Jesus Christus

Kreuzige, kreuzige ihn!

Menschen schlagen zu

(Der Sohn des Menschen in den Händen von Sündern)

„Hosanna dem Sohn Davids! Gepriesen sei, der da kommt im Namen des Herrn! Hosanna in der Höhe!" (Mt 21,9) Keine sieben Tage ist es her, dass die Volksmenge dem Herrn Jesus auf seinem Weg hinauf nach Jerusalem zujubelte. Doch in dieser Nacht hängt knisternde Stimmung über der Stadt. Es ist die Nacht, in welcher der HerrJesus überliefert wird, in der die gefallenen Geschöpfe Hand an ihren Schöpfer legen ...

 

Seine Gefangennahme

Kampferprobte Männer eilten in der Dunkelheit mit Fackeln, Schwertern und Stöcken durch die Gassen Jerusalems. Im Auftrag der Hohenpriester, der Schriftgelehrten und der Ältesten des Volkes sind sie unter der Führung des Judas, der zu den zwölf Jüngern gehör­te, unterwegs hinaus zum Garten Geth­semane, der vor den Toren der Stadt liegt. Wie so oft in den vergangenen drei Jahren ist der Herr Jesus mit den übrigen Jüngern dorthin gegangen, um zu beten.

„Sei gegrüßt, Rabbi!", begrüßt Judas den Herrn und küsst ihn. Das verabre­dete Zeichen, um seinen Begleitern zu zeigen, wen sie verhaften sollen. Judas spricht den Herrn nicht als Herrn an. Er kann es nicht, denn er gehorcht einem anderen.

„Freund, wozu bist du gekommen!", erwidert der Herr den Gruß. Freund! Dieses Wort müsste Judas mitten ins Herz treffen, zur Besinnung bringen. Aber Judas zeigt keine Regung, sein Herz bleibt unberührt. Die Liebe zum Geld hat jede mögliche Zuneigung zum Herrn Jesus erstickt. Aus einem, der mit dem Herrn Jesus durchs Land zog, der Augenzeuge seiner Wunder­taten war, der gemeinsam mit den an­deren Jüngern die Worte der Gnade vernahm, die der Herr zu den Men­schen redete, ist ein Diener des Teu­fels geworden.

,Wen sucht ihr?", wendet sich der Herr Jesus an die schwer bewaffnete Menge. „Jesus, den Nazaräer", tönt es durch die Nacht. „Ich bin es!", gibt der Herr sich bereitwillig zu erkennen. Mit Schwer­tern und Stöcken sind sie ausgezogen, als ob Er ein Schwerverbrecher wäre. Doch diesem schlichten „Ich bin", die­sem das Wesen Gottes offenbarenden Namen, in dem sich seine Schöpferall­macht offenbart und mit dem Er sich schon Mose am Berg Horeb vorstellte (2. Mo 3,2.14), können sie nicht wider­stehen. Die kampferprobten Männer müssen zurückweichen und stürzen zu Boden.

Da geschieht das Unfassbare. Nen sucht ihr", fragt der Herr ein zweites Mal. Wieder antworten sie: „Jesus, den Nazaräer." Und jetzt antwortet der Herr nicht mehr in Macht, so dass sie ihr fin­steres Werk ausführen können. Aber nicht, ohne dass Er sich schützend vor seine Jünger stellt. ,Wenn ihr nun mich sucht, so lasst diese gehen!" Die Jünger nutzen die Gunst der Stunde und flie­hen, obwohl sie vorher alle vollmundig erklärt hatten, bei Ihm bleiben und mit Ihm sterben zu wollen. Doch daran denkt jetzt keiner mehr. Allein steht der Herr nun den Soldaten gegenüber. Grobe Hände packen zu, greifen und fesseln Ihn. Und der Herr Jesus — lässt es geschehen!

Vor dem Synedrium

Schon während des ersten Verhörs nach seiner Verhaftung im Haus des Annas, des Schwiegervaters des Hohenprie­sters Kajaphas, schlägt einer der Diener des Hohenpriesters dem Herrn Jesus ins Gesicht, weil ihm die Antwort des Herrn auf eine Frage des Hohenpriesters nicht passt. Wieder blitzt für einen kurzen Augenblick die göttliche Auto­rität des Herrn auf, als er den Diener fragt: „Wenn ich übel geredet habe, so gib Zeugnis von dem Ubel; wenn aber recht, warum schlägst du mich?"

Wir lesen von keiner Antwort. Statt­dessen berichtet uns Gottes Wort, dass sie den Herrn zunächst zu Kaja­phas, dem Hohenpriester, und von dort vor das Synedrium, das oberste Gericht der Juden bringen. Noch be­vor das Verhör beginnt, noch bevor die erste Anklage vorgebracht ist, steht das Urteil fest: Der Herr Jesus soll zum Tode verurteilt werden. An­klagepunkt für Anklagepunkt, Lüge auf Lüge bringen die Zeugen vor, aber nicht zwei Zeugen stimmen in ihren Aussagen überein. Doch ohne ein übereinstimmendes Zeugnis kann das Todesurteil nicht gefällt werden. Und der Herr — schweigt zu all diesen ge­meinen Lügen.

Da tritt der Hohepriester vor und for­dert den Herrn auf, ihm zu sagen, ob Er der Christus sei, der Sohn Gottes. „Du hast es gesagt", bestätigt der Herr, denn zu dieser Wahrheit kann Er nicht schweigen.

Obwohl die Anweisungen Gottes es Ihm verbieten (vgl. 3. Mo 10,6), zer­reißt der Hohepriester seine Kleider und bezichtigt den Herrn der Got­teslästerung. „Was brauchen wir noch Zeugen? Siehe, ihr habt die Läste­rung gehört. Was meint ihr?", ruft er dem versammelten Synedrium zu. Das Urteil ist einhellig: „Er ist des Todes schuldig!' Nicht genug, dass sie dieses böse Urteil fällen, scheuen sich die höchsten Richter der Juden nicht, dem Herrn ins Gesicht zu spucken, das Zei­chen höchster Verachtung. Und der Herr Jesus — wendet sein Gesicht nicht ab.

Dann werfen sie dem Herrn ein Tuch über den Kopf, damit Er nichts mehr sehen kann. Scheinbar wehrlos steht der Herr da, als sie Ihm ins Gesicht schlagen. „Weissage, Christus, wer ist es, der dich schlug!", fordern sie Ihn voller Vermessenheit heraus. Glauben sie wirklich, der Herr wüsste es nicht? Doch, der Herr Jesus weiß es, aber — er schweigt und lässt sich schlagen!


Im Prätorium1

Es folgt das erste Verhör durch Pilatus, an dessen Ende der Statthalter des rö­mischen Kaisers den Juden bezeugt, keine Schuld an dem Herrn Jesus zu finden, schon gar keine, welche die To­desstrafe verdiente. Doch die Ankläger lassen nicht locker: „Er wiegelt das Volk auf, indem er durch ganz Judäa hin lehrt, angefangen von Galiläa bis hierher!"

Da sendet Pilatus den Herrn zu Hero­des. Der freut sich sehr darüber, denn er hatte schon viel über den Herrn ge­hört und hoffte, dieser würde in seiner Gegenwart ein Wunder tun. Herodes befragt den Herrn mit vielen Worten, doch der Herr antwortet nicht. Durch die heftig vorgetragenen Beschuldi­gungen angestachelt und enttäuscht, weil die Hoffnung auf ein Wunder sich nicht erfüllt, fallen Herodes und seine Kriegsleute über den wehrlosen Mann her und treiben ihren Spott mit Ihm. „Geringschätzig behandelt und ver­spottet!' Die Worte klingen so harmlos, mit denen Gottes Wort davon berich­tet, und doch werden es unvorstellbare Grausamkeiten gewesen sein, die der Herr dort erduldet hat.

Es geht zurück zu Pilatus, der Ihn er­neut verhört. Wieder bezeugt er, keine Schuld an dem Herrn zu finden. Die Hohenpriester und die Ältesten des Volkes reizt das nur noch mehr. Sie sta­cheln die Volksmengen auf, die dieses unwürdige Schauspiel verfolgen, den Tod des Herrn und die Freilassung eines Mannes von Pilatus zu fordern, der nachweislich ein Mörder und der Drahtzieher eines Volksaufstandes war.

Doch Pilatus scheint dem Druck der Menge standzuhalten. Von der Schuld­losigkeit des Angeklagten überzeugt, versucht er, den Herrn freizulassen, weiß er doch, dass sie Ihn aus Neid überlieferten. Da greifen die Führer der Juden zu einer gemeinen List: ,Wenn du diesen frei lässt, bist du kein Freund des Kaisers" ( Joh 19,12). Für Pilatus würde das bedeuten, seine berufliche Karriere aufs Spiel zu setzen. Diesen Preis will er nicht bezahlen. So fällt er das Todesur­teil über den Schuldlosen und übergibt ihn seinen Truppen, um es zu vollstre­cken.

Die römischen Soldaten nehmen den Herrn mit in das Prätorium. Sie flechten eine Krone aus Dornen, längere Dornen mit Widerhaken, die sich in der Haut festkrallen. Nicht genug damit, dass sie Ihm diese Krone auf den Kopf setzen, sie schlagen auch noch mit einem Rohr­stab darauf. Dazu werfen sie Ihm einen Purpurmantel um, fallen vor Ihm auf die Knie und verhöhnen Ihn: „Sei gegrüßt, König der Juden"

Doch die Römer verspotten den Herrn nicht nur. Auch sie schlagen erbar­mungslos zu. Immer und immer wieder werden die Geißeln — Lederriemen, in die Knochensplitter als Widerhaken geknotet sind — auf seinen Rücken ge­schlagen. „Pflüger haben lang gezogen ihre Furchen", hatte der Psalmist pro­phetisch über diese Tortur gesagt (Ps 129,3). Wieder spucken Menschen dem Mensch gewordenen Sohn Gottes ins Gesicht. Und der Herr Jesus — wen­det sein Gesicht auch jetzt nicht ab und gibt seinen Rücken den Schlägen preis.

Auf Golgatha

Schließlich hängt der Herr am Kreuz von Golgatha, seine Hände und Füße von Nägeln durchbohrt. Nach all den unvorstellbar grausamen körperlichen Misshandlungen schlagen die Men­schen den Herrn nun auch noch mit ihren Worten: „Steige herab vom Kreuz und wir wollen an dich glauben!' Und der Herr — lässt diese Provokation un­beantwortet. Wir alle wären sonst für ewig verloren.

„Er vertraute auf Gott, der rette ihn jetzt, wenn er ihn begehrt; denn er sag­te: ich bin Gottes Sohn.", fordern sie Ihn in grenzenloser Überheblichkeit weiter heraus. Wenn im Alten Testament Gott und seine Ehre angegriffen wurden, hat Gott nie dazu geschwiegen. Aber jetzt, wo sein Sohn so von den Menschen verhöhnt wird, schweigt Gott. Ahnen wir, was das für den Vater und den Sohn bedeutete?

Und wir heute?

Streben nach (noch) mehr Geld, Neid, Egoismus, Überheblichkeit und was sonst noch die Menschen getrieben ha­ben mag, Hand an den Herrn Jesus zu legen — ist uns das wirklich unbekannt? Oder haben solche Motive auch in un­serem Leben bisweilen die Oberhand gewonnen und die Liebe zu unserem Erlöser Jesus Christus erkalten lassen? Wir wollen den Herrn um die richtige Antwort unserer Herzen auf seine Lei­den bitten — aus Dankbarkeit für Gol­gatha.

 

Fußnoten 

1 Mit Prätorium ist hier der Dienstsitz des römischen Statthalters in Jerusalem gemeint (siehe Markus 15,16)