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Burnout

Ex-Fußballnationalspieler Sebastian Deisler und Oliver Kahn, Trainer Ottmar Hitzfeld, Skispringer Sven Hannawald, Politiker Matthias Platzeck, Sängerin Mariah Carey – sie alle haben eins gemeinsam: Sie hatten – teils in jungen Jahren – einen „Burnout“. Und mit ihnen weitere mutmaßlich 300.000 Menschen in Deutschland, die nicht so bekannt sind. Viel mehr Menschen (man spricht von 15% der Bevölkerung) kennen zumindest das Gefühl, „nicht mehr zu können“, ausgelaugt zu sein. Du auch?

I. Was ist ein Burnout?

Mit „Burnout“ bezeichnet man landläufig den Zustand, wenn man sich geistig/seelisch verausgabt hat; wenn der innere „Akku“ leer ist. Offiziell wird der Burnout definiert als „Ausgebranntsein, Zustand der totalen Erschöpfung“. Er ist im medizinischen Sinne keine Krankheit 1 . Ist das ein Thema für Folge mir nach - Leser? Es ist aus dem Leserkreis gewünscht worden. Wir haben auch den Eindruck, dass das Thema schon seit Längerem um sich greift – in einer Welt, die zunehmend „selbstsüchtig, geldliebend, prahlerisch …“ wird (2. Tim 3,1 ff.), und von der gläubige Christen nicht unbeeinflusst bleiben. Und die jungen Leser, die noch keinen Beruf haben, in dem ein Burnout drohen könnte, möchten sicherlich die Weichen von vornherein richtig stellen …

Ausgebranntsein ein Zustand

Ein Burnout zeigt sich üblicherweise in verschiedenen Bereichen eines Menschen:

  • Körper: Verspannungen, Kopfschmerzen, Schlafstörungen, Kreislaufbeschwerden, Verdauungsprobleme;
  • Geist: Konzentrationsschwierigkeiten, Entscheidungsschwäche, geringe Belastbarkeit;
  • Seele: Nervosität, geringes Selbstwertgefühl, „Null Bock“Stimmung, Frust, Zynismus/Pessimismus;
  • Verhalten: keine Rücksicht auf sich selbst, wenig Kontakt zu anderen, evtl. Alkoholkonsum und andere Süchte.

Ausbrennen – ein Prozess

Zu dem Zustand des Ausgebranntseins führt ein Prozess des Ausbrennens. Bei diesem Prozess unterscheidet man häufig 7 Phasen:

  1. „Hans Dampf“: Begeisterung für die Arbeit kippt um in Unentbehrlichkeit, Überstunden, Verleugnung eigener Bedürfnisse; erste Erschöpfungsreaktionen/ nervliche Überreaktionen;
  2. „Arbeitsfalle“: Die Arbeit erfüllt nicht die Erwartungen; mangelnde Anerkennung beeinträchtigt Engagement, man wird zynisch; mehr Aktivitäten außerhalb des Berufs, Konzentration auf den eigenen Nutzen;
  3. „Gefühlschaos“: Selbstmitleid, Humorlosigkeit, Pessimismus gehen einher mit Reizbarkeit, Schuldzuweisungen an andere oder „das System“;
  4. „Talfahrt“: Leistungsfähigkeit lässt nach; Antrieb, Kreativität, Abwägungs- und Entscheidungsfähigkeit gehen verloren;
  5. „Null Bock“: Beziehungen zu anderen werden immer weniger; „Lass-michin-Ruhe“-Haltung bzw. innerliches „Herunterregeln“, stumpfes „Funktionieren“;
  6. „Körper-Rebellion“: Psyche schlägt auf Körper durch: ernste psychische oder psychosomatische Beschwerden (Verspannungen, körperliche Ermüdung, Schlafstörungen, Erholungsunfähigkeit, häufige Infektionen, Magen-Darm-Störungen, Angststörungen), evtl. Griff zu Drogen;
  7. „Alles schwarz“: Krise und Zusammenbruch; Depression 2 , tiefe Verzweiflung, Selbstmordgedanken/absichten.

Ausbrenner verschiedene Persönlichkeiten

Ausbrenner leiden in der Regel unter Stress. Vielleicht kommt zu dem primären, durch das Tätigkeitsumfeld verursachten Stress noch der „sekundäre Stress“ hinzu: Hilflosigkeit, Ausgeliefertsein, fehlende Unterstützung/ Beachtung durch andere. Es gibt

  • „passive Ausbrenner“, die unter hohem Arbeitsdruck „verbraucht“ werden. Das geschieht umso eher, je weniger Positives man mit der Arbeit verbindet, wenn zwischenmenschliche Probleme mit Vorgesetzten oder Kollegen hinzukommen.
  • „aktive Selbstverbrenner“, die vielleicht zu hohe Erwartungen an das Arbeitsergebnis haben – nicht nur an das „Produkt“, sondern an Zufriedenheit, Geborgenheit, Selbstbestätigung usw. Sie erwarten damit vom Arbeitsleben Dinge, die dieser Lebensbereich gar nicht liefern muss. 

II. Typische Ursachen

Ein Burnout hat meist mehrere Ursachen. Man kann unterscheiden zwischen äußeren Antreibern, die aus dem (Arbeits-)Umfeld einwirken und inneren Antreibern aus meiner Persönlichkeit und meiner Haltung gegenüber meinem Umfeld.

1. Äußere Antreiber

Ein Baustein eines Burnout sind „äußere Antreiber“ aus dem (beruflichen) Umfeld.

  • Größenordnungsmäßig 40% der Burnout-Fälle ereignen sich in „Helfer-Berufen“, 30% bei Lehrern, 10% in der Verwaltung, die übrigen 20% in anderen Bereichen.
  • In der Kranken-, Alten- oder Behindertenpflege arbeitet man z.B. unter immer höherem unternehmerischem Druck, es gibt viel Verantwortung, wenig Spielraum, und es gibt enge und durchaus belastende persönliche Beziehungen zu den betreuten Menschen. Ähnliches gilt für viele andere soziale Berufe, und nicht weniger auch für die Tätigkeit als Mutter.
  • Die „Managerkrankheit“ erleben zunehmend auch Menschen, die – z.B. in Wirtschaftsunternehmen oder in der Öffentlichkeit – viel Verantwor tung tragen und großem Stress ausgesetzt sind.
  • Ein solch „forderndes Umfeld“ gibt es nicht nur in den Führungsetagen, sondern häufig gerade in den ersten Berufsjahren wird voller Einsatz gefordert, Überstunden, Wochenendeinsätze …

Das Tätigkeitsumfeld: fordernd oder verführerisch

Diese äußeren Antreiber sind fordernd, aber auch verführerisch. Fordernd, weil der Arbeitgeber, das „System“, mit Druck, Ansprüchen und Anforderungen an die Mitarbeiter herantritt. Das kann für den Mitarbeiter auch verführerisch sein.

  • Herausforderungen stellt sich mancher Berufsanfänger gern. Engagement und Leistung sollten doch für einen „guten Christen“ keine Fremdworte sein!? Vielleicht beginnt man, der Arbeit oder dem Arbeitgeber bald den ersten Platz einzuräumen, will dazugehören und vielleicht „groß werden“. Die Erwartungen des Arbeitgebers und die eigenen Ansprüche schaukeln sich bald gegenseitig hoch.
  • Andererseits: Wo der Beruf von zwischenmenschlichen Beziehungen geprägt ist, möchte man sich nicht auf das Fachliche beschränken. Als Christ hat man doch ein „BeziehungsPlus“ zu bieten, kann eine seelische und möglichst auch geistliche Beziehung aufbauen!? Schnell geht es einem in erster Line um Leistung, gute Beziehungen zu Patienten/Mandanten, Anerkennung …

2. Innere Antreiber

Das Arbeitsumfeld ist nur ein Faktor unter mehreren. Wenn man von der Gefahr eines Burnout spricht, geht es auch um die Persönlichkeit des Betroffenen. Von einem Burnout betroffene Persönlichkeiten kann man in vielen Schubladen suchen. Da sind

  • Idealisten, die alle ihre Energie für die „gute Sache“ verwenden;
  • „Beziehungsmenschen“, die mit Leib und Seele in den Beziehungen zu den Menschen leben, mit denen/für die sie arbeiten;
  • Perfektionisten, die ihre Tätigkeit stets 120%ig erledigen wollen;
  • Karrieristen, die ihre Befriedigung in beruflicher Anerkennung und Aufstieg suchen.

Was treibt mich an?

Um einen Schritt tiefer zu gehen, kann man sich die Frage stellen: Was treibt mich im Beruf an?

  • Strebe ich im Beruf nach Anerkennung? Dann werde ich viel, vielleicht zu viel leisten.
  • Strebe ich nach Zuneigung? Dann werde ich anderen viel helfen und meine Seele, mein „Herzblut“ einsetzen.
  • Strebe ich nach Verantwortung? Dann werde ich mich unverzichtbar machen statt zu delegieren.
  • Strebe ich nach Konkurrenz, Herausforderung? Dann werde ich vielleisten und mir negativen Stress im Zwischenmenschlichen machen.
  • Ganz allgemein: Strebe ich im Beruf nach Befriedigung oder Erfolg? Dann laufe ich Gefahr, mein Leben nach meinen Zielen im Beruf auszurichten und nicht nach dem Herrn.

Um diese Fragen beantworten zu können, braucht man Abstand zum Geschehen. Diesen Abstand erhält man durch eine Burnout-Krise – oder man sucht ihn besser selbst, bevor es dazu kommt.

Geistliche Gefahren

Die obigen Fragen zielten auf meine grundsätzliche Haltung und Motivation im Berufsleben. Von einer anderen Seite betrachtet, kann man sich auch gegen konkrete geistliche Gefahren wappnen:

  • Wer gute Arbeit leistet, ist in Gefahr, eingebildet und hochmütig zu werden oder auf (scheinbar) weniger Leistungsstarke hinabzuschauen.
  • Wer Verantwortung trägt, ist in Gefahr, sich für unverzichtbar zu halten, (zu Lasten von anderen) über sein Maß hinauszugehen und andere Verantwortungsbereiche (Geistliches, Persönliches, Familiäres) zu vernachlässigen.
  • Wer Anerkennung bekommt, ist in Gefahr, sein Herz daran zu hängen und aus seiner Tätigkeit und ihren Erfolgen eine Selbstbestätigung zu suchen, die stattdessen nur von Gott und aus Gnade kommt.
  • Wer für seine Arbeit bezahlt wird, ist in Gefahr, um des Materiellen oder des Status’ willen zu arbeiten und geld- oder ehrliebend zu werden.

III. Das Gegenmittel: Meine innere Einstellung

Wie kann man mit den diesen äußeren und inneren Antreibern umgehen, wie kann man sich wappnen? Zunächst ist richtig: Dem Lohn geht die Arbeit voraus, und die soll so erledigt werden, dass der Arbeiter sich bewährt und sich nicht zu schämen braucht (so zieht Paulus eine Parallele zwischen irdischer und geistlicher Arbeit, vgl. 2. Tim 2,6.15). Ein forderndes Arbeitsumfeld und meine Leistungsbereitschaft birgt aber auch geistliche Gefahren.

Der entscheidende Schlüssel liegt in meiner Einstellung. Sie muss von Gott durch sein Wort „geeicht“ sein. Eine Folgefrage ist dann die Umsetzung, damit werden wir uns unter dem Stichwort „Zeitmanagement“ im übernächsten Heft beschäftigen. Eine Grenze, das absolute „Zuviel“ gibt es nicht, aber die richtige Einstellung wird helfen: „Was irgend ihr tut, arbeitet von Herzen, als dem Herrn und nicht den Menschen“ (Kol 3,23; Eph 6,5 ff.). Diese Aufforderung gilt für jegliche Arbeit, in Schule und Beruf, in Familie und Haushalt, wie auch im geistlichen Bereich.

  • Von Herzen: Ein Christ arbeitet nicht nur zum Geldverdienen, sondern soll mit dem Herzen bei der Sache sein. Sein Herz ist allerdings ein erneuertes Herz, es sollte frei sein von persönlichem Ehrgeiz, Karrierestreben oder Konkurrenzdenken.
  • Als dem Herrn: Ein Christ soll so arbeiten, als sei der Herr Jesus sein direkter Chef. Dadurch bekommt jede irdische Tätigkeit eine geistliche Dimension. Die Hausaufgaben, das Werkstück, der Hausputz und die Gute-Nacht-Geschichte: Es ist Arbeit, die unter den Blicken des Herrn und für Ihn getan wird. Aber Jesus ist auch der Herr über meine anderen Lebensbereiche, außerhalb des beruflichen Umfelds. Er bestimmt das Maß für jeden Teilbereich und wird nicht auf Dauer verlangen, dass mein Engagement z.B. im Arbeitsleben auf Kosten der anderen Verantwortungsbereiche geht. „Trachtet zuerst nach dem Reich Gottes“, nicht nach dem Irdischen (Mt 6,33).
  • Nicht den Menschen: Auch wenn ein Christ seinen Arbeitgeber unumschränkt respektiert, ist es doch nicht sein Ziel, den Menschen, für die er arbeitet, zu gefallen. Er arbeitet ja für seinen himmlischen Herrn. Das sichert ihm eine gesunde Distanz, bewahrt ihn vor falsch verstandener Loyalität, vor dem Streben nach Anerkennung und damit vor innerer Abhängigkeit und äußerer Ausnutzung.

IV. Burnout was nun?

In diesem Beitrag ging es nicht um die medizinische oder psychologische Behandlung eines Burnout-Syndroms. Wer einen Burnout hat oder befürchtet, daran zu leiden, sollte einen Arzt aufsuchen. Häufig ist eine Auszeit nötig, vielleicht auch eine medikamentöse Behandlung und Therapie. Wer jemanden in der Gefahr eines Burnout sieht, sollte dies offen ansprechen, durchaus beharrlich bleiben und durch „Aha-Erlebnisse“ (z.B. in Aktivitäten bestärken, die Entspannung und Freude bringen) Einsicht schaffen.

Hier ging es darum, über die Gefahren eines Burnout zu informieren und einige Aussagen der Bibel heranzuziehen, die helfen können, einem Burnout vorzubeugen. Der Schwerpunkt lag auf der inneren Einstellung zu der Tätigkeit, die die Belastungen verursacht. Hierin liegt der Schlüssel. Ein anderer, ergänzender Ansatz ist das Zeitmanagement. Das ist die Schnittstelle zwischen meinem fordernden Arbeitsumfeld, meinen übrigen Verantwortungsbereichen und meiner Person. Hierzu sollen in einem dritten Beitrag einige Hinweise anhand der Bibel folgen.

Im nächsten Heft

… werden wir uns speziell mit dem Burnout bei geistlichen Tätigkeiten beschäftigen. Wie ist es zu bewerten, wenn jemand sich in seinem Dienst für den Herrn verausgabt, und wie kann man dem vorbeugen?

Buchempfehlung:

M. Grabe, Zeitkrankheit Burnout, Frankke 2005 (kann über den Herausgeber von „Folge mir nach“, siehe Impressum, bezogen werden)

Thorsten Attendorn

Fußnoten

1 Der Burnout ist nach ICD Z73.0 als „Einflussfaktor“ klassifiziert, nicht als „Krankheit“ oder „Syndrom“. Eine festgelegte Diagnostik existiert nicht. Es gibt 132 Symptome, an denen man einen Burnout feststellen kann, von denen keines spezifisch ist. In der Praxis gibt es deshalb eine große Bandbreite von Erscheinungsformen, Diagnosen und Therapien.

2 Ein Burnout kann zu einer Depression führen, ist aber nicht dasselbe. „Depressive leiden am vermeintlich Unabänderlichen, Ausbrenner kämpfen um einen Ausweg aus der Falle“.