Wurzeln
Wer bei einem starken Sturm schon einmal einen Baum beobachtet hat, der hat sich vielleicht gewundert, wie er dem starken Wind trotzt. Elastisch und sicher bewegt er sich zur Seite, um sich anschließend wieder aufzurichten. Ein weiteres Wunder geschieht in jedem Frühling: Nachdem alles Laub verwelkt und abgefallen ist, treiben neue grüne Blätter. Im Sommer kann die Sonne noch so heiß scheinen, trotzdem macht das dem Baum scheinbar gar nichts aus, er bleibt grün und frisch.
Warum ist das so? Natürlich, so weiß jeder, sind die starken Wurzeln der Grund. Sie verankern den Baum im Boden und sorgen dafür, daß er nicht fällt und ausgerissen wird. Die Wurzel ist ein „Organ der Pflanze zur Aufnahme von Wasser und Nährsalzen", wie das Lexikon sagt. Sie sorgt dafür, daß der Baum die notwendige Flüssigkeit und Nahrung erhält. Je tiefer und kräftiger Wurzeln in der Erde sind, um so stabiler ist der Baum bei Sturm und Hitze.
Da der Herr Jesus selbst die Wurzeln in seinen Lehren erwähnt, müssen wir uns fragen, was Er uns heute damit sagen will.
Die Wurzeln als Schutz vor Gefahren
In dem Gleichnis vom Sämann kommt die Wurzel im zweiten Bild vor. (Der Herr Jesus zeigt uns in dem Gleichnis, welche Gefahren grundsätzlich bestehen, daß wir sein Wort nicht in uns aufnehmen. Das gilt ganz besonders für die Menschen, die noch nicht errettet sind und daher zur Buße aufgefordert werden.) Der Same - also das Wort Gottes - war auf steinigen Boden gefallen. Es konnte sich keine Wurzel bilden, und das zunächst sichtbare Pflänzchen starb. Auf die Steine im Boden gehen wir jetzt nicht ein, sondern auf die Tatsache, daß Wurzeln fehlen. Die Stellen in Matthäus 13,6.21, Markus 4,6.17 und Lukas 8,13 sprechen von Gefahren für die Pflanze durch die Sonne, wenn die Wurzeln fehlen: Verbrennen und Verdorren. Der Herr Jesus legt uns das auch aus:
- Drangsal und Verfolgung um des Wortes willen wollen Argern hervorrufen, was auch mit „Anstoß nehmen", „rückfällig werden" oder „in Sünde fallen" übersetzt werden kann.
- Versuchung will uns zum Abweichen vom Wort Gottes verleiten.
Auch wenn wir in Deutschland Verfolgung um des Wortes Gottes willen in unserer Zeit nicht kennen, wofür wir dankbar sind, kennen wir doch Drangsal in Form von Not und Anfechtung, und ganz gewiß Versuchung. Ist uns das immer so klar, was das für unser Glaubensleben bedeuten kann? Konkret: Vielleicht hat der Herr dir durch sein Wort etwas klar gemacht, z.B. jeden Morgen eine bestimmte Zeit für den Herrn Jesus zu reservieren. Ohne Wurzel wird das nur für eine kurze Zeit, wenn überhaupt, gelingen. Da gibt es Anfechtungen, so daß du deine „„Stille Zeit" schlicht vergißt („rückfällig wirst"). Oder es gibt scheinbar interessante Dinge, die dich ablenken und dir wichtiger erscheinen (müssen nicht unbedingt Sünde sein!). Mit Wurzeln hingegen schaffst du es.
Wie werden geistliche Wurzeln gebildet?
Vielleicht bist du jetzt neugierig geworden, was denn das für „Wurzeln" sind, mit denen wir gegen die genannten Gefahren siegreich sind. Grundsätzlich sagt Gottes Wort, wir sollen „in Liebe gewurzelt und gegründet" und „gewurzelt und auferbaut in ihm" (dem Herrn Jesus) sein (Eph 3,17 und Kol 2,7).
Wenn wir wieder das Bild des Baumes nehmen und im Alten Testament einmal nachschlagen, wird es deutlicher. In Jeremia 17,7.8 heißt es: „Gesegnet ist der Mann, der auf den HERRN vertraut und dessen Vertrauen der HERR ist! Und er wird sein wie ein Baum, der am Wasser gepflanzt ist und am Bache seine Wurzeln ausstreckt." In Psalm 1,2.3 finden wir eine weitere Hilfe: "(Der) seine Lust hat am Gesetz des HERRN und über sein Gesetz sinnt Tag und Nacht. Und er ist wie ein Baum, gepflanzt an Wasserbächen. " Es geht also um Vertrauen gegenüber dem Herrn und Lust am Wort Gottes sowie das Nachsinnen darüber.
Vertrauen: Bereits Kleinigkeiten sollen und dürfen wir dem Herrn bringen und Ihm vertrauen, daß Er helfen wird. Genauso, wie David in Psalm 37,5 empfiehlt: „Befiehl dem HERRN deinen Weg und vertraue auf ihn! Und er wird handeln."
Wir meinen manchmal, es sei leichter, große Entscheidungen dem Herrn abzugeben und zu vertrauen, daß Er es recht macht. Aber das ist ein Irrtum. Wenn wir nicht die kleinen Probleme abgeben können, wie wollen wir dann bei den großen vertrauen? Je mehr wir uns darin üben (wir müssen das tatsächlich ganz bewußt üben!), desto stärker werden die Wurzeln. Das ist ähnlich wie mit Muskeln, die trainiert werden müssen, um stark zu werden.
Jeremia geht sogar noch weiter; er spricht davon, daß der Herr selbst das Vertrauen ist. Er ist der Gegenstand des Vertrauens, nicht z.B. Geld oder Vermögen, Herkunft oder Beziehungen. Also: Wenn ich Schwierigkeiten überwinden will und ich mich orientieren muß, soll ich mich ganz allein an Ihn halten.
Lust am Wort Gottes: Manchmal gibt es Bücher, die nehme ich richtig gerne zur Hand. Das kann eine spannende Erzählung sein oder etwas, das Bezug zu meinem Leben hat, etwas Lehrreiches. Dann macht es mir Spaß zu lesen. Gott möchte, daß wir vor allem sein Buch gern zur Hand nehmen. Er will sich uns darin vorstellen. Durch spannende Tatsachenberichte, interessante Lebensbilder historischer Persönlichkeiten, schöne Gedichte und prophetische Visionen der Zukunft spricht Er anschaulich zu uns. Und alles hat Bezug zu unserem Leben, ist spannend und lehrreich und gibt uns Freude an unserem Erretter, unserem Herrn.
Aber wie ist das mit der Lust, darin zu lesen? Kann das nicht zu einer Pflichterfüllung werden? O ja! Je weniger ich darin lese, desto geringer ist meine Lust an dem Buch Gottes. Und immer dann, wenn ich den Bezug zu meinem persönlichen Leben nicht sehe oder sehen will, wird sein Wort uninteressant für mich.
Umgekehrt gilt genauso: Je mehr ich darin lese und den Bezug zu meinem Leben sehen möchte, um so deutlicher wird das Interesse an Gottes Wort wachsen. Wer entdeckt, daß die vor langer Zeit geschriebenen Worte zeigen, wer Gott ist und daß Er den einzelnen ganz individuell anspricht, der will mehr davon wissen, der wird weiter lesen!
Nachsinnen: Wenn du möchtest, dann mach einmal einen Versuch. Lies das Gebet des Herrn Jesus in Johannes 17 schnell und ohne darüber nachzudenken. Wieviel weißt du noch? Hat es dir etwas gebracht? Vielleicht nicht, wenn du es nicht ohnehin schon gut kennst und viel darüber nachgedacht hast. Aber jetzt lies es ein zweites Mal und stell dir dabei einige Fragen, die du versuchst zu beantworten. Dabei denke über die betreffenden Verse einzeln nach und sprich mit dem Herrn Jesus darüber. Beispiele für Fragen sind:
- Was verraten mir die Worte des Herrn Jesus über den Vater?
- Was sagt der Herr mir über sich und sein Wirken auf der Erde?
- Welche Bitten spricht der Herr Jesus aus?
- Bin ich davon betroffen?
Sicher kann diese Fragenliste noch erweitert werden. Doch es ist wichtig, überhaupt einmal anzufangen, z.B. anhand von Fragen über das Wort Gottes nachzusinnen.
Nachsinnen heißt, über das Gelesene nachzudenken und mit dem Herrn Jesus darüber zu sprechen. Die Kernfrage ist immer: Was will Er mir persönlich für heute sagen? Das kann eine Verheißung sein, auch eine Warnung, etwas nicht zu tun. Aber besonders will Er uns zeigen, wer Er selbst ist. David wußte, wenn Er über Gott nachsann, würde Er so richtig glücklich sein und in Lob ausbrechen. Er spricht in Psalm 63,5.6 davon, daß seine Seele dann „wie von Mark und Fett" gesättigt werden würde.
Übrigens: Wurzeln wachsen normalerweise in der Erde, niemand kann sie sehen. Genauso ist es bei unserem Umgang mit dem Herrn Jesus. Das Gebet „in der Kammer" und das Lesen des Wortes Gottes geschehen „im verborgenen" und sind in der Regel für keinen anderen Menschen sichtbar. Niemand merkt sogleich, wenn diese Verbindung gepflegt wird. Doch die Auswirkungen werden mit der Zeit erkennbar, genauso wie das Wachsen eines Baumes.
Was bewirken geistliche Wurzeln?
Auf jeden Fall bewahren uns richtige geistliche Wurzeln vor den Problemen, auf die der Herr Jesus in dem Gleichnis vom Sämann hingewiesen hat, vor dem „Verbrennen" und „Verdorren" in Form von Abweichen von Gottes Wort und Sündigen. Die Gefahren, denen wir nun mal ausgesetzt sind, Nöte und Versuchungen, werden nämlich nicht ausbleiben.
Das Bild des Baumes zeigt uns auch hier wieder, wie Gott durch unsere Wurzeln wirken will. Jeremia 17,8: „Und sich nicht fürchtet, wenn die Hitze kommt; und sein Laub ist grün, und im Jahre der Dürre ist er unbekümmert, und er hört nicht auf, Frucht zu tragen. "Psalm 1,3 ergänzt: „Der seine Frucht bringt zu seiner Zeit, und dessen Blatt nicht verwelkt; und alles, was er tut, gelingt." Wir finden in diesen beiden Stellen wenigstens fünf Ergebnisse geistlicher Wurzeln:
- Keine Furcht: „Wenn die Hitze kommt" bedeutet, wenn die Sonne (Not und Versuchungen) auf uns zukommen. Die Wurzeln geben uns die Kraft, uns nicht zu fürchten. Wir dürfen ohne Angst in die Zukunft sehen. Wer wollte das nicht?
- Beständiges Zeugnis. Das Laub ist grün, das Blatt verwelkt nicht. Jeder sieht von außen sofort, daß der Baum gesund ist. Selbst im Greisenalter „sind sie [die in dem Hause des Herrn gepflanzt sind ] saftvoll und grün", wie Psalm 92,14 sagt.
- Frei von Sorgen: Wenn ein „Jahr der Dürre" da ist, d.h. Not in irgendeiner Form für längere Zeit, gibt Gott uns durch die Wurzeln so viel Kraft, daß wir ohne Sorge sein können. Wir werden sie ganz bewußt auf Ihn werfen.
- Frucht. In Ergänzung zu dem grünen Laub wird immer wieder zur rechten Zeit die Frucht erscheinen, die Gott in unserem Leben sehen will. Diese Frucht ist für Gott, und sie ist wertvoll für Ihn.
- Gelingen: „Alles, was er tut, gelingt." Auch das Handeln, das nach außen sichtbar ist, wird geprägt von der festen und starken Verbindung der Wurzeln zu Gott. Das wird selbstverständlich kein eigenmächtiges Handeln sein, denn durch die geistlichen Wurzeln werden wir wissen, was Gott gefällt.
Konsequenzen?
Bestimmt möchten wir diese Resultate gern in unserem Leben erfahren, erkennen vielleicht aber auch, daß die Wurzeln bei uns noch nicht so entwickelt sind, wie sie sein sollten.
Gott will uns in die Lage versetzen, seinen Vorstellungen mit uns mehr und mehr zu entsprechen. Er möchte uns stark und kräftig sehen, ähnlich wie ein Gärtner seine Bäume. Den Weg hat Er in der Bibel einprägsam aufgezeichnet: Vertrauen auf den Herrn in den kleinsten Dingen sowie Lesen und Nachsinnen über sein Wort. Gott gibt dann das Wachstum, nach unten zu widerstandsfähigen Wurzeln und nach oben zu einem gesunden Baum mit grünem Laub und Frucht für Gott. Laßt uns alles daransetzen, diese Wurzeln zu entwickeln.
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