Bibel praktisch

Selbstverleugnung – nein zu sich selbst sagen?

Eine junge Christin nahm einmal ein weißes Blatt Papier, schrieb nichts darauf, setzte aber ihre Unterschrift darunter. Den Rest des Blattes sollte Gott ausfüllen. Damit drückte sie aus, dass sie Gottes Willen annehmen würde, worin auch immer er bestehen würde ...

 

Als der Herr Jesus über die Kosten von Jüngerschaft redet, spricht Er einige wunde, unbeliebte Punkte an. Er macht klar, dass hingegebene Nachfolge sehr radikal ist – und gewiss kein Zuckerschlecken1.

Eine dieser Voraussetzungen, um ein treuer Jünger des Herrn zu sein, ist die Selbstverleugnung: „Wenn jemand mir nachfolgen will, verleugne er sich selbst und nehme sein Kreuz auf und folge mir nach“ (Mk 10,34).

Der unmoderne Ausdruck „sich selbst verleugnen“ bedeutet im Neuen Testament, dass man „seine eigenen Interessen unbeachtet lässt“2, dass man nein sagt zu sich selbst, dass man nicht widerspricht3. Andere zu verleugnen, wie Petrus den Herrn verleugnet hat, das fällt uns nicht schwer, aber nein zu sagen zu eigenen Interessen, ist das nicht zu hoch gegriffen?

 

Was motiviert einen zu einer solchen Radikalität?

Wie in jedem Lebensbereich steht und fällt auch eine hingegebene Jüngerschaft mit der Motivation. Wenn du Selbstverleugnung also deshalb gerne mehr praktizieren möchtest, weil es dieser Artikel sagt, weil du es dir ab jetzt fest vornimmst, weil das halt einfach dazugehört, wirst du nicht lange durchhalten. Letztendlich bringt uns nur ein Aspekt dazu, den ich „die Logik von Golgatha“ nennen möchte. Was hat es damit auf sich?

Paulus schreibt in Römer 12,1: „Ich ermahne euch nun, Brüder, durch die Erbarmungen Gottes, eure Leiber darzustellen als ein lebendiges, heiliges, Gott wohlgefälliges Schlachtopfer, was euer vernünftiger Dienst ist.“ Paulus Beweisführung zu einem selbstverleugnenden Lebensstil ist sehr überzeugend:

Die Motivation zu diesem Aufopfern sind „die Erbarmungen Gottes“. Paulus hatte in den Kapiteln zuvor ausführlich das Evangelium, die Heilswahrheiten, erklärt – nun sagt er praktisch: „Liebe Römer, kann es nach diesem Geschenk Gottes etwas anderes geben als ein Leben aus Dankbarkeit?“ Dank für Golgatha ist die Triebfeder hinter einem Leben der Selbstverleugnung! Dass wir aus Dankbarkeit für Golgatha dem Herrn unser Leben hingeben, ist „vernünftig“ bzw. logisch. Mit „vernünftig“ wird hier das griechische Wort logikos übersetzt, wovon unser Begriff „Logik“ abstammt. Kann etwas anderes vernünftiger, nachvollziehbarer oder verständlicher sein, als aus Dank für Golgatha für den Herrn zu leben? Folgendes Bild mag das verdeutlichen: Der Missionar J. Alexander Clark sah einmal, wie ein Löwe einen Afrikaner angriff. Er griff nach seinem Gewehr, tötete das Tier und brachte den Verletzten in ein Krankenhaus. Zwei Monate später – Clark saß gerade auf seiner Veranda – sah er auf einmal einen großen Zug von Vieh, Geflügel und Menschen mit dem geretteten Afrikaner an der Spitze. Dieser fiel zu Clarks Füßen nieder und sagte: „Sir, dem Gesetz meines Stammes zufolge gehört der Mann, der vor einem wilden Tier gerettet wird, nicht mehr sich selbst. Er gehört seinem Erretter. Alles, was ich habe, gehört Ihnen.“ Das ist Dankbarkeit für Befreiung.

 

Was beinhaltet Selbstverleugnung?

Selbstverleugnung ist jeder Faser unseres Menschseins zuwider. Unser Ich erschaudert bei diesem Gedanken. Unsere Gesellschaft propagiert Egoismus und wir selber merken, dass wir zur Selbstbestimmung neigen. Was ist nun genau Selbstverleugnung?

  • „Ihr seid nicht euer selbst“ (1. Kor 6,20): Der Herr hat uns erkauft und deshalb einen Besitzanspruch an uns. Wir gehören Christus, weshalb er Verfügungsgewalt über uns hat4.
  • „Nicht mehr lebe ich, sondern Christus lebt in mir“ (Gal 2,20): In jeder Seele gibt es sozusagen einen Thron. Natürlicherweise sitzt darauf das Ich. Doch wenn Christus in uns einzieht, führt das unweigerlich dazu, dass das Ich vom Thron gestoßen wird (das meint Selbstverleugnung) und sich der Herr Jesus daraufsetzt. Das Ich dankt gewissermaßen ab.
  • „Doch nicht, was ich will, sondern was du willst!“ (Mk 14,36). Der Herr selbst lebte Selbstverleugnung vollkommen vor: Sie beinhaltet die völlige Unterordnung des eigenen Willens unter den Willen Gottes. Vielleicht gibt es in deinem Leben eine Situation, bei der du zu 100% weißt, wie Gottes Wille aussieht, und du dennoch dagegen angehst? Setze Christus neu auf den Thron!
  • „Kinder, lasst uns nicht lieben mit Worten noch mit der Zunge, sondern in Tat und Wahrheit“ (1. Joh 3,18): An die Stelle der Eigenliebe tritt Liebe zu den Mitmenschen. Das kann manchmal demütigen und selbstlosen Verzicht auf persönlichen Vorteil oder Genuss bedeuten, um anderen zu helfen.
  • „Einen fröhlichen Geber liebt Gott“ (2. Kor 9,7): Neben Zeit und Energie können wir besonders im Bereich des Besitzes Selbstverleugnung praktizieren. Um bedürftige Geschwister zu unterstützen, ist es vielleicht einmal nötig, etwas von unserem Geld abzugeben.

 

Was bedeutet das für dein praktisches Leben?

Letztendlich sagt der Herr Jesus nicht explizit, in welcher Art und Weise wir unser Leben verleugnen sollen. Das würde schnell zu Gesetzlichkeit oder einer zwanghaften, aber herzlosen Hingabe führen. Nein, der Herr wünscht von uns, dass wir selbst sorgfältig prüfen, welchen Lebensbereich Er noch nicht bestimmt. Das kann unser Geld, Auto, Urlaub, Zeitplanung, Freizeitgestaltung, „Liebesleben“, Berufswahl, das können unsere Lebensziele und vieles andere sein.

Der Herr Jesus freut sich, wenn wir uns selbst verleugnen. Wir ehren Ihn dadurch, dass wir sagen: „Herr, du bist mir so wertvoll, dass ich dir gerne alles hingebe und mich an die zweite Stelle setze!“ Deshalb verspricht Er großen Lohn: „Denn wer irgend sein Leben erretten will, wird es verlieren; wer aber irgend sein Leben verliert um meinetwillen, wird es finden“ (Mt 16,25)!

 

„Und er ist für alle gestorben, damit die, die leben, nicht mehr sich selbst leben, sondern dem, der für sie gestorben und auferweckt worden ist“

2. Kor 5,15

 

„Herr, lass mich keinen eigenen Willen haben, noch lass mich mein wahres Glück auch nur ein wenig in der Abhängigkeit von etwas, was mir von außen her begegnen kann, sehen, sondern lass alles in mir mit deinem Willen übereinstimmen.“ (Henry Martyn; Missionar, der mit 31 Jahren in den kahlen Bergen der Türkei starb)

 


 1 Dennoch ist ein hingegebenes Leben das glücklichste, das wir Menschen führen können. Der Herr verheißt denen Lohn, die sich für Ihn aufopfern (s. z.B. Mk 10,28-30). Darüber hinaus verspricht keine andere Lebensführung eine solch intime Gemeinschaft mit dem Herrn Jesus.
2 Vine, Expository Dictionary of NT Words
3 Briem, Christian: Wörterbuch zum Neuen Testament
4 Dabei ist natürlich völlig klar, dass Christus nur das Beste mit uns im Sinn hat (vgl. 1. Mo 50,20).