Vergebung oder Skandal im Obersaal
"In diesen Tagen stand Petrus in der Mitte der Brüder auf ..." (Apg 1,15) - Ich könnte mir eine Szene wie folgt denken: „Na, na", denkt Jakobus, „So geht das ja wohl doch nicht". Er lehnt sich hinüber zu Andreas. Von hinten beugt sich noch aufgeregt Matthäus über die Stuhllehne. „Petrus scheint aus den letzten Ereignissen vor ein paar Wochen nichts gelernt zu haben", sagt er. „Petrus", ruft Thomas, „mit dir können wir keine Dienstgemeinschaft haben. Diese Verleugnung haben wir noch zu gut im Gedächtnis. Das war schlimmer als Unglaube."
Kannst Du Dir die Gesichter vorstellen, als in dieser Situation Petrus wieder das Wort unter den Jüngern ergreift? Immer, wenn ich diesen Satz lese, dann kommen mir solche oder ähnliche Diskussionen wie eben in den Sinn.
Die Ereignisse der letzten Tage waren doch nicht spurlos an den Jüngern vorübergegangen. Wie hat sie erst der Verrat des Judas innerlich getroffen. Und dann Petrus am Kohlenfeuer. Gerade Petrus. „Wenn sich alle an dir ärgern werden, ich werde mich niemals ärgern." ICH - NIEMALS. Johannes traute seinen Ohren nicht - Petrus flucht: „Ich kenne diesen Menschen nicht." Von Petrus, dem Stein, ist nicht viel übriggeblieben.
Doch dann erleben die elf Jünger dieses Frühstück mit ihrem auferstandenen Herrn. Sie haben es sicher nie vergessen. Und Petrus, gerade Petrus, erhält den Auftrag, die Schafe des Herrn zu weiden. Der Herr schenkt ihm neu Sein ganzes Vertrauen.
Warum erzähle ich die ganze Geschichte, die Ihr ohnehin längst kennt? Weil der Vers "In diesen Tagen stand Petrus in der Mitte der Brüder auf" mir auf eindrucksvolle Weise klargemacht hat, wie umfassend und groß die Vergebung ist, die Gott gewährt. Petrus hatte bitter über seine Sünde geweint - dann begegnet ihm der Herr persönlich - dann das Frühstück am See. Das ist wirklich Vergebung. Keine Diskussionen zwischen Jakobus, Andreas und Thomas. Sie hatten längst gelernt, daß sie selbst um nichts besser waren als Petrus. Ein Mann, der seinen himmlischen Herrn verleugnete, steht reichlich 50 Tage später in der Mitte der Brüder auf, um das Wort zu ergreifen. Wieso kann er das? Und warum nehmen seine Mitjünger auch diesen Dienst an? Weil sein auferstandener Herr ihm vergeben hat. Und Er hat ihm neues Vertrauen geschenkt - so, als würde er ohne Vorgeschichte ganz neu mit Seinem Petrus anfangen.
Ist mehr Vertrauen und das Vergeben und Vergessen der ganzen „Vorgeschichten" nicht die Haltung der Gnade und das Gebot der Liebe?
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