Bibel praktisch

Die Arbeiter im Weinberg

lies dazu bitte:

Matthäus 20,1-16

Das Gleichnis von den Arbeitern im Weinberg hat sicher schon manches Unverständnis ausgelöst. Wie kann der Eigentümer nur solch eine Lohnpolitik betreiben? Arbeiten doch da ein paar Leute von früh morgens um 6.00 Uhr bis abends gegen 18.00 Uhr und bekommen den gleichen Lohn wie diejenigen, die nur eine Stunde dabei gewesen sind. Und zu allem Überfluss werden die auch noch zuerst entlohnt. Was für eine Willkür!?

So habe ich früher auch gedacht. Und deshalb ist es nötig, dass wir die Absicht Gottes kennenlernen. Was will Er uns mit dieser Geschichte sagen? Dazu ein Beispiel aus jüngster Zeit (ich schreibe dies, kurz nachdem die Grenzen zur DDR gefallen sind und die Mauer in Berlin durchbrochen ist): Da steht eine Reporterin vor einem Flüchtling, der ein Jahr zuvor unter Einsatz seines Lebens und im Kugelhagel der Volkspolizisten über die Mauer geklettert ist. Sie fragt ihn, ob er nicht Gedanken der Ungerechtigkeit empfinde, ob seine Heldentat jetzt nicht schnell in Vergessenheit gerät und ob er nicht neidisch auf seine Volksgenossen sei, denen die Freiheit jetzt so in den Schoß gefallen ist? Sie kann ihm nichts Negatives entlocken. Der Mann strahlt nur so über das ganze Gesicht. Er kann jetzt alle seine Bekannten, Freunde und Nachbarn wiedersehen. Was für eine Freude beseelt diesen Mann, der nur eins bedauert: dass es so lange gedauert hat.

Ein weiteres Beispiel: Es wird von einer Familie bei der Apfelernte erzählt. Die älteren Kinder haben sich einen Tag Urlaub dafür genommen, die mittleren helfen nach den Schularbeiten mit und die kleinsten werden ab und zu einmal hochgehoben, um einen Apfel zu pflücken. Abends gibt der Vater jedem 2,00 DM, bei den Kleinsten angefangen. Ist das nicht wieder ungerecht? „Nein“, sagen die Älteren. „Apfelpflücken macht doch Spaß, das sind die Äpfel für den Winter, und dass der Vater den Kleinsten das Geld zuerst gegeben hat, das hat er nur getan, damit wir an ihrer Freude etwas teilhaben können, bis wir selbst dran sind.“

Seht, in unserem Gleichnis ist das ähnlich. Es ist das Problem von Gesetz und Gnade. Petrus hatte das auch noch nicht richtig verstanden. Er sagte sinngemäß zum Herrn: „Wir haben doch wirklich eine Menge aufgegeben und wir wollen auch jetzt etwas dafür haben.“ Auch die Pharisäer dachten, das ginge so, wie an einem Automaten: Oben wird Geld eingeworfen und unten kommen die gewünschten Sachen heraus. Sie hatten nämlich ihr ganzes Leben lang die Gebote beobachtet – wie kann der Herr dann zu den Sündern und Zöllnern gehen und sie reichlich beschenken? Das hat sie ungemein gewurmt und geärgert. Und deshalb hassten sie den Herrn. Das ist der springende Punkt: Es geht um den Herrn. Dieser Gedanke wird wie eine Überschrift über unser Gleichnis gesetzt: Wenn ihr dies und das tut ... „um meines Namens willen“ (Mt 19,29). Darum geht’s. Tun wir es aus Liebe zu dem Herrn? Oder müssen wir erst übereinkommen mit dem Hausherrn, einen Arbeitsvertrag abschließen, die Lohnhöhe festlegen? Das wäre typisch für ein Leben unter dem Gesetz Moses.

Bei den späteren Arbeitern fiel die Vereinbarung schon weg, der Hausherr versprach ihnen nur einen gerechten Lohn. Aber bei den letzten wird nichts davon erwähnt; sie konnten froh sein, wenn sie überhaupt noch etwas Geld nach Hause brachten.

Aber bei diesen Leuten stimmte die Gesinnung. Sie standen gern im Dienst dieses Herrn. Ihre Freude erstickte jedes voreilige Aufrechnen, wer wohl mehr oder wer weniger bekommen könnte. Sie fürchteten auch nicht, dass die ersten wohl absahnen würden, nein, ihr Dienst war Ehrensache für den Hausherrn und das freute ihn, sodass er aus dem Reichtum seiner Gnade austeilte.

Mit vollem Bewusstsein gab der Meister den ersten Arbeitern das Geld zuletzt, denn sonst wären sie gleich nach Hause gegangen und die Diskussion hätte nicht stattgefunden.

Der Herr Jesus ist gnädig, das sollte auch Petrus erfahren. Denn auf seine Frage, welchen Lohn er für seine Nachfolge erhält, antwortet der Herr: Ihr werdet mit mir auf zwölf Thronen der Herrlichkeit im Reich sitzen (vgl. Mt 19,28). Stellt euch das vor: Die kurze Nachfolge hinter dem Herrn her wird so belohnt – tausendjährige Herrlichkeit! Unendlich viel mehr als was Petrus getan hat.

Wir sollten nicht gierig nach Lohn Ausschau halten, sondern unserem Herrn aus Liebe und mit frohem und glücklichem Herzen dienen. Dann werden wir ein unvermutetes Glück ernten, weit mehr als wir uns ausrechnen können. Denn die Gnade des Herrn kennt keine Grenzen. Warten wir’s ab.