Bibelstudium

Das Buch Esther

Passend zum Schwerpunkt dieses Themenheftes „Frauen im Blickpunkt“, soll es in dieser kurzen Bibelarbeit um ein Buch gehen, das nach einer Frau benannt ist – das Buch Esther. Dieses Bibelbuch ist in mehrfacher Hinsicht ein besonderes Buch. Es hat eine interessante geschichtliche, eine wichtige prophetische und eine große praktische Bedeutung. Darüber hinaus weist das Buch Esther auf unseren Herrn Jesus Christus hin, den Retter seines Volkes. Das macht dieses Buch besonders wertvoll für uns.

Die geschichtliche Bedeutung

Geschichtlich führen uns die Ereignisse im Buch Esther in die Regierungszeit des Perserkönigs Ahasveros (Xerxes I.), der von 485-464 v. Chr. in Susa regierte. Allerdings ist die Bibel kein Geschichtsbuch, wie wir es aus der Schule kennen. Gott geht es vor allem um die Geschichte seines Volkes Israel und nicht um eine Aufzeichnung der Weltgeschichte.[1] Es beschreibt die Zeit zwischen der Rückkehr der Juden aus der Gefangenschaft in Babel unter Serubbabel/Jeschua und derjenigen Esras. Das ist die Zeit, die zwischen Esra 6 und 7 liegt. Nur im Buch Esther erfahren wir etwas über die Geschichte der Juden, die in der Zeit nach der ersten Rückführung in Babel blieben. Die Juden im Buch Esther waren nicht dem Ruf Gottes gefolgt, mit Esra und Serubbabel nach Jerusalem zurückzukehren (s. Esra 1 und 2). Die meisten von ihnen fühlten sich offensichtlich in Babel wohl und hatten wenig Interesse am Wiederaufbau des Tempels und der Stadt Jerusalem. Das erklärt die wohl auffälligste Besonderheit dieses Buches, dass der Name Gottes darin nicht genannt wird.[2]

Weil diese Juden sich nicht zu Gott bekannten, konnte Er sich nicht zu ihnen bekennen. Die äußere Beziehung zu Gott war gestört. Und doch war Gott gnädig und ließ diesen Teil seines Volkes nicht im Stich. Viele Einzelheiten im Buch Esther zeigen, dass Gott im Verborgenen die Fäden in der Hand hielt und alle Dinge zum Guten für sein Volk lenkte.

„Selbst wenn Gott sich verbirgt, wie im Buch Esther, fühlt man, dass Er die handelnden Personen auswählt, und man erkennt hinter der Szene den Meister, der in geheimnisvoller Weise das Vorbild der kommenden Ereignisse oder Persönlichkeiten zubereitet.“[3] 

 

Die prophetische Bedeutung

Das Buch Esther trägt einen prophetischen Charakter. In diesem relativ kleinen Buch ist die zukünftige Geschichte Israels vorbildlich zusammengefasst. Die fünf Hauptpersonen in diesem Buch zeigen die prophetische Bedeutung.[4]

  1. Der König Ahasveros weist hin auf die Allmacht und Größe Gottes, des Herrschers über die ganze Erde[5].
  2. Die Königin Vasti symbolisiert die untreue (Namens)Christenheit, die hier auf der Erde kein Zeugnis für Gott gewesen ist und daher in der Zukunft von Gott „abgesetzt“ werden wird (vgl. Off 3,16).
  3. Esther ist ein Vorbild auf den Überrest der Juden, den Gott in der Zukunft als seine irdische Braut annehmen wird.
  4. Mordokai ist ein schönes Bild des Herrn Jesus in seiner zukünftigen Herrlichkeit und Regierung als Sohn des Menschen.
  5. Haman, der Widersacher der Juden und Feind Mordokais erinnert an den Antichristen als ein Werkzeug Satans, der in der Endzeit die gottesfürchtigen Juden vernichten will, dann aber von Gott gerichtet werden wird (Off 19,20).

Ein Bibelausleger fasst die prophetische Bedeutung wie folgt zusammen:

„Die Begebenheiten im Buch Esther sind von höchstem Interesse für den Bibelleser, weil sie eine große prophetische Bedeutung enthalten. In diesem Buch schatten viele Dinge das Handeln Gottes mit den Juden voraus, nachdem die abgefallene Christenheit von ihm nicht mehr anerkannt wird. So wie Gott in jenen Tagen wirkte, um die Juden zu retten vor dem teuflischen Plan Hamans, sie umzubringen, wird er auch in der Zukunft (der großen Drangsal) den göttlichen jüdischen Überrest in der großen Verfolgung des Tieres und des Antichristen erretten. Am Ende ragt ein Mensch (Mordokai) über allen anderen heraus, dem Herrlichkeit und Ehre gegeben wird. Er ist ein Bild des Herrn Jesus Christus.“[6]

 

Die praktische Bedeutung
Im Buch Esther können wir auch viel für unser tägliches Christenleben lernen. Obwohl es ein altes Buch ist, spricht es aktuell in unser Leben hinein. Ein wesentliches Thema ist dabei die göttliche Vorsehung. Damit ist gemeint, dass der allwissende Gott alle Dinge so zustande kommen lässt, wie Er es will, ohne dass sein aktives Eingreifen erkennbar ist (vgl. Jes 46,10). Viele Details im Buch Esther zeigen das. Auch wir können sicher sein, dass der große Gott sich für jeden Einzelnen von uns interessiert, und dass Er selbst die kleinen Dinge unseres Alltags in seiner Hand hat und zu unserem Guten lenkt (Röm 8,28). Das macht Mut und hilft uns, Gottes Führung zu vertrauen – besonders dann, wenn wir in schwierigen Umständen Gottes Handeln nicht sofort erkennen und verstehen.

Neben dem Thema der Vorsehung Gottes, finden wir in den einzelnen Kapiteln viele weitere praktische Lektionen. Einige davon möchte ich stichpunktartig nennen:

  • Kap. 1,1-8: Ahasveros feiert ein Fest der Superlative. -> Wir leben heute in einer Spaßgesellschaft, in der es von einer Party zur nächsten geht. Machen wir da als Christen mit oder distanzieren wir uns davon (vgl. 1. Pet 4,3.4)?
  • Kap. 1,10: Der König steht unter Alkohol und will seine Frau „vorführen“. -> Für uns gilt: „Berauscht euch nicht mit Wein, in dem Ausschweifung ist, sondern werdet mit dem Geist erfüllt“ (Eph 5,18).
  • Kap. 1,12: Vasti weigert sich zum König zu kommen. -> Konflikte in der Ehe, auch in der oberen sozialen Schicht, sollten uns Christen fremd sein. Wir wollen beherzigen, wie Gott sich die Ehe vorstellt – Liebe und Unterordnung.
  • Kap. 2,8-11: Unter der Aufsicht Hegais bereitet Esther sich vor, um dem König zu begegnen. Mordokai lässt sie dabei nicht aus dem Auge. -> Der Herr Jesus ist ununterbrochen mit uns beschäftigt, damit wir unter der Leitung des Heiligen Geistes wachsen und eine geistliche Schönheit entwickeln, an der Gott Freude hat.
  • Kap. 2,12: Eine Auswahl von Mädchen musste sich einer einjährigen Schönheitskur unterziehen; eine Jungfrau sollte Königin werden. -> Für Gott ist die innere Schönheit wichtig (vgl. 1. Pet 3,3-5). Ihm zu gefallen, sollte uns unser ganzes Leben lang täglich beschäftigen. Da ist jede Zeit und Mühe gut investiert.
  • Kap. 3,1-6: Mordokai weigert sich, sich vor Haman, dem Amalekiter und Feind der Juden, niederzuwerfen. -> Sein Verhalten und sein Mut motivieren uns, gegen den Strom zu schwimmen. Nicht um einfach nur anders zu sein oder um andere zu provozieren, sondern um dem Herrn Jesus treu zu sein.
  • Kap. 4,4-17: Nach anfänglichem Zögern ist Esther bereit, ihr Leben aufs Spiel zu setzen und zum König zu gehen – aus Liebe zu Mordokai und zum Volk Gottes. -> Liegt uns das Wohlergehen der Gläubigen am Herzen? Stellen wir eigene Interessen zum Wohl anderer zurück?
  • Kap. 5,1-8: Esther geht mit einem königlichen Kleid bekleidet zum König und erlangt Gnade. -> Als gläubige Christen sind wir mit „Kleidern des Heils“ und dem „Mantel der Gerechtigkeit“ bekleidet (Jes 61,10). Wir sind „begnadigt [o. angenehm gemacht] in dem Geliebten“ (Eph. 1,6) und stehen in dem Wert der Person und des Opfers des Herrn Jesus vor Gott.
  • Kap. 6,1-11: Der König ehrt Mordokai, der einen Anschlag auf den König vereitelt hatte. -> Gott ehrt die, die Ihn ehren (1. Sam 2,30) – auch heute noch!
  • Kap. 7: Zwei Personen bekommen Mut zu einem Bekenntnis: Esther „outet“ sich und bekennt sich zu ihrem Volk (V. 3.4); der Hofbeamte Harbona wagt es, sich öffentlich auf die Seite Mordokais zu stellen (V. 9). -> Sind wir „U-Boot-Christen“, oder haben wir den Mut, uns vor anderen klar zu dem Herrn Jesus und zu seinem Volk zu bekennen? Das bewahrt uns vor vielen Problemen und ist sehr gesegnet.
  • Kap. 8,9-14: Die Eilboten des Königs müssen die rettende Botschaft für die Juden schnell verbreiten. -> Wir haben heute eine noch viel wichtigere Botschaft zu verbreiten. Wir sagen den Menschen, wie sie vor dem nahe bevorstehenden Gericht Gottes gerettet werden können.
  • Kap. 9,20-32: Mordokai ordnet Feiertage an, um sich immer an die Rettung zu erinnern. -> Unsere Errettung ist viel größer als die der Juden damals. Danken wir unserem Retter täglich dafür?
  • Kap. 10: Mordokai wird der zweite Mann nach dem König -> Heute ist der Herr Jesus auf der Erde noch verachtet.  Aber das wird nicht immer so bleiben. Einmal wird der Herr Jesus als König der König und Herr der Herren über die ganze Welt herrschen. Darüber können wir uns heute schon freuen.

 

Wir merken: Esther ist (nicht nur) ein Buch für Schwestern! Es lohnt sich, das Buch sorgfältig zu lesen und darüber nachzudenken.

 
Literaturempfehlungen

  • H. Rossier: Betrachtungen über die Bücher Esra, Nehemia, Esther; erhältlich beim Herausgeber von „Folge mir nach“
  • E.A. Bremicker: Einführung in das Buch Esther; auf www.bibelkommentare.de
  • B. Anstey: Das Buch Esther; auf www.haltefest.ch
  • G. Setzer: Ein Gang durch das Buch Esther; auf www.bibelstudium.de

 



[1] So wird z. B. der Krieg zwischen den Persern und den Griechen mit der berühmten Seeschlacht von Salamis im Jahr 480 v. Chr. nicht erwähnt. Dieser Krieg fand vom dritten bis sechsten Regierungsjahr Ahasveros‘ statt – eine Zeitspanne, die im Buch Esther übergangen wird (vgl. Kap. 1,3 und 2,16). Mordokai und Esther hingegen, die Hauptpersonen des Buches, werden in den weltlichen Geschichtsbüchern so gut wie nicht erwähnt.
[2]  Es finden sich auch keine Hinweise auf das Gebet und auf andere Dinge der jüdischen Ordnung, wie z. B. Opfer, Tempel, Priester und Propheten.
[3] H. Rossier: Betrachtungen über die Bücher Esra, Nehemia, Esther, S. 148. Ernst-Paulus-Verlag, 1985.
[4] Wer sich näher dafür interessiert, kann in den Literaturempfehlungen am Ende des Artikels gute Erklärungen dazu finden.
[5] Dass ein heidnische König auf Gott hinweist, ist nicht ungewöhnlich in der Bibel. So ist beispielsweise auch der Pharao in 1. Mose 41 ein Hinweis auf Gott und der König Kores ein Hinweis auf den Herrn Jesus (Jes 44,28; 45,1).
[6] B. Anstey: Esther, The Prophetic Interpretation