Bibel praktisch

Gott lässt sich erbitten

Gebet ist das Eingeständnis vor Gott, dass wir nichts in uns selbst haben und sind, sondern alles von Gott empfangen müssen. Gebet ist der Ausdruck des eigenen Mangels gegenüber einem überreichen Gott. „Ihr habt nichts, weil ihr nicht bittet“, klagt Jakobus in dem Wissen, dass das „inbrünstige Gebet“ eines Gerechten, also sein Flehen zu Gott, viel Wirkung hat. Der Herr lehrte seine Jünger zu beten – nicht zu predigen – und war selbst im Gebet zu Gott das große Vorbild. Das Lukas-Evangelium ist von Anfang bis Ende dafür kennzeichnend, dass der Herr betete. Wenn der vollkommene Mensch, Jesus, sich immer wieder in die Abhängigkeit seines Gottes und Vaters begab, was nehmen wir uns heraus, es nicht zu tun? Gott fordert uns auf, zu beten und zu bitten, damit Er geben kann. Er lässt sich nämlich gern erbitten! Sieben Mal kommt dieser Ausdruck als Gebetsantwort Gottes in der Bibel vor.

 

1.     Isaak und Rebekka warten auf Kinder (1. Mo 25,21)

20 Jahre lang müssen Isaak und Rebekka auf Kinder warten. In dieser Zeit betet Isaak für seine Frau, dass Gott ihr die Unfruchtbarkeit nehmen möge. Das ist in dieser Geschichte nur ein Satz, aber das verwendete Wort für bitten (hebr. „athar“) wird meistens mit „flehen“ übersetzt (z.B. Hiob 33,26) und weist also auf intensives Beten hin. Isaak wird bestimmt mehr als einmal in diesen 19 Jahren für seine Frau gebetet und zu Gott gerufen haben, denn es war damals für eine Frau besonders schlimm, keine Kinder zu haben.

Hätte Isaak sich nicht zurücklehnen und sagen können: „Gott, du hast meinem Vater eine große Nation versprochen, die über meine Nachkommenslinie entstehen soll. Dann will ich mal sehen, was passiert …“? Zumindest machte er nicht den Fehler wie seine Eltern und nahm sich eine Nebenfrau, um Gottes Verheißung „auf die Sprünge“ zu helfen. Gleichzeitig gab es aber auch die Linie Ismaels, von der wir nichts über Unfruchtbarkeit lesen. Im Gegenteil (s. Kap 28,9). Diese Linie hätte Isaak zweifeln lassen können, ob die Verheißung Gottes sich nicht doch auf Ismael als Nachkomme Abrahams bezog. Vielleicht geht dieser Gedanke zu weit, aber bei jahrelangem Warten können sich auch solche Gedanken einschleichen.

Bei all diesen Überlegungen ist interessant, dass Gott auf das Flehen von Isaak reagiert. „Der Herr ließ sich von ihm erbitten“. Es steht hier dasselbe Wort (athar), was zeigt, dass das Flehen und die göttliche Antwort hier aufs Engste miteinander verbunden sind. Gott lässt sich erbitten, wenn wir bitten. Aber dann müssen wir’s auch tun. Keine Frage, Gott gibt gern „über die Maßen mehr, als wir erbitten oder erdenken“ (Eph 3,20), aber Gott gibt auch, weil wir bitten.

Und noch etwas: Gott lässt sich von Isaak in einer Sache erbitten, die mit seinem Ratschluss in Übereinstimmung ist. Er will Abraham, Isaak und Jakob zu einer großen Nation machen. Isaak war der eine Sohn und bekam zwei Söhne und sein Sohn Jakob dann zwölf usw. Warum lässt Gott sich dann für das erbitten, was Er sowieso geben möchte? Das ist die große Gnade Gottes, dass Er Menschen wie dich und mich in seine Pläne einbinden will und sich sozusagen auf das menschliche Niveau herablässt, indem Er sich unsere Bitten gefallen und sich erbitten lässt. „Bittet, und es wird euch gegeben werden; sucht, und ihr werdet finden; klopft an, und es wird euch aufgetan werden“ (Mt 7,7: Lk 11,9). Gott antwortet manchmal mit einem „Nein“ oder „Später“, weil seine Gedanken höher sind als unsere, aber Er antwortet immer und lässt sich erbitten.

 

2.     Rizpas Kampf (2. Sam 21,1-14)

Eine dreijährige Hungersnot plagt das Volk Gottes zur Zeit des Königs David. David sucht das Angesicht des Herrn – ein häufig in der Bibel vorhandener Ausdruck, der die Nähe des Beters zu seinem Gott ausdrückt –, um zu erfahren, warum Hungersnot herrscht. Er erhält die göttliche Antwort, dass sein Vorgänger, König Saul, die Gibeoniter getötet hat. Diese genossen seit Josuas Zeiten einen besonderen Schutz (vgl. Jos 9,15), den Saul missachtet hatte.

David will dieses Unrecht wieder in Ordnung bringen und lässt die Gibeoniter entscheiden, wie das gesühnt werden kann. Ihre Antwort: Sieben Männer von den Söhnen Sauls sollen übergeben werden, damit die Gibeoniter sie an einen Pfahl heften können. David stimmt zu. Gut, Mephiboseth wird von David verschont – das hatte er Jonathan geschworen. Aber zwei der Söhne Rizpas und fünf Söhne von Merab (vermutlich ist die Schwester von Michal hier gemeint) werden den Gibeonitern übergeben, damit diese sich durch die Hinrichtung der Söhne Sauls an Saul rächen können.

David hätte besser den Herrn befragt, statt sich von den Gibeonitern die Strafe vorgeben zu lassen. Wenn es um ihn selbst geht, weiß er sehr genau, dass es nicht gut ist, bei Strafe in die Hände von Menschen zu geraten (vgl. 2. Sam 24,14). Zweitens weiß er eigentlich, dass die Kinder nicht für die Fehler der Eltern büßen müssen (vgl. 4. Mo 35,33.34; 5. Mo 24,16) und drittens hatte David Saul geschworen, seine Nachkommen nicht auszurotten (vgl. 1. Sam 24,21.22). Das galt also nicht nur für Mephiboseth, den Sohn Jonathans. Hier ist offensichtlich Menschenweisheit statt Weisheit Gottes bestimmend.

In dieser fürchterlichen Situation ist Rizpa (= „Glühkohle / Glühstein“), die Mutter von zwei Gehängten, vor Ort. Sie möchte vermeiden, dass Vögel des Himmels tagsüber oder Tiere des Feldes in der Nacht sich über die gehängten Leichen hermachen. Aasfressende Tiere Tag und Nacht abzuhalten, die in Zeiten von Hungersnot möglicherweise selbst nicht genug zu fressen hatten, ist schon ein gefährliches Unternehmen an sich. Aber als Mutter täglich die toten eigenen Söhne dort hängen zu sehen, ist eine unfassbare Seelenfolter.

Wie lange die Mutter sich das ansehen musste, ist nicht klar, sie kämpfte sich jedenfalls so lange durch, bis das so wichtige Wasser für eine mögliche Ernte vom Himmel über die Gehängten lief (V. 10). Ihre Söhne hingen dort seit dem Zeitpunkt der Gerstenernte – oder was davon in der Hungersnot zu finden war – und nach der Frühernte kommt eigentlich erst eine gewisse Trockenperiode. Es könnten also etliche Tage und Wochen gewesen sein, die sie dort durchhalten musste.

Auf der einen Seite sind ihre Söhne und Neffen tot, auf der anderen Seite hat Gott hinsichtlich der Hungersnot offensichtlich nun eingelenkt. Und damit kämpft sie nicht nur für ein ordentliches Begräbnis ihrer Söhne, sondern auch für das Volk. Gott beendet die Hungersnot nämlich explizit erst dann, wenn die Söhne Sauls ordentlich bestattet sind. „Danach ließ Gott sich für das Land erbitten“ (V. 14).

Dazu ist David wieder im Bild. Er begräbt nicht nur die Gehängten, sondern lässt auch die Gebeine Sauls und Jonathans umbetten, so dass alle im Familiengrab von (Groß-)Vater Kis begraben werden. Hätte Rizpa nicht so heldenhafte Ausdauer bewiesen, wären wahrscheinlich keine Leichen mehr zu beerdigen gewesen und es hätte kein Wasser vom Himmel geregnet. Ein einziger Vers, gibt der blutigen, rachgierigen Geschichte eine erbarmungsvolle Note: Eine Frau mit Herz, mit Verstand, mit Kampfeswillen und Heldentat trägt entscheidend dazu bei, dass Gott sich erbitten lässt, indem Er die Hungersnot beendet.

 

3.     Ein Volk leidet unter dem Fehlverhalten seines Königs (2. Sam 24)

Die Größe eines Königreichs bemisst sich nicht nur nach der Landfläche, sondern auch nach der Zahl der Einwohner und Kämpfer. Und die wüsste David nur zu gern, um den Wert seiner eigenen Größe festmachen zu können. Hochmut ist allerdings ein Übel, das Gott massiv bekämpft: „Die Treuen behütet der Herr und vergilt reichlich dem, der Hochmut übt“ (Ps 31,24 – von David!). Hochmut ist deswegen so schlimm, weil er die Ehre Gottes angreift: Wir ignorieren, dass alles von Gott kommt und wir nichts in und aus uns selbst sind und haben.

Joab, der Heeroberste Davids, strotzt normalerweise nicht vor geistlicher Weisheit, versucht aber, David von diesem verkehrten Plan abzuhalten, das Volk zu mustern. „Aber das Wort des Königs blieb fest gegen Joab und gegen die Obersten des Heeres“ (V. 4). Eine Hochmutslawine zum Stillstand zu bringen, ist in Davids und in jedermanns Leben eine oft aussichtslose Anstrengung. Das Zählergebnis wird verkündet: 1,3 Millionen wehrfähige Männer in Israel, wobei Joab noch nicht einmal bereit war, ganz Israel zu zählen (1. Chr 21,6)! Und jetzt? Was konnte David damit anfangen? Wenn Gott mitkämpft, sind bei Gideon 300 Männer genug, die in den Kampf ziehen. Wenn Gott den Marschbefehl gibt, reichen Jonathan und sein Waffenträger, zwei Leute, um die Aufstellung der Philister zu schlagen. „Und hast du vergessen, David, dass du allein, mit einem einzigen glatten Stein aus dem Bach bewaffnet, Goliath erschlagen hast, so dass alle angreifenden Philister flohen? Und hast du auch vergessen, dass 3000 Kämpfer nicht ausreichten, um das kleine Dorf Ai zu schlagen, weil Gott nicht mitmachte? Die Zahl ist nur dazu da, um dich stark und mächtig zu fühlen – ohne Gott.“ Ein Tiefpunkt im Leben Davids und weit weg von seinen eigenen Worten: „Gott, ein neues Lied will ich dir singen, mit der Harfe von zehn Saiten will ich dir Psalmen singen – dir, der den Königen Rettung gibt …“ (Ps 144,10; vgl. Ps 20,8).

David schlägt das Herz, als das Ergebnis feststeht. Das geht uns oft genauso: Wenn wir unseren sündigen Willen zu Ende gebracht haben und die Auswirkungen unseres Vergehens wahrnehmen, wird uns die Größe unserer Schuld (hoffentlich) bewusst. Sein Bekenntnis klingt jedenfalls aufrichtig und ehrlich (V. 10).

David kann zwischen drei Strafen wählen, die Gott ihm vorlegt und entscheidet sich dafür, sich in die Hand des Herrn zu begeben, weil er nur von Ihm und nicht von Menschen Erbarmen erwartet. Darin wird er nicht enttäuscht. Als die Pest 70.000 Mann vernichtet hat, betet David dieses herzzerreißende, flehentliche Gebet zu Gott: „Siehe, ich habe gesündigt, und ich habe verkehrt gehandelt; aber diese Schafe, was haben sie getan? Es sei doch deine Hand gegen mich und gegen das Haus meines Vaters!“ (V. 17). Auf Geheiß des Propheten Gad baut er dann einen Altar auf der Tenne Arawnas, um Brand- und Friedenopfer zu opfern, diese Opfer lieblichen Geruchs für Gott. Und dann lässt Gott sich erbitten. Ja, auch hier ist die Rückkehr zu Gott mit intensivem Bekenntnis und Hinwendung zu Gott verbunden – und Gott lässt sich erbitten.

 

4.     Zweieinhalb Stämme kämpfen und schreien zu Gott (1. Chr 5,18-22)

Zweieinhalb Stämme, die zum Volk Gottes gehören, kämpfen für ihr Erbteil. Anscheinend sind sie besonders gute Kämpfer, denn sie werden „tapfere Männer“ genannt, „Männer, die Schild und Schwert trugen und den Bogen spannten und im Krieg unterwiesen waren“ (V. 18). Sie haben also alle Skills, um siegreich Land zu erobern. Genauer gesagt: 44.760 Männer dieser Sorte sollten etwas bewegen können. Aber wenn man den Text liest, freut man sich, dass sie sich darauf offensichtlich nicht verlassen. Es ist die Rede davon, dass ihnen gegen die Hageriter geholfen wurde, „denn sie schrien zu Gott im Kampf“ (V. 20). Das ist die Kombi, die es für Siege braucht: Natürlich muss man sich ausbilden lassen, fleißig und diszipliniert sein und Gas geben, aber gleichzeitig ist das Bewusstsein unabdingbar, in eigener Kraft nichts zustande bringen zu können –Gott muss den Sieg herbeiführen. Bei aller Kampfklasse braucht es gleichzeitig die Abhängigkeit von Gott und dann „lässt er sich erbitten, weil sie auf ihn vertrauen“ (V.20). Man könnte denken, dass die Männer von Ruben, Gad und Manasse neben den Jüngern gestanden haben, als der Herr ihnen erklärte: „… außer mir könnt ihr nichts tun“ (Joh 15,5).

 

5.     Ein König, der viel Böses tat (2. Chr 33,1-12)

Das ist wirklich der Gipfelpunkt des Bösen, der sich im Fall von König Manasse zeigt. Götzendienst, Opferung der eigenen Kinder, Zauberei, Beschwörung, Magie, Totenbeschwörer, Wahrsager, alles und alle hatten ihren Platz im Leben Manasses. „Er tat viel Böses in den Augen des Herrn, um ihn zu reizen“ (V. 6). Geschnitzte Bilder wurden ins Haus Gottes gebracht und das Volk wurde dazu gebracht, „mehr Böses zu tun, als die Nationen, die der Herr vor den Kindern Israel vertilgt hatte“ (V. 9). Nach dieser Schilderung bedeutet das konsequenterweise, dass Manasse und sein Volk auch vertilgt werden müssen. Aber was für eine Langmut Gottes, die sich hier zeigt: „Der Herr redete zu Manasse und zu seinem Volk“. Er will sie von der falschen Bahn herunterholen. „Aber sie achteten nicht darauf“ (V. 10). Dann wird Assyrien, die Zuchtrute Gottes beauftragt, um Manasse auf Gottes Weg zurückzuführen: „Da ließ der Herr die Heerobersten des Königs von Assyrien über sie kommen; und sie nahmen Manasse gefangen und banden ihn mit ehernen Fesseln und führten ihn nach Babel“ (V. 11).

Da sitzt er nun in Babel auf dem kalten Gefängnisboden. Und plötzlich ändert sich etwas. Man wird an das Wort des Herrn an Ananias erinnert, als er ihn zu Saulus von Tarsus schicken will, der erblindet in Damaskus im Haus von Judas festsitzt: „… siehe er betet“ wird zu Ananias Erstaunen als Erkennungsmerkmal von Saulus mitgeteilt. Für Manasse gilt dasselbe: Er sitzt da und „fleht den Herrn seinen Gott an und demütigt sich sehr vor dem Gott seiner Väter und betete zu ihm“. Was für eine Kehrtwende im Leben dieses abgrundtief gottlosen Spötters. Er fleht und betet und Gott „lässt sich von ihm erbitten und erhört sein Flehen und bringt ihn nach Jerusalem in sein Königreich zurück“ (V. 13). Kaum zu glauben! Ist nicht irgendwann das Maß auch mal voll? Darf er wirklich dahin zurück, wo alles Unheil seinen Anfang genommen hat? Was für eine grenzenlose Gnade Gottes, dass dieser König trotz allem, worin er böse gehandelt hat, mit Gottes Hilfe noch einmal neu beginnen darf!

Seine bösen Taten kann man bis heute nachlesen und sollen bei uns warnenden Ekel hervorrufen. Aber genauso ist bis heute „sein Gebet zu seinem Gott“ festgehalten (V. 18), „sein Gebet und wie er erhört wurde“ und dass „er sich demütigte“ (V. 19). Gottes Langmut, sein Eingreifen und seine Gnade müssen unsere Bewunderung hervorrufen! Selbst von dem Flehen eines solchen Schufts lässt Gott sich erbitten.

 

6.     Esra und die ersten Rückkehrer (Esra 8)

König Kores von Babel hat befohlen, den Tempel in Jerusalem wieder aufzubauen. Später, unter Artaxerxes I., stellt Esra einige hundert Leute zusammen, die mit ihm nach Jerusalem gehen sollen, um beim Bau mitzuhelfen. Die Strecke: 1500 km von Babel nach Jerusalem. Ein Gewaltmarsch, der unterwegs die Gefahr tierischer und menschlicher Feinde mit sich bringt. Insofern verständlich, dass Esra erzählt: „Ich rief dort am Fluss Ahawa ein Fasten aus, um uns vor unserem Gott zu demütigen, um von ihm einen geebneten Weg zu erbitten für uns und für unsere Kinder und für alle unsere Habe“ (V. 21). Nebenbei bemerkt: Selten (oder sonst nirgends?) lesen wir in der Bibel, dass speziell für die Kinder gebetet wird. Besonders für sie wird für einen geebneten Weg gebetet! Das lohnt sich, denn auch hier steht: „So fasteten wir und erbaten dies von unserem Gott; und er ließ sich von uns erbitten“ (V. 23). Gott lässt sich hier wieder erbitten. Und wieder geht dem Erbitten-lassen ein intensives Beten voraus, das an dieser Stelle mit Fasten und Demütigung einhergeht. Bei all den Beispielen bis hierher hat man den Eindruck, dass gerade die Intensität des Gebets die göttliche Antwort hervorruft; als könne man Gott dadurch sozusagen in Bewegung setzen. Beten und flehen lohnt sich also wirklich.

Der Grund für das intensive Fasten und Beten wird anschließend noch erwähnt: „Denn ich schämte mich, vom König eine Heeresmacht und Reiter zu erbitten, die uns gegen den Feind auf dem Weg beistehen sollten; denn wir hatten zum König gesprochen und gesagt: Die Hand unseres Gottes ist über allen, die ihn suchen, zum Guten; aber seine Macht und sein Zorn sind gegen alle, die ihn verlassen“ (V. 22). Ob Esra vielleicht heimlich gedacht hat: „Hätte ich doch nicht so großspurig geistliche Sätze von mir gegeben, dann hätte ich den König auch um militärisches Geleit bitten können“? Ich glaube nicht, denn diese „gute Hand Gottes“, die Esra und Nehemia in der Zeit des Wiederaufbaus so oft gerühmt haben, war ihr Ein und Alles. Sie waren nicht großspurig, sondern vertrauten auf Gott. Esra lässt hier jede menschliche Stütze für Gottes bewahrende Hand fahren und kann dieses Vertrauen offensichtlich auch widerspruchslos seinen hunderten Gefährten vermitteln. Bei so viel Vertrauen lässt Gott sich erbitten. Wie dumm von uns, wenn wir nur wenig erbeten!

 

7.     Und was, wenn Ägypter beten? (Jes 19,22)

Ägypten, dessen Volk die Israeliten bedrückt hat, wird erbitterten Widerstand vonseiten des Herrn für seine Gottlosigkeit erfahren. Wenn der Herr der Heerscharen Ägypten wieder heimsuchen wird – es erinnert an die Nacht, als der Engel die Erstgeburt schlug (2. Mo 12 – das Passah) – „werden die Ägypter wie Frauen sein; und sie werden zittern und beben vor dem Schwingen der Hand des HERRN der Heerscharen, die er gegen sie schwingen wird. Und das Land Juda wird für Ägypten zum Schrecken sein. Sooft jemand es vor den Ägyptern erwähnt, werden sie beben wegen des Ratschlusses des HERRN der Heerscharen, den er über sie beschlossen hat“ (V. 16).

Doch dann scheint plötzlich Licht im Dunkel des Gerichts: „An jenem Tag werden fünf Städte im Land Ägypten sein, die die Sprache Kanaans reden und bei dem Herrn der Heerscharen schwören werden“ (V. 18). Von den Fürsten der Stadt Zoan wird gesagt: „Die weisen Ratgeber des Pharaos; ihr Ratschlag ist dumm geworden“ (V. 11). Jetzt aber ist die Rede von fünf Städten, die die Sprache Kanaans reden und sich Gott zuwenden. Was für ein Gegensatz! Wie damals das Land Gosen, mitten in Ägypten.

Es werden Altar und Denksäule zum Zeugnis für den Herrn der Heerscharen geweiht. Wegen ihrer Bedrücker „werden sie zu dem Herrn schreien“ (V. 20) und sie werden gerettet und sie opfern und tun dem Herrn Gelübde und bezahlen sie. „Und der HERR wird die Ägypter schlagen, schlagen und heilen; und sie werden sich zu dem HERRN wenden, und er wird sich von ihnen erbitten lassen und sie heilen“ (V. 22). Ja, und selbst wenn Ägypter, die früheren Bedrücker seines Volkes, zu Ihm schreien und Ihm opfern, wird Er sich erbitten lassen und Heilung schenken. Und was macht diese Heilung genau aus? Das liest man in den letzten Versen von Jesaja 19: „An jenem Tag wird eine Straße sein von Ägypten nach Assyrien; und die Assyrer werden nach Ägypten und die Ägypter nach Assyrien kommen, und die Ägypter werden mit den Assyrern dem Herrn dienen. An jenem Tag wird Israel das Dritte sein mit Ägypten und mit Assyrien, ein Segen inmitten der Erde; denn der Herr der Heerscharen segnet es und spricht: Gesegnet sei mein Volk Ägypten, und Assyrien, meiner Hände Werk, und Israel, mein Erbteil!“ (V. 23-25). Ägypten – mein Volk? Wie das? Ja, genau das ist möglich, wenn Gott sich erbitten lässt. Gott macht ganze Arbeit an mir, an dir, an allen, die spüren, dass sie ganz auf Ihn angewiesen sind und Ihn anrufen.