David - der verhinderte König

Im Alten Testament werden uns verschiedene Personen vorgestellt, die in besonderer Weise ein Vorbild auf unseren Herrn Jesus sind, andererseits aber auch für uns als Christen im praktischen Leben viele beispielhafte Verhaltensweisen zeigen. Im Folgenden wollen wir uns ein wenig mit einem kurzen, aber sehr wichtigen Lebensabschnitt Davids beschäftigen, des Mannes nach dem Herzen Gottes (1.Sam 13,14).

Wir sehen, wie der große Mann Gottes, Samuel, zuerst Saul zum König salben mußste, nachdem er von Gott ausdrücklich dazu beauftragt worden war, obwohl er wußte, daß es der falsche König war, weil er vom Volke in einer unguten Weise begehrt wurde. Man spürt, wie in den Worten des HERRN in 1. Samuel 8,7 eine gewisse Trauer mitschwingt: „Nicht dich haben sie verworfen, sondern mich haben sie verworfen, daß ich nicht König über sie sein soll." Welch eine Absage erteilt das Volk seinem Gott! Bald stellte sich jedoch heraus, daß dieser König nichts taugte, und so folgt schon in Kapitel 16 der Auftrag an Samuel, dessen Nachfolger zu salben.

Welch eine Szene spielte sich dort in Bethlehem im Hause Isais ab. Keine der Söhne, die der Vater vorführte, waren von dem HERRN ausersehen, Sein Volk zu regieren. Erst mußte noch der Jüngste, der achte Sohn, der fast vergessene Kleinviehhirte, geholt werden. Und nach der Enttäuschung im Blick auf Saul meint man beinahe die Freude des HERRN in der Aufforderung an Samuel herauszuhören: „Auf, salbe ihn! denn dieser ist es" (Kap. 16,12). Der jüngste, der geringste, der unbedeutendste Sohn wird „inmitten seiner Brüder" (V.13) zum König über Israel gesalbt. In Psalm 89,20 heißt es: „Ich habe David gefunden, meinen Knecht." Der HERR hat gleichsam gesucht, um einen geeigneten Mann für diese große Aufgabe zu finden.

Was mag David bei alledem wohl gedacht haben? Jetzt sollte die „Miß-Herrschaft" Sauls ein Ende haben. Jetzt würde er alles in die Hand nehmen können. Jetzt würde er alles besser machen. - Finden wir solche Gedankengänge bei David? Offensichtlich nicht! Und damit kommen wir zu dem Punkt, wo David uns ein schönes Beispiel sein kann und wo wir sein Verhalten mit der neutestamentlichen, christlichen Praxis des Glaubenslebens direkt in Verbindung bringen können.

Er ging - nachdem er gesalbt und der Geist des HERRN über ihn geraten war - zurück zu seiner Herde, zurück an den einfachen Platz, wo sein Vater ihn fast vergessen hätte. Konnte er als König dort etwas ausrichten? Aus Davids Verhalten wird deutlich, daß er die Belehrung, die wir in 1. Korinther 4,7.8 finden, schon damals verstanden hatte. Es war nicht sein Verdienst, daß er König war, und er wußte, daß für ihn noch nicht die Zeit des Herrschens da war.

In den folgenden Abschnitten finden wir noch dreimal (16,19; 17,15.20) den Hinweis darauf, daß David nach seiner Salbung weiter das Kleinvieh weidete. Welche Treue finden wir bei ihm. Hätte er nicht bereits jetzt nach diesem Königtum bzw. der damit verbundenen Ausübung der Aufgaben streben können? Aber wir sehen nur, daß er sich seiner bisherigen, „niedrigen", unbedeutenden Stellung wieder zuwendet. Darin ist er für uns ein Beispiel, wie wir der Aufforderung aus Römer 12,16 nachkommen können: „Sinnet nicht auf hohe Dinge, sondern haltet euch zu den niedrigen." Der Anmerkung der Elberfelder Übersetzung ist zu entnehmen, daß es sich sowohl um niedrige „Dinge" als auch „Personen" handeln kann.

David wurde von Saul verfolgt, gejagt und gehaßt, er, der neue König Israels. Später finden wir ihn sogar in der Höhle Adullam mit all den „Niedrigen" des Volkes: „Und es versammelten sich zu ihm jeder Bedrängte und jeder, der einen Gläubiger hatte, und jeder, der erbitterten Gemütes war" (1. Sam 22,2).

David war mit denen zusammen, die am untersten Ende der gesellschaftlichen Hierarchie standen, „und er wurde ihr Oberster". Welch eine Herablassung! Er wußte, daß Saul noch der offizielle König, der Gesalbte des HERRN, war, und er erkennt das auch an bis zu dessen Tod (2. Sam 1,14).

Er hatte Geduld, weil er im Vertrauen auf seinen Gott wußte, daß dieser ihm den richtigen Augenblick zeigen würde, wo er seine Herrschaft antreten konnte. Das prophetische Vorbild im Blick auf unseren Herrn Jesus wollen wir jetzt nicht näher betrachten, sondern uns fragen, wie wir heute mit dem Wort aus Römer 12,16 umgehen können.

Wer vor der Frage der Berufswahl steht, für den kann die Aussage des Apostels eine wichtige Hilfe sein. Sie wird mit den Worten in Kapitel 12,2 eingeleitet, wo von der Verwandlung „durch die Erneuerung unseres Sinnes" gesprochen wird. Diese Welt (o. „dieser Zeitlauf"; siehe Fußnote) hat nur zeitlich und irdisch orientierte Ziele, denen sie nachjagt. Der Christ kann jedoch durch die Erneuerung seines Sinnes so verwandelt werden, daß er nicht gleichförmig dieser Welt - d.h. nach ihren Prinzipien und Zielen - lebt, sondern daß er prüft, „was der gute und wohlgefällige und vollkommene Wille Gottes ist". Durch den Geist Gottes geleitet, können wir uns völlig anderen, himmlischen Zielen zuwenden, und es ist gerade bei David so bedeutsam, daß er zurückging zu dem Kleinvieh, nachdem der „Geist des HERRN" über ihn gekommen war. Aus eigener Kraft konnte David nichts tun.

Wir dürfen dankbar sein für eine gute berufliche Ausbildung, um später den Lebensunterhalt bestreiten und auch eine Familie ernähren zu können. Die Frage nach den persönlichen Neigungen und Interessen und der sich daraus ergebenden Entscheidung ist sicher nicht einfach. Da sollten wir vorsichtig sein bei einem Urteil über andere.

Welche Ziele verfolgen wir bei unserer Ausbildung oder beruflichen Laufbahn? Ist es Geldverdienen, Karriere, Ansehen? oder sogar Selbstverwirklichung? Der Artikel aus Folge mir nach 6/94 über Selbstverwirklichung kann hier als Hilfe dienen.

Wir sollten unsere Motive in dieser Frage auch anhand von 1. Timotheus 6,9 prüfen: „Die aber reich werden wollen, fallen in Versuchung." Reichtum kann durchaus ein Geschenk Gottes sein - wie im Grunde viele irdische Segnungen -, aber ein Streben danach ist sehr gefährlich und hat geistliche Armut zur Folge. - David kehrte trotz seiner Salbung zum König zurück auf die Felder, um das Kleinvieh zu hüten. Er trachtete nicht nach hohen Dingen. Dort auf den Feldern konnte er sich weiterhin der Gemeinschaft mit seinem Gott erfreuen. Außerdem bereitete Gott ihn für eine große Aufgabe unter dem Volk Gottes vor. Er wartete auf die Zeit Gottes.

Unser Schöpfer-Gott hat manchem von uns eine gute Intelligenz und ein gutes Auffassungsvermögen geschenkt. Wie schade, wenn sie nur für irdische oder sogar weltliche Dinge eingesetzt würden.

Der bekannte Schriftausleger William Kelly wurde einmal von einem der Professoren des Trinity College in Dublin gedrängt, dort eine Anstellung zu übernehmen. In dem Fall könne er ein Vermögen machen. Seine Antwort war bezeichnend: „Für welche Welt?" Kelly wollte mit seinen Gaben dem Herrn dienen. Und das hat er über viele Jahre bis zu seinem Heimgang getan.

Können nicht auch wir viel aus dem Verhalten Davids lernen? Einmal kommt die Zeit der öffentlichen Erscheinung unseres Herrn. Dann werden wir zusammen mit Ihm, dem wahren David, herrschen.