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Burnout

Hunderttausende haben schon einen Burnout gehabt, viel mehr Menschen kennen zumindest das Gefühl, „nicht mehr zu können“. Das kann nicht nur im beruflichen Umfeld geschehen, sondern auch im Dienst für den Herrn. Wie kann das sein, und wie geht man damit um?

Ausgebrannt im Dienst für den Herrn?

Im vorigen Artikel haben wir gesehen, dass ein Burnout meist mehrere Ursachen hat. Zu äußeren Antreibern (ein forderndes, aber auch verführerisches Tätigkeitsumfeld, das mich unter Druck setzt) gesellen sich häufig innere Antreiber (meine Persönlichkeit, die mich antreibt zur Leistung, zur Arbeit mit „Herzblut“ usw.). Das gilt auch in einem besonderen Fall des Burnout: Beim Burnout im Dienst für den Herrn.

Als gläubige Christen sind wir auch im Beruf, in Ehe und Familie im Reich Gottes und dienen darin dem Herrn. Aber der engere Bereich des Werkes des Herrn (evangelistische Arbeit, seelsorgerliche Kontakte, allgemeine Aufgaben unter den Glaubensgeschwistern) ist eine gesonderte Betrachtung wert. Da müssen wir nicht nur an vollzeitige Diener Gottes denken, die ihren irdischen Beruf aufgegeben haben. Ins Werk des Herrn ist jeder Gläubige berufen, er soll darin „überströmend“ sein (1. Kor 15,58), und so kann es (gerade) auch bei Gläubigen, die eine intensive geistliche Arbeit neben dem Beruflichen leisten, die Gefahr eines Burnout geben. Und die Erfahrung zeigt, dass das nicht nur bei Älteren so ist …

Die nachfolgenden Gedanken sollen nicht bremsen, demotivieren oder gar Untätigkeit im Reich Gottes unterstützen; sie sollen helfen, besonnen zu sein und den Dienst mit der Motivation und in dem Maß zu tun, wie der Herr es will. Vorweg sei gesagt, dass es zu dem Dilemma zwischen Tätigkeit und Ruhe, zwischen Nahrung geben und empfangen, zwischen Leistungsbereitschaft und gesundheitlichen Grenzen, zwischen Hingabe an den Herrn und menschlichen (auch eigenen) Bedürfnissen keine „einfache“ Anleitung gibt. Es ist ein Dilemma, eine Spannung, die der Herr nicht einfach auflöst. Aber vielleicht können ein paar Anregungen zum Nachdenken helfen.

Auch im Werk des Herrn gibt es äußere und innere Antreiber

Auch im Dienst für den Herrn gibt es die Mechanismen von äußeren und inneren Antreibern, die jemanden zu einem Burnout treiben können, wenn er nicht rechtzeitig Vorsorge treibt.

Äußere Antreiber

Auch im Dienst für den Herrn gibt es äußeren Druck. Er kann aus ganz unterschiedlichen Quellen und in ganz unterschiedlicher Form kommen:

Bedürfnisse:

Wer mit offenen Augen durch die Welt geht, sieht auf Schritt und Tritt geistliche Bedürfnisse. Bei Ungläubigen: Das Heil.

Bei Gläubigen: Hilfe zum geistlichen Wachstum, zum Umgang mit geistli chen Problemen, usw. In der Familie, in der Gemeinde, im irdischen Lebensumfeld. Wer bereit ist, sich vom Herrn in seinem Reich gebrauchen zu lassen, kann unter Druck geraten, allen diesen Bedürfnissen nachkommen zu wollen. Ist das alles meine Verantwortung? Hat eigentlich auch mein Vorbild, der Herr Jesus selbst, jedem Bedürftigen geholfen?

Gelegenheiten:

Wer für den Herrn tätig sein will, wird viele Gelegenheiten dazu finden. Ist eigentlich jede „offene Tür“ vom Herrn geöffnet worden? Und: Ist sie für mich geöffnet worden?

Erwartungen:

Die „Bedürftigen“, aber auch andere können die Erwartung haben, dass wir uns in bestimmte  Weise im Werk des Herrn betätigen. Ersetzt dieser menschliche Ruf wirklich die Berufung und Beauftragung durch den Herrn?

Innere Antreiber

Im Dienst für den Herrn kann es im Prinzip dieselben inneren Antreiber geben wie im beruflichen Leben. Ich zitiere deshalb bewusst noch einmal aus dem vorigen Beitrag:

  • Wer gute Arbeit leistet, ist in Gefahr, eingebildet und hochmütig zu werden oder auf (scheinbar) weniger Leistungsstarke hinabzuschauen.
  • Wer Verantwortung trägt, ist in Gefahr, sich für unverzichtbar zu halten. Das kann dazu führen, dass man über sein Maß hinausgeht und zu viel selbst erledigt, anstatt andere zum Zuge kommen zu lassen.
  • Wer Anerkennung bekommt, ist in Gefahr, sein Herz daran zu hängen und aus seiner Tätigkeit und ihren Erfolgen eine Selbstbestätigung zu suchen, die nur von Gott und aus Gnade kommt.
  • Wer für seine Arbeit entlohnt wird, ist in Gefahr, um des Materiellen oder des Status’ willen zu arbeiten und geld- oder ehrliebend zu werden.

Auch im Dienst für den Herrn kann mein Streben fehlgeleitet werden, so dass ich diesen Dienst missbrauche, um meine eigenen Bedürfnisse zu befriedigen. Das ist an sich schon grundfalsch.

Zudem kann es auch einen Burnout befördern, wenn meine Bedürfnisse nicht befriedigt werden. Ich frage mich:

  • Strebe ich nach menschlicher Anerkennung? Dann werde ich viel, vielleicht zu viel leisten.
  • Strebe ich nach Zuneigung? Dann werde ich viel helfen und „Herzblut“ einsetzen.
  • Strebe ich nach Verantwortung? Dann werde ich mich unverzichtbar machen.
  • Strebe ich nach Konkurrenz, Herausforderung? Dann werde ich viel leisten und negativen Stress im Zwischenmenschlichen verursachen.
  • Ganz allgemein: Strebe ich im Dienst für den Herrn nach Befriedigung oder Erfolg? Dann laufe ich Gefahr, mein Leben nach meinen (geistlichen?) Zielen auszurichten und nicht nach dem Herrn.

Der Umgang mit äußeren Antreibern: Kein Bedürfnis-Befriedigungs-Automat

„Sein’ Arbeit darf nicht ruh’n“, hat Paul Gerhardt gedichtet. Der Herr ruht auch heute nicht, wir leben nicht in einer „Sabbatruhe“, sondern in einem Zeitalter des Wirkens Gottes (vgl. Joh 5,17). In Gottes Werk sind wir seine Mitarbeiter (1. Kor 3,9).

Aber: Ist jedes Bedürfnis, das ich sehe, auch eine Aufgabe für mich? Ein vorhandenes Bedürfnis bedeutet nicht gleich, dass ich es stillen muss.

  • Auftrag und Maß: Zu dem Bedürfnis muss hinzukommen, dass ich einen Auftrag habe. Der Auftrag wird nicht durch das Bedürfnis ersetzt. Und den Auftrag gibt der Herr „nach Maß“. Hier ist es wichtig, Gottes Führung durch Gebet zu erkennen. Es gibt für jeden Diener ein „Maß des Wirkungskreises, den der Gott des Maßes zugeteilt hat“ (2. Kor 10,13). Das Maß ist nicht nur inhaltlich und geographisch definiert, sondern es wird auch durch unsere Kräfte begrenzt, und die Kräfte kommen vom Herrn. Der eine hat mehr, der andere weniger, keiner hat unendlich. So wenig, wie Er über Vermögen versucht (1. Kor 10,13), so wenig beauftragt Er auch über Vermögen.
  • Begrenztheit: Wir sind als Menschen begrenzt. Auch der Mensch Jesus Christus hat nicht „maßlos“ und „pausenlos“ gearbeitet. Er hat jedem geholfen, der zu Ihm kam – aber es blieben auch noch Bedürftige im Land übrig. Auch Er wurde müde und ruhte aus.
  • Mitarbeiter: Um einem Burnout vorzubeugen, kann ich mich auch fragen: Muss oder soll alles von mir gemacht werden? Es gibt andere, die ich kenne und ansprechen kann – bin ich ihnen vielleicht sogar im Weg? Und vor allem gibt es den Hirten der Schafe, den ich im Gebet ansprechen kann, der seine Diener kennt und einsetzt. Und ich kann den Vater bitten, dass Er Arbeiter aussendet (vgl. Mt 9,37.38).

Der Umgang mit inneren Antreibern: Kein christlicher „Supermann“

Wie meistere ich nun meine inneren Antreiber? Viele Christen sind „arbeitsethisch“ geprägt: Fleiß und Geschäftigkeit werden häufig als ein „Wert an sich“ angesehen. Das kann auch fleischlich sein: Leistungsfähigkeit und „Leidensbereitschaft“ werden vergöttert. Der Herr sucht aber nicht den christlichen „Supermann“.

  • Es ist keine Schande, schwach zu sein – nein, ich muss sogar schwach sein, damit Er in seiner Kraft wirken kann. Der Herr ist gerade für die Bedürftigen da (vgl. Mt 11,28; 9,12f; 11,5). Wenn ich mir bewusst bin, dass ich bedürftig bin, sind bei Ihm wirklich alle Quellen. Wie schlimm, wenn ich – wie damals die Geschwister in Laodizäa (Off 3,17) – meine, ich hätte alles und es wäre schon alles gut so. Er führt mich auf die eine oder andere Weise immer wieder mal an meine Grenzen, damit ich merke, dass ich Ihn nicht nur an, sondern auch in meinen Grenzen brauche.
  • Ein Burnout ist keine Sünde: Schnell ist man mit der Aussage bei der Hand: „Der/die war nicht nah genug beim Herrn“. Wer wollte das beurteilen (1. Kor 4,5)? Wer in einen Erschöpfungszustand geraten ist, braucht Ermunterung und Stärkung, Trost und Zuwendung, Hilfe und Entlastung. Möglicherweise braucht er/ sie auch Hilfe dabei, sein Leben in einer Weise einzurichten, die Derartiges in Zukunft vermeidet. Dabei sollte man aber vorsichtig und rücksichtsvoll vorgehen – die Verantwortung vor dem Herrn liegt bei dem Betroffenen, und man kann sie ihm nicht abnehmen.
  • Gerade im geistlichen Dienst ist es gefährlich zu geben, ohne zuvor empfangen zu haben. Wer anderen geistlich „Wasser geben“ will, muss zunächst selbst die Quelle, den Herrn Jesus, aufgesucht haben (Joh 6,37.38). Wenn die „Bilanz“ dauerhaft nicht ausgeglichen ist, wird man sich entweder verausgaben oder man passt den „Output“ an den „Input“ an, d.h. man gibt Nahrung aus der Konserve, weil man nichts Frisches mehr hat.
  • Wir sollten nicht den Unterschied verwischen zwischen Herr und Diener, zwischen Werkmeister und Werkzeug, zwischen Quelle und Wasserträger. Die Begebenheit von der Speisung der 5.000 zeigt: Die Nahrung und Hilfe kommt von dem Herrn. Seine Jünger benutzt Er nur, um sie weiterzugeben; Er setzt das ein, was sie haben – nicht mehr (Mk 6,37.41). So ist es die Aufgabe eines Dieners, die Quellen zu erschließen, die bei dem Herrn sind. Er kann die Bedürfnisse von Glaubensgeschwistern nicht selbst befriedigen.
  • Niemand ist wichtiger als Er. Es gibt daher auch keinen Grund, sich seiner Erschöpfung zu brüsten. Wer sich rühmt, rühme sich des Herrn (1. Kor 1,26 ff.). Und: Was als Fleiß und Einsatz, Gefragtsein und Gebrauchtsein, Hingabe und Aufopferung erscheint, kann eben auch zu viel des Guten sein. Gott überlässt seine Ehre keinem anderen (Jes 42,8) – auch keinem seiner Diener. Ich bin nicht unverzichtbar. Er kann und will mich gebrauchen, braucht mich aber nicht.

Erholung ist wichtig

Eine wichtige Rolle – sowohl zur Heilung als auch zur Vorbeugung – spielt

bei einem Burnout die Erholung. Aber: Ist das biblisch? Werden Christen nicht  zu unermüdlichem Einsatz angehalten – ihrem Vorbild, dem Herrn Jesus entsprechend, der stets für alle da war?

In Markus 6 wird eine Begebenheit geschildert, die in diesem Zusammenhang interessant ist. Da versammelten sich die Apostel bei Jesus und berichteten Ihm alles, was sie getan und gelehrt hatten. Er sagte zu ihnen: „Kommt ihr selbst her an einen öden Ort für euch allein und ruht ein wenig aus“ (V. 31). „Denn“ – so lautet die Begründung – „es waren viele, die kamen und gingen, und sie fanden nicht einmal Zeit, um zu essen.“

Die Ausgangssituation war, dass die Jünger eifrig im Dienst waren, vom Herrn beauftragt, mit segensreichen Folgen. Nebeneffekt: Sie hatten so viel zu tun, dass sie noch nicht einmal mehr ihre elementaren Bedürfnisse (Essen) befriedigen konnten. Eine akute Burnout-Situation kann vergleichbar sein.

Der Herr sah diese Situation und sprach sie persönlich an („ihr selbst“); sie sollten einmal zu sich kommen, auf ihre eigenen Bedürfnisse hören. Er ist der souveräne Herr seines Dieners, Er ordnet auch die Pausen an und zeigt uns, dass es dann auch ohne uns geht. Solche Pausen sollten Gefährdete auch „freiwillig“ suchen, um einem Burnout vorzubeugen.

Er sagte: „Kommt her“ – nicht: „zu mir". Natürlich war Er da, aber es ging nicht in erster Linie darum, beim Herrn zu sein, sondern an einem „öden Ort“. So gibt es auch Extremphasen, in denen man körperlichgeistig-seelisch nicht einmal mehr

in der Lage ist, bewusst unter Gottes Wort oder in Gemeinschaft mit Glaubensgeschwistern zu sein (oder sein zu können), sondern einfach nur Ruhe und Entspannung braucht.

Dieser Ort war „öde“ – es war keiner da, es gab nichts zu tun, es gab noch nicht einmal die Möglichkeit, etwas zu tun.

An diesem Ort waren sie „für sich allein“. Keiner, der Bedürfnisse hatte; keiner, der Ansprüche stellte; keiner, dem man dienen konnte.

Das Ziel und der Auftrag war: „Ausruhen“. Das Wort, das hier benutzt wird, ist der medizinische Begriff für Entspannung. Der Herr unterstützte keine Faulheit, sondern Er verschrieb die notwendige körperliche und geis- tige Erholung. Diese Erholung ist notwendig für jeden Menschen. Diener Gottes sind auch Menschen.

Sowohl die Einschränkung „ein wenig“, als auch der Fortgang der Geschichte1 zeigen allerdings, dass es um eine Ruhe in Maßen ging, wie sie Diener Gottes immer wieder benötigt bzw. gesucht haben (z.B. 1. Kö 19; 1. Sam 23; Mt 14,13; Apg 20,13) und dass es darum ging, wieder in den Dienst einzusteigen. Wie gesagt: Faulheit, Abhängen und Freizeitsucht unterstützt der Herr nicht, aber Er will seinen Dienern die nötige Ruhe und Erholung geben, damit sie „diensttauglich“ bleiben.

Die innere Weichenstellung: Arbeitet von Herzen „als dem Herrn“

Der Diener des Herrn ist also kein Bedürfnis-Befriedigungs-Automat, er ist kein christlicher Supermann, der jede Gelegenheit nutzen muss. Dennoch – es bleibt ein Dilemma zwischen den Bedürfnissen und Gelegenheiten und dem Maß des Dienstes und der Kräfte bestehen. Dabei ist es wichtig, dass sich der Diener des Herrn von den Erwartungen der Menschen (einschließlich seiner eigenen) löst und die Erwartungen des Herrn voranstellt. „Suche ich jetzt Menschen zufrieden zu stellen oder Gott? Oder suche ich Menschen zu gefallen? Wenn ich noch Menschen gefallen wollte, so wäre ich Christi Knecht nicht“ (Gal 1,10). Wir reden, „nicht um Menschen zu gefallen, sondern Gott, der unsere Herzen prüft“ (1. Thes 2,4). Im nächsten Heft werden einige Beispiele vorgestellt, wie der Herr in seinem Dienst mit diesem Thema umging.

Die konsequente Abhängigkeit vom Herrn ist auch die beste Hilfe gegen Widerstand und Konflikte, den „sekundären Stress“, den man bei geistlicher Arbeit erlebt. Das kann zu einer dauerhaften innerlichen Belastung werden und letztlich einen Burnout auslösen. Der Herr hat vorausgesagt, dass Satan und die Welt Widerstand gegen die Nachfolge und Arbeit für den Herrn leisten werden (1. Pet 5,8.9; vgl. 1. Thes 2,18). Leider machen Diener des Herrn auch vonseiten der Gläubigen solche Erfahrungen (vgl. Paulus: 2. Tim 1,15; 4,15; 1. Tim 4,10; und Timotheus: 2. Tim 2,23.24; 4,3–5; 1. Tim 6,3–5). Auch dazu kann es eine Hilfe sein, sich bewusst zu machen, dass jeder seinem eigenen Herrn steht und fällt (Röm 14,4).

Im nächsten Heft: „Hat der Tag nicht zwölf Stunden?“ – Das Zeitmanagement eines Jüngers des Herrn als eine praktische Hilfe zur Vermeidung von Überlastung

Thorsten Attendorn

 Fußnoten

1 Es kam dann ganz anders: Als der Herr und die Jünger an diesem „öden Ort“ ankamen, warteten dort schon 5.000 Männer am Ufer, über die sie sich dann erbarmten. Immerhin die Überfahrt hatten sie in Ruhe verbringen können … Das Ruhebedürfnis muss also immer in Zusammenhang damit gesehen werden, wie der Herr konkret führt.