Laß mich deine Stimme hören

"Meine Taube im Geklüft der Felsen, im Versteck der Felswände, lass mich deine Gestalt sehen, lass mich deine Stimme hören; denn deine Stimme ist süß und deine Gestalt anmutig". (Hohelied 2,14)

Die letzte Zeit war mit vielen Dingen angefüllt. Wir hatten gedacht, die Dinge einigermaßen im Griff zu haben, doch plötzlich trat Krankheit in der Familie auf, plötzlich gab es Schwierigkeiten im Beruf, die unsere ganze Spannkraft forderten, unsere Zeiteinteilung geriet durcheinander, wir fanden keine Muße mehr zur stillen Zeit, Besuche mussten aufgeschoben werden, Briefe blieben unbeantwortet liegen. Vieles staute sich. Wir fanden nicht mehr die nötige Erholung durch ausreichenden Schlaf, wir wachten manchmal morgens zu früh auf und konnten nicht mehr einschlafen ...

Wer kennte nicht solche Situationen aus Erfahrung! Wir waren zwar bereit, alles aus der Hand des Herrn anzunehmen, doch was uns besonders zu schaffen machte, war, dass wir uns geistlich ausgelaugt fühlten. Wir suchten die Gemeinschaft mit dem Herrn, fanden sie aber nicht so recht. Und wenn wir uns mit den Glaubensgeschwistern zusammenfanden, um den Tod des Herrn zu verkündigen, kam keine rechte innere Anteilnahme auf, nein, unsere Herzen blieben kalt. Für den Herrn blieb wenig übrig.

Was haben wir falsch gemacht? Wo befinden wir uns nun eigentlich? Haben wir uns nicht eigentlich wie die Braut im Hohenlied auch "zurückgezogen" in das Geklüft der Felsen, in das Versteck der Felswände? Ohne dass wir es wollten, haben wir uns doch in eine gewisse Isolation begeben. Wir haben uns vor den Schwierigkeiten versteckt, und wir fühlten uns auch sicherer dabei.

Doch in diese Situation hinein hören wir jemanden zu uns sagen:
"Lass mich deine Gestalt sehen, lass mich deine Stimme hören."

Da ist jemand, der schon lange darauf wartet, dass Du Dein Versteck wieder verlässt. Jemand wartet darauf, Dich zu sehen. Da ist jemand, der sich an Dir erfreuen möchte. Der Ausdruck "Gestalt" ist in anderen Übersetzungen mit "Gesicht" wiedergegeben. Der Herr möchte teilnehmen an Deinem Befinden. Er möchte in Deinem Gesicht sehen, wie es Dir zumute ist. Und nicht nur das. Er liebt Dich. Er sehnt sich nach Dir. Er kann Deinen Kummer in Deinem Angesicht lesen. Er möchte mit Dir über Seine Pläne sprechen. Er sucht jemanden, mit dem Er Gemeinschaft haben kann. Er möchte Dich glücklich sehen und Deine Freude mit Dir teilen.

"Lass mich deine Stimme hören"

Er wartet darauf, dass Du Ihm alles sagst. Mach doch Deinem Herzen noch einmal Luft im Gebet. Vielleicht bist Du enttäuscht über Menschen, sogar über solche, die Du als Deine Freunde betrachtetest. Oder bist Du sogar noch mehr über Dich selbst enttäuscht? Sag es dem Herrn. Du denkst, Er weiß doch alles. Ja, aber Er möchte es aus Deinem Mund hören. Er möchte Deine Stimme hören. Der Klang Deiner Stimme allein erfreut Ihn schon, Deine Stimme bedeutet Ihm viel. Sie ist süß für Ihn.

Und wenn Du so Dein Herz vor Ihm ausgeschüttet hast, dann sag Ihm auch, was ER Dir bedeutet. Danke Ihm noch einmal für all die vielen Beweise Seiner Liebe in Deinem Leben und vor allem dafür, dass Er in Seiner grenzenlosen Liebe für Dich in den Tod gegangen ist.

Stellen wir uns ein sehr verliebtes Brautpaar vor, das jeden Augenblick nutzt, um zusammen zu sein.
Das Wort Gottes gebraucht dieses Bild, um uns deutlich zu machen, wie sehr der Herr Seine Braut liebt, ja, wie Er sich nach ihr sehnt. Auch hier ist es so, dass dieses menschliche Bild von der Liebe eines Brautpaares weit hinter der Wirklichkeit der Liebe des Herrn zurückbleibt.
Etwas später sagt der Bräutigam zu der Braut: "Wende deine Augen von mir ab, denn sie überwältigen mich" (Kap. 6,5).
Wären wir uns doch mehr bewusst, was wir Ihm bedeuten. Wir wagen es kaum, das für uns in Anspruch zu nehmen, und doch ist es so.