übersetzung der Bibel (Teil 5)

Hast du schon einmal im fremdsprachigen Ausland christliche Zusammenkünfte besucht? Dabei meine ich ein Land, dessen Sprache dir nicht bekannt war… Erinnerst du dich, wie es dir dabei gegangen ist?! Stell dir jetzt einmal vor, du würdest jeden Sonntag zum Gottesdienst gehen und kein Wort verstehen, weil alles in einer für dich fremden Sprache – sagen wir einmal, auf Latein – ablaufen würde. Ein kaum auszuhaltender Zustand, oder?!

Auf dem Gebiet des heutigen Deutschlands ging es bis weit ins 16. Jahrhundert hinein den meisten Kirchenbesuchern so – jeder Gottesdienst und damit natürlich auch jede Schriftlesung wurde vollständig auf Latein abgehalten und somit von der deutschsprachigen Bevölkerung nicht verstanden; einzig die Worte des sogenannten „Vaterunsers“ (lat. „Paternoster“) waren den Menschen wohl in ihrer Bedeutung bekannt, obwohl auch dieses Gebet grundsätzlich auf Latein gebetet wurde.

Nun haben wir in den letzten Monaten schon einiges über Martin Luther, sein Leben und seine Familie, erfahren. Seine Überzeugungen und somit auch seine Predigten und Schriften gründeten sich auf das Wort Gottes, gemäß seinem Motto „sola scriptura“ – allein (durch) die Schrift! Da es ein großes Anliegen Luthers war, dass möglichst viele seiner Landsleute die befreiende Botschaft des Evangeliums kennen lernen sollten, lag ihm die Übersetzung der Heiligen Schrift in seine Muttersprache sehr am Herzen.

Nachdem er im Mai 1521 von Soldaten des Kurfürsten Friedrich des Weisen zu seinem eigenen Schutz als Gefangener auf die Wartburg (bei Eisenach) gebracht worden war, begann er im Herbst 1521 in der Zurückgezogenheit dieses Verstecks die Arbeit an der Übersetzung des Neuen Testaments. In nur elf Wochen (!) übersetzte er eine von Erasmus von Rotterdam herausgegebene Version des Neuen Testaments in griechischer Sprache. Dies ist insofern von besonderer Bedeutung, als die vorherigen (Teil-) Übersetzungen der Bibel ins Deutsche auf der Grundlage der lateinischen Bibel (der so genannten „Vulgata“) angefertigt wurden; oft wurde dabei eine Wort-für-Wort-Übertragung des Bibeltextes vorgenommen, um „den Schriftsinn nicht zu verfälschen“. Dass bei solch einer Vorgehensweise natürlich ein kaum verständlicher Text herauskommt, weiß jeder, der schon einmal versucht hat, einen fremdsprachigen Satz zu übersetzen, ohne dabei die Wortstellung anzupassen. Diesen Missstand hatte Luther erkannt und deshalb eine freiere Übersetzung gewählt, um den Bibeltext in seiner Bedeutung dem deutschsprachigen Leser verständlich zu machen. Hören wir hierzu Luther im Original: „Man muss die Mutter im Hause, die Kinder auf den Gassen, den gemeinen Mann auf dem Markt drum fragen und denselbigen auf das Maul sehen, wie sie reden, und darnach dolmetschen.“[1] Darüber hinaus ist eine Übersetzung, die sich direkt auf den Grundtext gründet, zweifelsohne genauer und zuverlässiger als eine Übersetzung einer Übersetzung.

Die Übersetzung des Alten Testaments war für Luther deutlich schwieriger als die Übersetzung des Neuen Testaments. Besonders die poetischen Bücher (Hiob, Psalmen, Sprüche, Lied der Lieder) erwiesen sich als große Herausforderung. Nachdem im Jahr 1523 bereits Teile des Alten Testaments in deutscher Sprache erschienen waren, dauerte es bis zur ersten Auflage des vollständig übersetzten Bibeltextes bis zum Jahr 1534. In diesen Jahren stand Luther im regen Kontakt mit anderen Gelehrten, um sich über die Schwierigkeiten bei der Übersetzung auszutauschen und gemeinsam an der besten Lösung zu arbeiten. Philipp Melanchthon ist hier besonders hervorzuheben – er hatte Luther wohl schon im Jahr 1521 dazu geraten, überhaupt mit der Übersetzung der Bibel zu beginnen.

Die Bedeutung von Luthers Übersetzungsleistung liegt vor allem in dem – mit Gottes Hilfe gelungenen – Versuch, den biblischen Text möglichst wortgetreu und zugleich möglichst verständlich ins Deutsche zu übersetzen. Luther musste – insbesondere bei der Übersetzung des Alten Testaments – immer wieder das Problem bewältigen, dass es für bestimmte Ausdrücke im Griechischen oder Hebräischen keine deutsche Entsprechung gab.[2] So „erfand“ Luther manche Worte oder prägte durch seine Übersetzung bestimmte Ausdrücke, die dann in den deutschen Sprachgebrauch übergingen. Beispiele dafür sind: Stiftshütte, Lockvogel, Machtwort, Gewissensbisse, Lückenbüßer, Feuertaufe und Selbstverleugnung. Auch manche Redewendung (z.B. „ein Herz und eine Seele“ oder „Wolf im Schafspelz“) geht auf Luthers Übersetzungsarbeit zurück und dokumentiert einmal mehr den gewaltigen Einfluss, den diese Arbeit auf die deutsche Bevölkerung hatte und bis heute hat.

Im September 1522 erschien die erste Auflage des Neuen Testaments in deutscher Sprache; nachdem diese Auflage innerhalb kürzester Zeit vergriffen war, ermöglichte der nur wenige Jahrzehnte zuvor erfundene Buchdruck mit beweglichen Lettern immer neue Auflagen dieses Bibelteils und schließlich der ganzen Bibel. Das Wort Gottes hielt in deutscher Sprache Einzug in den Kirchen, Schulen und Häusern – und nicht zuletzt in den Herzen der Menschen, die nun endlich Gottes Heilsbotschaft in ihrer Muttersprache verstehen und glauben konnten.

Auch heute noch ist es ein Vorrecht, die Bibel in unserer Muttersprache in Händen zu halten und täglich darin lesen zu können. Damit verbindet sich eine große Verantwortung für dich und mich: Zum einen sollten wir dankbar für diesen (sprachlichen) Zugang zu Gottes Wort sein und zum anderen im Rahmen unserer von Gott gegebenen Möglichkeiten dazu beitragen, dass die Heilige Schrift in unserem Volk noch Menschen zugänglich gemacht wird, die kaum oder keinerlei Bezug mehr dazu haben.

 

 

[1] Martin Luther: Sendbrief vom Dolmetschen. Die Werke Martin Luthers sind entweder in sehr teuren wissenschaftlichen Ausgaben oder in Auswahlbänden erhältlich. Die umfangreiche „Calwer Lutherausgabe in 10 Bänden“ (erschienen bei Hänssler) ist nur noch antiquarisch zu haben. Eine aktuelle Auswahl ist: „Ausgewählte Schriften: 6 Bände in Kassette (insel Taschenbuch, 49,95 Euro). Ein Tipp: Nahezu alle Werke Martin Luthers gibt es als ebook (meist kostenlos oder zu günstigen Preisen)!
[2][2] Eine Herausforderung, vor der auch heute noch alle Übersetzer stehen, die das Wort Gottes für Menschen übersetzen, in deren Muttersprache es noch keine Bibelübersetzung gibt. – Ein Gebetsanliegen für dich und mich!