Bibelstudium

Heilsgewissheit

Pro/Contra Heilsgewissheit
Teil 2: Unterscheiden, was die Bibel unterscheidet

Bist du auch schon einem von neuem geborenen Christen begegnet, der sich ernsthaft fragt, ob er doch noch verloren gehen kann? Oder bist du vielleicht selbst nicht überzeugt davon, dass dein Heil ewig sicher ist? Wer sich mit diesem Thema beschäftigt und bei anderen Christen Hilfe sucht, stößt schnell auf widersprüchliche Meinungen. Um in dieser Frage Klarheit zu bekommen, muss man die „Spreu“ vom „Weizen“ trennen. In diesem Beitrag geht es um den biblischen Auslegungsgrundsatz des „Unterscheidens“. 

Weizen II Unterscheiden, was die Bibel unterscheidet

Ein Grundsatz der Bibelauslegung ist: „das Wort der Wahrheit recht teilen“ (2. Tim 2,15); „teilen“ kann auch mit „gerade schneiden“ übersetzt werden. Es ist notwendig, unterschiedliche Dinge auch klar voneinander zu unterscheiden. Licht ist nicht Finsternis, Glaube ist nicht Unglaube, Mann ist nicht Frau – diese Dinge sind klar. Auch in Bezug auf das Heil des Glaubenden gibt es Dinge, die die Bibel unterscheidet, und das sollten wir auch tun, wenn wir Gottes Wort richtig verstehen wollen.

Wichtig sind Unterschiede in Bezug auf die Adressaten bzw. die Personen, die die Schriftstelle behandelt. Es ist zwar alle Schrift für uns nützlich (2. Tim 3,16), aber nicht alle Bibelstellen handeln auch von uns. In diesem Zusammenhang ist es auch notwendig zu berücksichtigen, für welche Haushaltung oder Heilszeit eine Bibelstelle gilt.

Unterscheidung 1: Die Haushaltungen oder Heilszeiten: In der vorigen Folge wurde schon anhand von Hebräer 6 gezeigt, wie wichtig es ist, Bibelverse im Zusammenhang zu betrachten. Mehr noch: Auch diesen Zusammenhang muss man richtig einordnen. Gott hat seine Beziehungen zu den Menschen in verschiedenen Heilszeiten oder Haushaltungen unterschiedlich eingerichtet. 1 Dies ist der Schlüssel für verschiedene problematische Bibelstellen.

Beispiel: Wenn in Matthäus 24,13 gesagt wird: „Wer ausharrt bis ans Ende, wird errettet werden“, dann zeigt ein Blick auf den Zusammenhang (s. die erste Folge), dass der Herr hier eine Weissagung über seine Ankunft und die Vollendung des Zeitalters macht (V. 3). Dieser Zeitpunkt ist zukünftig; auch wenn die Jünger hier persönlich angesprochen wurden, haben sie die Vollendung des Zeitalters doch nicht erlebt. Denn wie sich aus einem Vergleich mit alttestamentlichen Prophezeiungen ergibt, findet die „Vollendung des Zeitalters“ mit dem Erscheinen des Herrn in Herrlichkeit am Ende einer Zeit der „großen Drangsal“ statt. Die Jünger werden hier als Repräsentanten der zukünftigen Juden angesprochen, die dieselbe moralische Gesinnung haben werden wie die Jünger zur Zeit Jesu.

Bereits vor dieser Drangsal sind wir, die Glaubenden aus dem Zeitalter der Gnade, die zur Versammlung gehören, von dem Herrn Jesus von der Erde entrückt worden (1. Thes 5,9). Für uns ist das Heil ein Geschenk der Gnade, und die Bewahrung bis ans Ende unseres Lebens ebenso ein Wirken der Gnade Gottes wie die Entrückung, wenn der Herr wiederkommt (s. noch Teil 4).

Angesprochen sind hier in Matthäus 24 also die Jünger – insbesondere gläubige Juden – aus jener noch zukünftigen Zeit und auch aus einer anderen Haushaltung. Wenn sie ausharren bis ans Ende, werden sie als Gottes Volk anerkannt werden, wenn der Herr Jesus in Herrlichkeit erscheint und mit Ihm das 1.000-jährige Friedensreich erleben. Die Verheißung geht nicht dahin, dass jeder, der glaubt und ausharrt, die Drangsalszeit überlebt, denn es wird auch in jener Zeit gläubige Märtyrer geben. Das Ausharren muss so lange vorhanden sein, wie es nötig ist; es wird beendet durch den Märtyrertod oder die Befreiung durch den wiederkommenden Herrn. Die Errettung ist in beiden Fällen die Teilhabe am Reich – entweder auf der Erde oder vom Himmel her.

  • Die Bibel unterscheidet zwischen verschiedenen Haushaltungen oder Heilszeiten, in denen Gott gegenüber den Menschen nach unterschiedlichen „Regeln“ handelt. Im heutigen Zeitalter der Gnade ist das Heil an sich, aber auch die Bewahrung bis ans Ende unseres Lebenswegs sowie die Entrückung am Ende ein Geschenk der Gnade. Wenn in einer anderen Haushaltung die Errettung (in Form der Teilhabe an Gottes Reich) vom Ausharren abhängig gemacht wird, kann dies den Gläubigen von heute zur Treue anspornen, denn der Glaube zeigt sich im Ausharren (vgl. 2. Tim 2,12; 2. Pet 1,5.6).

Spreu III „Die Bibel sagt ganz klar …“
Die Bibel lehrt klar, aber nicht alles, was die Bibel lehrt, ist offensichtlich und einfach zu verstehen. Es ist auch manches „schwer zu verstehen“ (2. Pet 3,16). Wer sich mit dem Thema der Unverlierbarkeit des Heils intensiver beschäftigt, wird sich zweierlei eingestehen müssen: Erstens ist nicht jeder Vers zu diesem Thema „ganz klar“ zu verstehen. Und zweitens können für beide Auffassungen Verse angeführt werden, die – zumindest auf den ersten Blick – „ganz klar“ für die jeweilige Auffassung sprechen.

Es hilft letztlich niemandem, speziell diejenigen Verse hervorzuheben, die eindeutig für die eigene Auffassung sprechen, und die übrigen unter den Tisch fallen zu lassen oder wegzudiskutieren. In manchen Fällen ist wirklich eine offene und ehrliche Auseinandersetzung nötig. Dabei will der Heilige Geist durchaus Klarheit geben – Er ist es, der uns in die „ganze Wahrheit“ leitet (Joh 16,13). Dass dies ein einfacher Weg ist und dass die Lösung stets so an der Oberfläche liegt, dass wir sie mühelos „aufsammeln“ können, sagt Gott nicht.

Spreu IV „Gott meint, was Er sagt“
Jawohl, davon bin ich auch überzeugt – Gott meint, was Er sagt. Ganz bestimmt. Die Frage ist nur: Was sagt Er denn? Wenn der Herr sagt: „Wer mein Wort hört und glaubt dem, der mich gesandt hat, hat ewiges Leben und kommt nicht ins Gericht“ (Joh 5,24) – meint Er dann, dass derjenige einmal geglaubt haben muss, oder dass er am Glauben festhalten muss? Oder wenn Er sagt: „Wenn jemand nicht in mir bleibt, so wird er hinausgeworfen“ (Joh 15,6) – meint Er mit diesem „jemand“ einen Glaubenden, und meint Er mit „hinauswerfen“ die Hölle?

Letztlich ist keine Schrift „von eigener Auslegung“ (2. Pet 1,20). Was die Aussage einer bestimmten Bibelstelle ist, kann man oft erst herausfinden, wenn man andere Bibelstellen hinzuzieht (s. Teil 1: Auslegen im Zusammenhang). Sicherlich kann der persönliche Glaube von einer einzigen Bibelstelle überführt werden und sich darin für ein Leben lang verankern. Wem Gott in seiner Gnade einen solchen „Anker-Vers“ schenkt, der sollte ihn gut festhalten. Etwas anderes ist aber eine lehrmäßige Vertiefung für mich selbst oder mit anderen auf der Suche nach Wahrheit. Diese kann sich nicht auf einzelne Verse beschränken und mit dem Argument „Gott meint, was er sagt“ andere, eventuell entgegenstehende Bibelstellen zum gleichen Thema, ausblenden.

In der heutigen Haushaltung der Gnade ist nicht nur zwischen Gläubigen und Ungläubigen zu unterscheiden, sondern in Bezug auf Gläubige auch zwischen deren Stellung und Praxis:

Unterscheidung 2: Stellung und Praxis: Durch die Bekehrung kommt der Gläubige in eine Stellung als Gottes Kind, als Heiliger, als König und Priester Gottes. Gott hat den Anspruch an ihn, dass er dieser Stellung auch in seiner Praxis entspricht – also eine bewusste Beziehung zu Gott, dem Vater genießt, einen heiligen Lebenswandel führt, in seinen Beziehungen zu den Mitmenschen gottgemäß lebt und Gott anbetet. Beide Aspekte – Stellung und Praxis – stehen nebeneinander. Weder ergibt sich aus der heiligen Stellung automatisch ein heiliger Lebenswandel, noch ist ein heiliger Lebenswandel erforderlich, um die heilige Stellung zu erwerben oder zu sichern.

Es ist einerseits wahr, dass wir „vollkommen gemacht sind“ (Heb 10,14 – der Stellung nach) und andererseits, dass wir noch „nicht vollendet“ sind (Phil 3,12 – der Praxis nach). Die  Unterscheidung zwischen Stellung und Praxis findet man vielfach in der Bibel, z.B. im Vergleich von Eph 1,3.6 und 5,8; Kol 1,12.12 und 3,1 ff.; 1. Thes 5,5 und 5,6 oder Heb 10,10 und 6,1.

Beispiel: In seinem Brief an die Korinther betont Paulus einerseits ihre heilige Stellung („den Geheiligten in Christus Jesus, den berufenen Heiligen“, 1,2; „aber ihr seid abgewaschen, aber ihr seid geheiligt, aber ihr seid gerechtfertigt worden“, 6,11 – beachte die Verbformen: all das ist vollendet), andererseits fordert er sie in denselben Schriftabschnitten auf, auch praktisch heilig zu leben – was sie nicht taten – nämlich in Kapitel 1,11; 6,7.15.

Auffällig ist, dass er ihnen zu Beginn des Briefes zuspricht, dass der Herr Jesus Christus sie „befestigen wird bis ans Ende, dass [sie] untadelig [sind] an dem Tag unseres Herrn Jesus Christus“ (1,8). Er fügt hinzu: „Gott ist treu, durch den ihr berufen worden seid in die Gemeinschaft seines Sohnes Jesus Christus, unseres Herrn“ (1,9). Gleichwohl ermuntert die Bibel an keiner Stelle einen Gläubigen, der seine Stellung nicht in der Praxis erkennen lässt, so weiterzumachen, weil sein Heil ja sicher sei.

  • Die Stellung, die der Glaubende durch die Bekehrung erlangt – Gottes Kind, Heiliger, König und Priester Gottes usw. – ist unverlierbar. Die Praxis soll dieser Stellung entsprechen. Die Stellung „heiligt“ die Praxis nicht. Eine unheilige Praxis verdirbt nicht die Stellung, wirft aber die Frage auf, ob das Bekenntnis des Christen echt ist.

Unterscheidung 3: Bekenner und von neuem Geborene:
A ist ein Gläubiger und lebt auch so; B hat sich bekehrt, lebt aber in Sünde; C ist ungläubig und lebt auch so; D ist nicht bekehrt, läuft aber in der örtlichen Versammlung „unauffällig mit“.

Da jeder Mensch sowohl eine unterschiedliche Stellung als auch eine unterschiedliche Lebenspraxis haben kann (und beides einander leider oft nicht entspricht), ist es nicht überraschend (und deckt sich auch mit unserer Erfahrung), dass

die stellungsmäßigen Unterschiede zwischen Gläubigen und Ungläubigen manchmal nicht erkennbar sind. Die Bibel spricht tatsächlich von falschen Bekennern (1. Joh 2,19), von Heuchlern (Mt 23,28 ff.), von Unaufrichtigen (Apg 8,13.21), von solchen (die es damals gab, heute gibt und auch in der Zukunft geben wird), die sich zu dem Herrn bekennen, aber nicht wirklich dazugehören (Mt 7,22.23; 22,11 ff.; 25,11.12; Jak 2,14) und von solchen, die scheinbar „dazugehörten“ und „abfallen“ (Heb 6,4 ff.; 10,38).

Beispiele: Judas gehörte zu den zwölf Jüngern Jesu, die ihm äußerlich erkennbar nachfolgten; er hatte aber kein neues Leben (Joh 6,64 ff.). Lot hatte eine „gerechte Seele“ und evtl. ein gerechtes Verhalten; sein äußerliches Zeugnis wurde aber dadurch verdorben, dass er in der überaus sündigen Stadt Sodom lebte – und doch rettete Gott ihn vor dem Gericht (1. Mo 19). Gott kennt die, die sein sind (2. Tim 2,19).

  • Die Bibel unterscheidet zwischen wirklich von neuem geborenen Menschen und solchen, die sich zum Glauben bekennen, ohne wirklich Buße getan und an den Herrn Jesus geglaubt zu haben. Die ersten sind für ewig gerettet, die zweiten werden vor dem ewigen Verderben gewarnt und zur Buße aufgerufen.

Spreu V Wischi-waschi-Argumente
So schnell man damit bei der Hand ist zu behaupten, dass die Bibel angeblich die eigene Lehre „ganz klar“ unterstützt, so schwer fällt es mitunter doch, die eigene Position „klar“ zu beschreiben. Dann aber verliert die Diskussion und Argumentation an Überzeugungskraft; vielleicht ist solch ein Mangel an Klarheit auch ein Hinweis auf fehlende eigene Befestigung und Durchdringung des Themas.

Dies gilt für beide Seiten: Wer lehrt, dass das Heil verloren gehen kann, sieht sich der Frage ausgesetzt, wodurch bzw. in welchem Fall das Heil wieder verloren geht: Bei einer Sünde? Bei einer bewussten Sünde? Bei einer freiwilligen Sünde? Bei einem Spielen mit der Sünde? Oder erst bei einem Abfall, einer „Zurück-Bekehrung“? 1 Andererseits: Wer lehrt, dass das Heil unverlierbar ist, steht vor der Frage, wer denn z. B. in Hebräer 6 mit demjenigen gemeint ist, der „abfällt“. Weder die Lehre über die Sicherheit des Heils noch die Warnungen an Glaubende vor falschen Wegen sollten durch „Wischi-waschi-Argumente“ ihrer Kraft beraubt werden.

1 Auf alle diese Aussagen trifft man in der Beschäftigung mit dem Thema der Verlierbarkeit des Heils.

Einmal ein Kind Gottes immer ein Kind Gottes
Mackintosh 2 wurde eine Geschichte erzählt von einem jungen Mann, der eine Predigt über die Unverlierbarkeit des Heils hörte. Der Prediger sagte: „Einmal ein Kind [Gottes], immer ein Kind“. Er war erleichtert, nicht mehr verloren gehen zu können und stürzte sich in alle möglichen Sünden. Mackintosh kommentierte diese Geschichte so: „Das ist ein Fall von tausend. Der Prediger predigte das Richtige. Der Zuhörer tat das Falsche. Das ist genauso, wie wenn ein Vater zu seinem Kind sagt: „Einmal mein Kind, immer mein Kind.“ Wenn das Kind dann andauernd die Fensterscheiben einschmeißt, hört es nicht auf sein Kind zu sein – aber es handelt nicht richtig, und der Vater wird es züchtigen.“

  • Im nächsten Heft: Anhand manchmal missverstandener Bilder wie dem Wegwerfen und Verbrennen einer Rebe nach Johannes 15 oder dem Ausbrechen eines Zweigs aus dem Ölbaum nach Römer 11 soll es darum gehen, Bilder der Bibel richtig auszulegen.

Thorsten Attendorn

 

1 Dazu ausführlich die Serie von M. Hardt in FMN 1/2007, S. 27 ff., 2/2007, S. 24 ff., 3/2007, S. 25 ff., 4/2007, S. 29 ff. und die Fragenbeantwortung in 6/2007, S. 12 ff.

2 C. H. Mackintosh, 1820-1869, irischer Evangelist und Bibelausleger.