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Berufswahl

Als Schulleiter eines Internats in der Schweiz habe ich sehr häufig mit Jugendlichen zu tun, die kurz vor dem Übertritt in einen Lehrberuf stehen. Diese Phase kann als prozesshafte Entscheidungsfindung bezeichnet werden. Mitbeteiligt am Prozess sind nicht nur die Schüler selbst, sondern auch Lehrer, Eltern, Verwandte, Kollegen.

In den meisten Fällen werden Sitzungen mit professionellen Berufsberatern abgehalten, Neigungen der Jugendlichen testologisch erfasst und Berufsbilder vorgestellt. Die Entscheidung soll möglichst durch den Jugendlichen selbst gefällt werden.
Aus geistlicher Sicht gibt es für mich vier wesentliche Dinge zu beachten:
1. Die Entscheidung muss unter Gottes Führung und mit Gebet gefällt werden. Dabei kann auch ein Beruf herauskommen, den die Berater nicht im Auge hatten. Illustration gibt uns Apostelgeschichte 27,12: "Da aber der Hafen zum Überwintern ungeeignet war, rieten die meisten dazu, von dort abzufahren..." Dieser Entscheid war trotz der Mehrheit der Berater falsch!
2. Sogenannte Trendberufe sind nicht mehr zu gewichten als andere. Vergleiche Apostelgeschichte 27,13: "Als aber ein Südwind sanft wehte, meinten sie ihren Vorsatz erreicht zu haben, lichteten die Anker und fuhren dicht an Kreta hin. Aber nicht lange danach erhob sich von Kreta herein Sturmwind..."
3. Es ist gut, wenn Jugendliche mit gläubigen Erwachsenen, vor allem mit ihren Eltern über ihre Berufsabsichten sprechen. Alle Berufe haben positive und negative Seiten. Sie bergen auch Chancen und Gefahren. Korrespondieren gewisse Persönlichkeitsmerkmale der Jugendlichen positiv mit gewissen Gefahren des Berufs, dann ist eher davon abzusehen. Zum Beispiel: Ein Mädchen hat eine ausgesprochene Schwäche für teure modische Kleider und wird Kleiderverkäuferin.
4. Ein Beruf muss nicht ein Leben lang ausgeführt werden. Es ist nicht eine Entscheidung wie etwa die des Lebensgefährten. Zu verkrampft darf nicht an die Berufswahl herangegangen werden. Gott hat einen Plan mit jedem Kind Gottes. Da kann es auch zu einem Berufswechsel kommen. Der neue Beruf sollte aber eine noch bessere Möglichkeit zum Dienen für den Herrn bieten.

Beispiele aus der Bibel:
Fischer - Menschenfischer
Zeltmacher - Apostel

Ich glaube, dass es ein von uns oft gemachter Fehler ist, dass wir zwischen wichtig und unwichtig unterscheiden. Es gibt bei uns "besonders wichtige Entscheidungen", die unbedingt erfordern (so sagt man uns Jüngeren), dass wir darin Gottes Willen erkennen. Dies impliziert aber notwendigerweise, dass es auch "weniger wichtige Entscheidungen" gibt. Wer trifft da die Entscheidungen?
Ich habe gelernt, dass es diesen Unterschied nicht gibt. Gott möchte so gern, dass wir alles mit Ihm besprechen, Ihm anvertrauen — und dann brauchen wir uns auch nicht mehr zu sorgen und uns händeringend zu fragen, was wohl Gottes Wille ist. Lebe einfach mit Ihm, lies Sein Wort, versuche, Seine Gebote auch zu tun, und bei Fragen? Sag sie Ihm einfach, und dann rechne auf Ihn. So wie O. Hallesby sagt: "Beten — das heißt einfach, Jesus in die persönlichen Umstände bringen" (O. Hallesby: Vom Beten). Ist das zu einfach? (Briefauszug)
Torsten Dietl, Siegen