Glaube im Alltag

„Euch ein Beispiel hinterlassend“

YouTube, Insta, TikTok – der Besuch einer dieser Plattformen reicht bereits, um zu einer bestimmten Frage bzw. einem beliebigen Thema eine Flut von Beispielen zu erhalten, wie man etwas macht oder was man von einer Sache zu halten hat. An millionenfachem Input und tausenden Influencern fehlt es nicht, die Frage lautet eher: Welches Beispiel, welches Vorbild ist für mich maßgeblich?

 

Die Aktualität der Bibel beeindruckt immer wieder aufs Neue – sie zeigt DAS Vorbild für ein perfektes Leben zur Freude Gottes: Es ist ein bewegtes und bewegendes Leben, geschildert in „vier Farben“ (den vier Evangelien); dieses Lebensbild ist völlig ausreichend, um davon ein ganzes Menschenleben lang zu lernen, immer neu über diesen Menschen zu staunen – und noch mehr von Ihm zu lernen. Personen, die Jesus damals begegnet sind, haben es auf den Punkt gebracht: „Niemals hat ein Mensch so geredet wie dieser Mensch“ (Joh 7,46).

 

Eine „Vorlage zum Nachzeichnen“

Wenn Petrus in seinem ersten Brief davon spricht, dass Christus uns ein Beispiel hinterlassen hat, verwendet er interessanterweise einen Ausdruck, der weder eine komplizierte technische Zeichnung meint noch ein Erklärvideo (gab es natürlich auch noch nicht), das man sich dreimal ansehen muss, um dann immer noch nicht genau zu wissen, wie das mit den Strahlensätzen funktioniert (um mal ein Beispiel zu nennen, an dem ich in Mathe gescheitert bin).

Nein, Petrus benutzt das griechische Wort hypogrammos, das so viel bedeutet wie „Vorlage zum Nachschreiben/Nachzeichnen“. Da sitzt also der Erstklässler, den kurzen Bleistift in der einen, den Radiergummi in der anderen Hand, die Augen vielleicht etwas zusammengekniffen und zieht die vorgegebenen Linien im Übungsheft nach: Mama   Mama  Mimi   Mimi – und nochmal: Mama   Mama   Mimi   Mimi. Und vielleicht noch zehnmal, bis es gut gelingt, die Hand wehtut und der Radiergummi ein Stückchen kleiner ist.

 

Christus, unsere „Vorlage zum Nachzeichnen“

Staunst du mit mir über die gnädige Wortwahl des Heiligen Geistes, als Er Petrus die Worte in 1. Petrus 2,22.23 eingab? Wenn es darum geht, dem Beispiel des großen Meisters zu folgen, sind und bleiben wir „Erstklässler“, Auszubildende im ersten Lehrjahr, Studenten im ersten Semester – nimm es, wie du willst. Das Vorbild des Herrn Jesus ist perfekt in jeder Hinsicht:

  • Der keine Sünde tat,
  • noch wurde Trug in seinem Mund gefunden,
  • der gescholten, nicht wiederschalt,
  • leidend, nicht drohte,
  • sondern sich dem übergab, der gerecht richtet.

Egal, an welcher Stelle wir den Bleistift ansetzen und versuchen, etwas von dieser Vorlage „nachzuzeichnen“ – wir bleiben Anfänger.

 

Keine Sünde und kein Trug

Die Sündlosigkeit des Herrn Jesus ist einzigartig und im absoluten Maß natürlich nicht zu „erlernen“, wobei die neue Natur, die Gott uns geschenkt hat, genau dadurch geprägt ist: „Der aus Gott Geborene tut nicht Sünde“ (1. Joh 3,9). Es bleibt aber dennoch das Ziel für unser praktisches Glaubensleben, dem Meister auch in diesem Punkt ähnlicher zu werden: Das bedeutet, ein Leben „in Christus“ zu führen, durch die Gemeinschaft mit Ihm, „Nein“ zur Sünde zu sagen und in immer mehr Lebensbereichen das zu tun, was Er tun würde. Das schließt dann auch den Bereich mit ein, in dem wir so oft versagen: Ein bisschen von der Wahrheit weglassen, damit die Aussage uns im besseren Licht dastehen lässt; oder umgekehrt: ein bisschen übertreiben, damit sich das Ergebnis unserer Arbeit besser anhört. Die Vorlage in unserem „Übungsheft“ zeigt: „kein Trug“, keine „halbe Wahrheit“, keine Übertreibung.

Lass uns den Bleistift nochmal anspitzen und ans Nachzeichnen gehen!

 

Keine fleischlichen Reaktionen

Wenn uns einer blöd anmacht oder sogar beschimpft, dann ist es doch unser gutes Recht, entsprechend zu antworten, oder?! Wir können dem anderen ja mal die Redensart „Wie man in den Wald hineinruft, so schallt ’s heraus“ erklären … vielleicht lässt er dann in Zukunft die blöden Sprüche. Wenn wir so unterwegs sind (und wer kennt das nicht?!), haben wir vergessen, was im Übungsheft bei Lektion 3 steht: „der gescholten, nicht wiederschalt“. Wie oft wurde unser Heiland beschimpft, geschmäht, verleumdet. Ein besonders krasses Beispiel findet sich in Johannes 8,41 – dort wagen es die Juden gegenüber dem Herrn Jesus zu sagen: „Wir sind nicht in Hurerei geboren.“ Sie wollen damit sagen: „Im Gegensatz zu dir!“ Eine schreckliche und böse Aussage gegenüber dem Sohn Gottes, dessen übernatürliche Zeugung durch den Heiligen Geist sie in den Dreck zogen. Aber wie reagiert der Herr? Er geht überhaupt nicht auf diese beleidigende Unterstellung ein, sondern sagt: „Wenn Gott euer Vater wäre, würdet ihr mich lieben“ (Joh 8,42). Welch ein beeindruckendes Vorbild ist Er!

Vielleicht betrifft dich auch der Inhalt der nächsten Lektion: Leiden, weil du an den Herrn Jesus glaubst. Auch wenn wir in den allermeisten Fällen nicht in der Position sind, denjenigen zu drohen, die uns durch Ausgrenzung, Verleumdung oder andere Angriffe leiden lassen, kann es doch sein, dass wir die „Faust in der Tasche“ ballen. Eine menschlich nachvollziehbare Reaktion, aber doch durch und durch fleischlich. Wie ganz anders zeigt sich unser Vorbild: Welches Maß an Leiden hat Er durch sündige Menschen erfahren und wie hätte Er ihnen (zu Recht) drohen können! In 1. Petrus 2,23 steht aber, dass Er „leidend, nicht drohte“. Ein Muster, das wir auf beinahe jeder Seite der Evangelien – insbesondere in den Stunden der Verhöre vor dem Kreuz – wiederfinden und das uns lebenslangen Lernstoff bietet.

Das Geheimnis für diese Haltung finden wir im letzten Teil dieser fünffachen Lektion: Der Herr Jesus übergab sich „dem, der gerecht richtet“. Er lebte in völligem Vertrauen auf seinen Gott – die bösen Verhaltensweisen der Menschen zu richten, war nicht sein Auftrag. Er war nicht gekommen, „damit er die Welt richte, sondern damit die Welt durch ihn errettet würde“ (Joh 3,17). Uns steht es erst recht nicht zu, ein Urteil über unsere Mitmenschen zu fällen – mögen sie sich auch noch so ungerecht und gemein uns gegenüber verhalten.

Studieren wir auch in der Frage, wie wir auf die Menschen um uns herum reagieren, immer wieder die Vorlage und lernen dabei Stück für Stück, die „Handschrift“ unseres Meisters nachzuahmen.

 

Übung macht den Meister

Ich nehme an, wir kommen zu demselben Schluss: Wir sind und bleiben Erstklässler im Blick auf die Nachahmung unseres perfekten Vorbilds. Das könnte uns möglicherweise entmutigen und deshalb folgen jetzt noch einige Ermutigungen:

  1. Es gibt wohl kaum eine größere Möglichkeit als in der ersten Klasse, Lernfortschritte zu erzielen. Man lernt Lesen, Schreiben, Rechnen und viele andere Dinge, die man dann ein Leben lang kann. So darf es auch bei uns sein: Wir lernen von unserem Meister und werden ein Leben lang immer mehr in sein Bild verändert.
  2. Es ist Gnade, dass wir immer wieder auf dieser einfachen Ausgangsstufe ansetzen dürfen: Ob ein paar Monate, Jahre oder Jahrzehnte in der Nachfolge des Herrn Jesus unterwegs – für jeden gibt es dieselbe „Vorlage zum Nachzeichnen“ und nicht plötzlich ein anderes Wort im Grundtext, das komplexes Vorwissen voraussetzt.
  3. Am Ende von 1. Petrus 2,21 „fehlt“ ein Wörtchen – und auch das ist Gnade: Dort heißt es nämlich, dass wir „seinen Fußstapfen nachfolgen“ sollen. Was dort nicht steht: „damit ihr in seinen Fußstapfen nachfolgt.“ Wir sehen die Spur seiner Füße, haben die Vorlage zum Nachzeichnen offen vor uns liegen. Aber der Herr sagt nicht zu uns: „So, ihr habt genau einen Versuch, um der Vorlage/den Fußstapfen exakt zu folgen.“

Da ist das perfekte Vorbild, die klar erkennbare Spur – und doch erwartet Er nicht sofortige Perfektion, sondern bereitwilliges Nachahmen und treues Lernen von Ihm.

Machen wir es den beiden Schülern nach, von denen uns zu Beginn des Johannes-Evangeliums berichtet wird!

„Und die zwei Jünger hörten ihn reden und folgten Jesus nach. Jesus aber wandte sich um und sah sie nachfolgen und spricht zu ihnen: Was sucht ihr? Sie aber sagten zu ihm: Rabbi (was übersetzt heißt: Lehrer), wo hältst du dich auf? Er spricht zu ihnen: Kommt und seht! Sie kamen nun und sahen, wo er sich aufhielt, und blieben jenen Tag bei ihm“ (Johannes 1,37-39).