Glaube im Alltag

Influencer – das will ich sein

Vor einigen Monaten war in einem christlichen Nachrichtenmagazin ein Bericht über zwei junge Christinnen zu lesen, die als erfolgreiche Influencer bekannt sind. Wie haben es die beiden geschafft, innerhalb kurzer Zeit mehr als 15 Millionen Abonnenten zu gewinnen, die ihnen auf den sozialen Netzwerken folgen? Am Anfang war es tatsächlich nur ein kurzes Video …

Die Medien haben die Gesellschaft stark verändert. Vor 25 Jahren wäre es noch undenkbar gewesen, dass „normale“ Teenies – also ohne besondere Vorzüge und Leistungen – weltbekannt werden und täglich Millionen von Menschen unterhalten.

Ob auf YouTube, Instagram, Snapchat oder TikTok: Influencer[1] sind die Stars der digitalen Welt. Auf ihren Kanälen berichten sie ihren (jungen) Fans von ihren Reisen oder ihrer Beziehung, sprechen über Mode oder geben Tipps zu Make-up und Gesundheit sowie Spiele und Sport. („Berichten“ und „sprechen“ heißt hier übrigens, Bilder oder Videoclips zu präsentieren.) Vielfach geht es auch um allerhand Belustigungen – letztlich um das, was gerne gesehen wird und sei es noch so flach. Moral spielt (fast) keine Rolle mehr.

Influencer werden …

Welche Qualitäten muss man haben, um Influencer zu werden? Da gibt es natürlich kein genormtes Anforderungsprofil, aber gewiss gehören dazu: gutes Aussehen, ausgeprägtes Selbstbewusstsein sowie Freude, sich selbst darzustellen. Nicht zuletzt ist die Überredungskunst eine willkommene Eigenschaft, die Marketingexperten nutzen, um ihre Produkte erfolgreich zu verkaufen.

… ist das weltlich?

Spätestens jetzt werden sich einige fragen, warum in dieser Zeitschrift solche weltlichen Dinge ausgebreitet werden. Bilder, Videoclips und Selbstdarstellung – befriedigt das nicht die Lust der Augen und den Hochmut des Lebens? Sollte man nicht vielmehr auf das gute Wort Gottes und auf den aufmerksam machen, der schöner ist als die Menschensöhne – unseren Erlöser und Herrn Jesus Christus? Unbedingt! Aber wenn wir mit den Trends unserer Zeit konfrontiert werden – und junge Leute leben nun einmal mitten in einer Medienlandschaft –, dann sind wir aufgefordert, alles das zu prüfen, was auf uns zukommt, und das Gute festzuhalten (1. Thes 5,21). Wir sollten verhindern, dass Phänomene dieser Welt zu Phänomenen der Christen werden!

Oder kann das auch christlich sein?

Die beiden erwähnten jungen Christinnen posten zwischen ihren Videoclips über alltägliche Dinge wie Pizzabacken oder über ihre kleinen Tänze (zu irgendwelchen Liedern) ab und zu auch einen Bibelvers. Sie wollen zu ihrem Glauben stehen und zeigen: Christsein – das ist doch megacool!

Erlöst zu sein und Vergebung der Sünden zu haben, ist wirklich ein Grund echter Freude (Lk 10,20). Aber ob es diese Freude ist, die das Glück der beiden Christinnen ausmacht, bleibt offen. Denn der Hinweis, dass sie kein christliches Video veröffentlichen möchten, lässt aufhorchen: Unter ihren „Followern“ seien auch Andersgläubige, sagen sie. Und diese wollen sie nicht irgendwie abschrecken oder den Eindruck vermitteln, dass ihr Glaube der richtige sei, und der Glaube der anderen falsch. – Da wundern wir uns nicht, dass sie lieber bei der Fernsehsendung „Verstehen Sie Spaß“ auftreten.

Christlich = biblisch?

Was man heute unter „christlich“ versteht, ist nicht zwingend biblisch. Die Bibel zeigt uns deutlich, welchen Status wiedergeborene Christen in dieser Welt haben: Sie gehören nicht zu ihr, sondern sind Fremdlinge. „Deswegen erkennt uns die Welt nicht, weil sie ihn [Christus] nicht erkannt hat“, heißt es  in 1. Johannes 3,1. Echte Jünger Jesu, die ihrem Herrn konsequent folgen (Stichwort „Follower“) und sich von Ihm und seinem „Lebensstil“ beeinflussen lassen (Stichwort „Influencer“), sollten sich keiner Illusion hingeben: Sie werden im Prinzip dasselbe erfahren wie ihr Herr, vielleicht nur in etwas anderer Form. Denn die Welt hat sich nicht geändert: Sie bemitleidet, ignoriert oder lehnt aktiv die Jünger Jesu ab. Wer also von der Welt gefeiert wird, muss sein Glaubensleben in Frage stellen.

Echte Jünger („Follower“) Jesu …

Der Herr hat einmal gesagt: „Wenn jemand mir nachkommen will, so verleugne er sich selbst und nehme täglich sein Kreuz auf und folge mir nach“ (Lk 9,23). Den zweiten Teil des Verses haben wir gerade kurz thematisiert. Wer damals im Römischen Reich ein Kreuz auf dem Rücken durch die Stadt trug, über den war das Todesurteil gesprochen. Der Her will also sagen, dass wir in seiner Nachfolge bereit sein müssen, Schmach vonseiten der Welt anzunehmen.

Doch was meint der Herr, wenn Er seinen Jüngern zur Bedingung macht, sich selbst zu verleugnen? Es bedeutet, Nein zu sich selbst zu sagen. Das heißt, wir nehmen uns selbst – die eigenen Wünsche und Vorstellungen – ganz zurück. Es geht dann nicht mehr um mich und meine Ehre, sondern allein um Ihn. Er hat das Sagen und Er soll geehrt werden. Mein Ego hat nichts mehr zu melden. Wenn ich Jesus nachfolgen möchte, muss ich mich selbst aufgeben.

Sich selbst zu verleugnen, widerspricht eindeutig dem allgemeinen Lebensstil von heute, nicht zuletzt auch vielen Selbstdarstellungen in den sozialen Medien. „Die Menschen werden selbstsüchtig sein“, hat Paulus im Blick auf die letzten Tage der Christenheit geschrieben. In dieser Zeit leben wir. Egoismus ist das erste Merkmal, das die Liste der Untugenden in 2. Timotheus 3 anführt, die für Jünger Jesu nicht in Frage kommen. Oder haben wir uns vielleicht schon an die eine oder andere Untugend gewöhnt beziehungsweise einige von ihnen übernommen?

… oder christliche Helden?

„Unser Erfolg ist ein Gottesgeschenk“ – so betrachten die beiden jungen Frauen ihre „Karriere“. Doch was steckt hinter dem Erfolg? Influencer beeindrucken dadurch, dass sie sich sowie ihre Ideen und Aktivitäten charmant präsentieren. Ziel ist, eine hohe Popularität („Anzahl der Aufrufe“) zu erreichen. Das zählt als erfolgreich. Welche Qualität die Inhalte haben, die gepostet werden, ist zweitranging und wird oftmals nicht mehr kritisch geprüft. Ob man nun Sender oder Empfänger von Botschaften „im Netz“ ist – wir müssen uns bewusst machen, welche Prinzipien den Trends zugrunde liegen. Wer sich christliche Inhalte zunutze macht, sollte sich nicht blenden lassen: Nur das, was Gottes Zustimmung hat, also in Übereinstimmung mit der Bibel ist und in der Gesinnung Jesu getan wird, hat Ewigkeitswert. Alles andere bringt uns geistlich nicht weiter und führt schlimmstenfalls von der Wahrheit weg.

Im Vergleich zu manchen „Aufsteigern“ von heute war der Apostel Paulus ein „Absteiger“. Er glänzte nicht mit seinen Stärken und geistlichen Erfolgen (wie viel hätte er davon berichten können!), sondern mit seinen „Schwachheiten“. Allein in seinem zweiten Brief an die Korinther finden wir drei Stellen, an denen er ausführlich über seine Leiden für Christus berichtet (Kap. 4; 6; 11). Das hatten die seine Briefempfänger aus dem Auge verloren: Diener Christi sind nicht zuerst an ihren sichtbaren Erfolgen zu erkennen und ihre geistliche Größe zeigt sich nicht in einem selbstbewussten Auftreten. Das erste Kennzeichen eines wahren Dieners ist das Ausharren in widrigen Umständen (vgl. 2. Kor 6,4). Selbst übernatürliche Ereignisse und Erlebnisse sind nicht zwingend Beweise der wirksamen Kraft Gottes; diese können auch durch andere Kräfte hervorgerufen werden. Dagegen ist man „zu allem Ausharren und aller Langmut mit Freuden“ nur in der Lage, wenn man „gekräftigt ist mit aller Kraft nach der Macht seiner Herrlichkeit“ (Kol 1,11).

Das Leben des Apostels Paulus könnte man mit 2. Korinther 11,33 zusammenfassen: „Ich wurde durch ein Fenster in einem Korb an der Mauer hinabgelassen und entkam ...“ Es ging ständig „hinab“. Gewiss, Paulus durfte einmal auch hoch aufsteigen, höher als alle anderen – bis in den dritten Himmel, ins Paradies (2. Kor 12,2.4) –, und der Herr war ihm auch mehrmals persönlich erschienen (vgl. Apg 18,9; 22,18; 23,11). Aber darüber berichtete er nur ungern, denn er wollte unbedingt vermeiden, dass jemand höher von ihm dachte als was für alle sichtbar und hörbar war (vgl. 2. Kor 12,6). Er rühmte sich lieber seiner „Schwachheiten“, denn sein Leben war gekennzeichnet von Mühe und Beschwerde, Armut und Sorgen. Selbst wenn er auf vielfache Weise Rettungen erlebt hatte, war es doch meist nur ein „Entkommen“. Und am Lebensende stand Paulus mehr oder weniger allein da, ohne Anerkennung vonseiten der Menschen, ohne große Beerdigung.

Anerkennung ja – aber von wem?

Paulus letzter Brief an Timotheus klingt alles andere als „megacool“. Doch war sein Leben nicht eine seltene Ausnahme? Gewiss, in mancher Hinsicht können wir uns nicht mit ihm vergleichen. Zudem leben wir heute in Europa in einer vergleichsweise toleranten Gesellschaft. Insofern ist das Leben als Christ nicht immer so hart, wie Paulus es erlebt hat. Aber eins ist wichtig für uns: Paulus war in seinem Dienst für den Herrn nicht etwa extrem und schon gar nicht hart gegenüber den Gläubigen. Sein Herz brannte für seinen Herrn. Christus sollte an seinem Körper erhoben werden (Phil 1,20). Zugleich drängte ihn „die Liebe des Christus“, um „jeden Menschen vollkommen in Christus darzustellen.“ Dazu setzte er sich mit aller Kraft ein (Kol 1,28.29). Doch niemals ging es ihm darum, Menschen zu gefallen. Da war er rigoros: „Wenn ich noch Menschen gefallen wollte, so wäre ich Christi Knecht nicht“ (Gal 1,10).

Bei aller Mühe und allen Enttäuschungen, die Paulus durchlebte, war er ein überaus glücklicher Mensch. „Allezeit uns freuend“, konnte er den Korinthern berichten (2. Kor 6,10). Er – und noch viel mehr unser Herr – hat in seinem Leben gezeigt, dass man einerseits der Unbeachtete und Verworfene sein kann und zugleich in der Liebe des himmlischen Vaters leben kann. Die Zustimmung unseres Herrn zu haben und mit seiner Freude völlig erfüllt zu sein, wiegt jeglichen Mangel an Anerkennung auf, den wir möglicherweise vonseiten der Menschen erleiden müssen.

Unser Ziel ist „der Kampfpreis der Berufung Gottes in Christus“ (Phil 3,14). Bald unseren Herrn zu sehen und dort zu sein, wo Er ist, in seiner Herrlichkeit, ist eine unfassbare Gnade! Da können wir getrost auf den Applaus der Menschen verzichten – so verlockend es auch sein mag, hier einige Hundert oder Tausend „Zuschauer“ zu haben.

Vom Follower zum Influencer

Johann Wolfgang von Goethe hat einmal gesagt: „Sage mir, mit wem du umgehst, so sage ich dir, wer du bist; weiß ich, womit du dich beschäftigst, so weiß ich, was aus dir werden kann.“

Goethe war ein gottloser Mann, doch diese Aussage enthält viel Richtiges. Die Person, mit der ich mich viel beschäftige, ist die Person, die mich stark beeinflusst. Wenn es bei mir der Sohn Gottes ist, der mir über alles wertvoll ist, werde ich in sein Bild verwandelt werden (2. Kor 3,18). Dann bleibt es nicht aus, dass ich zu einem Influencer werde – nicht für

  • Mode,
  • Kosmetik,
  • Was-auch-immer,

sondern für

  • den besten Herrn der Welt und
  • das großartigste Angebot der Welt.

Denken wir an die Thessalonicher: Sie waren Nachahmer („Follower“) und Vorbilder („Influencer“) zugleich. Das Erstaunliche dabei: Von ihnen aus ertönte das Wort des Herrn über Hunderte von Kilometern; „an jedem Ort“ war ihr Glaube an Gott ausgebreitet worden (vgl. 1. Thes 1,8) – damals sogar ohne Social-Media-Kanal!

 



[1] Für alle, die mit dem Begriff Influencer wenig anfangen können: Als Influencer (von englisch to influence ‚beeinflussen‘) werden seit den 2000er Jahren Personen bezeichnet, die aufgrund ihrer starken Präsenz und ihres hohen Ansehens in sozialen Netzwerken als Träger für Werbung und Vermarktung in Frage kommen (sogenanntes Influencer-Marketing). (Quelle: Wikipedia)