Die Volxbibel - eine Bibel fürs Volk?

Die Volxbibel – eine Bibel fürs Volk?

Man muss „dem Volk aufs Maul schauen“, ist ein bekannter Ausspruch Martin Luthers. Im Jahr 1530 schrieb Luther dieses Wort in seinem „Sendbrief vom Dolmetschen“. In dieser Tradition sieht sich Martin Dreyer, der Übersetzer der neuen „Volxbibel“.

Von futschikato und Jesus-Freaks

„Die erste Auflage ist jetzt futschikato ... Die erste Auflage wird wohl mal Sammlerwert haben. Denn die nächste Auflage wird schon total anders sein. Ich hab noch ein weiteres Kapitel geschrieben, über Bibelübersetzungen ... Und wie man die Volxbibel im Gegensatz zur Elberfelder einordnen sollte. Außerdem soll jetzt das Wort ‚Übersetzung’ nicht mehr drinstehen“, schreibt Martin Dreyer, der Übersetzer oder „Über- trager“ dieser neuen Volxbibel in seinem Blog1. Die erste Auflage umfasste 5.000 Exemplare dieser Bibelübertragung – sie war in kurzer Zeit verkauft.

Das kurze Zitat Dreyers deutet bereits an, in welche Richtung sich diese Übersetzung oder vielmehr Übertragung des biblischen Grundtextes bewegt. Martin Dreyer ist der Gründer der „Jesus-Freaks“, einer Gruppe von Christen, die sich in Hamburg trafen und eine „neue Gemeinde“ für „Freaks“ aufbauten, die Jesus nachfolgen wollen.

„Jesus-Freaks“ sehen oft ziemlich ausgeflippt aus. Ihre Gottesdienste sind laut – vor allem durch Musik. Und ihre Sprache ist „cool“ – so wie die Sprache der Volxbibel. Das muss auch so sein, so Dreyer, denn „die Volxbibel soll Jugendliche erreichen, die niemals eine herkömmliche Bibel lesen würden“. Weil sich der „Slang der Jugend“ ständig wandle, müsse sich auch die Volxbibel weiterentwickeln. Aber schon der jetzige „Ton“ ist für viele Bibelleser gewöhnungsbedürftig und für viele Christen inakzeptabel. Das wird durch ein paar Beispiele klar.

Was Salz und Kühlschränke gemeinsam haben

„Ihr seid wie ein Kühlschrank für diese Welt. Ohne euch würde alles Gute vergammeln. Wenn dieser Kühlschrank aber nicht mehr funktioniert, gehört er auf den Schrott, wo er verrotten soll“ (Mt 5,13). In der Elberfelder (Version 2003) klingt das so: „Ihr seid das Salz der Erde; wenn aber das Salz kraftlos geworden ist, womit soll es gesalzen werden? Es taugt zu nichts mehr, als hinausgeworfen und von den Menschen zertreten zu werden.“

Matthäus 6,5.6 überträgt die Volxbibel so: „Wenn ihr mit Gott redet, könnt ihr schön locker bleiben. Nicht so wie die religiösen Spinner, die gerne in den Kirchen oder auf der Straße rumlungern und Showbeten veranstalten, damit sie jeder bewundern kann. Ich sag dazu nur eins: Vergesst es! ... Wenn du aber mit Gott reden willst, dann hock dich in deine Bude, mach die Tür hin- ter dir zu und quatsch dich mit ihm aus“. Wir kennen das so: „Und wenn ihr betet, sollt ihr nicht sein wie die Heuchler; denn sie lieben es, in den Synagogen und an den Ecken der Straßen stehend zu beten, um sich den Menschen zu zeigen. Wahrlich, ich sage euch, sie haben ihren Lohn schon empfangen. Du aber, wenn du betest, so geh in deine Kammer, und nachdem du deine Tür geschlossen hast, bete zu deinem Vater“.

Etwas zum Schmunzeln – oder Anlass zum Abwenden?

An dieser Stelle sollen keine weiteren Zitate „vorgeführt“ werden, weil man dadurch leicht zum Schmunzeln über Gottes Wort kommt. Und tatsächlich kann das eine erste Reaktion sein, wenn man noch nicht bedenkt, dass es direkt um Worte des Herrn Jesus, des ewigen Sohnes Gottes, geht. Und dass Gott selbst, der Gott des Lichts und der Liebe, zu dem Menschen redet. Eigentlich tut man dieser „Volxbibel“ zu viel Ehre an, wenn man sie als „Bibel“ bewertet, und es besteht die Gefahr, dass dadurch erst recht das Interesse an der neuen „Bibelausgabe“ entsteht. Da aber manche (junge) Christen früher oder später auf die Volxbibel angesprochen werden – von Gläubigen und Ungläubigen, die von diesem Projekt gehört haben, sollen an dieser Stelle ein paar Punkte aufgegriffen werden.

Der Versuch einer Beurteilung

1. Es gibt Fehler in dieser „Bibelübertragung“. Das kann natürlich in jeder Neuausgabe vorkommen – keine ist fehlerlos. Aber es hat hier den Anschein, dass das nicht aus Versehen, zufällig passiert ist. Statt Feigenbaum wird der Apfel- und Pflaumenbaum eingeführt, auch von McDonalds kann man lesen. Dann heißt es in dieser Ausgabe: „Jesus hatte sehr viel Angst“ (Lk ,44). Die Elberfel- der übersetzt: „Und als er in ringendem Kampf war, betete er heftiger. Und sein Schweiß wurde wie große Blutstropfen, die auf die Erde herabfielen.“ In Markus 14 schreibt Dreyer sogar von „ganz derber Panik und Angst“; Jesus habe gesagt, er könne bald nicht mehr. Hier heißt es in der Elberfelder: Er „fing an, sehr bestürzt und beängstigt zu werden“. Hier besteht ein ganz entscheidender Unterschied. Von „sehr viel Angst“ und Panik ist an keiner Stelle die Rede. Der Herr Jesus war bestürzt, als Er an das dachte, was Er zu tun hatte. Aber nie war Panik oder sehr viel Angst vorhanden. Gerade, wenn es um die Leiden des Herrn geht, ist größte Sorgfalt in der Darstellung nötig. Diese fehlt in der Volxbibel.

2. Es ist ein guter Grundsatz, „dem Volk aufs Maul zu schauen“, keine Frage. Aber eine aktuelle, moderne Sprache zu verwenden bedeutet nicht, eine Vulgärsprache (auf abstoßende Weise derbe oder ordinäre Sprache) zu ver- wenden! Es gibt eine Art „allgemeines Empfinden“ darüber, welche Sprache von jedem verstanden wird, ohne dass sie anstößig wird. Genau das war das Anliegen Luthers. Verständlichkeit auf der einen Seite, aber auch Ehrfurcht vor dem heiligen Text, den Gott gegeben hat, nötigt dem Übersetzer gerade eine vorsichtige sprachliche Zurückhaltung auf. Eine billige Sprache – hier ein „cooler Gruppenjargon“ – ist der Heiligen Schrift nicht nur unangemessen, sondern erweist sich sogar als gotteslästerlich, wie an einigen Stellen der Volxbibel. Das bedeutet nicht, wie zuweilen der Vorwurf lautet, eine kaum noch verständliche, angeblich heilige Sprache zu verwenden. Christen mögen eine Sonntagssprache entwickelt haben, sie mögen auch meinen, diese Sprachart sei heiliger als die „Wochensprache“. Aber in der Bibel finden wir an keiner Stelle einen Hinweis, dass Menschen Gott durch einen besonderen Sprachstil besser gefallen können. Es gibt allerdings sehr wohl eine Sprache, die im Allgemeinen von jedem verstanden wird. Diese zu verwenden muss das Bemühen jedes Übersetzers sein.

3. Man könnte fragen: Wie hat denn der Herr Jesus gesprochen, als Er auf dieser Erde lebte? Sprach Er wie „Martin Dreyer“ und die „Jesus-Freaks“? Die Antwort ist ganz eindeutig: Jesus sprach (unter anderem) die damalige Weltsprache, Griechisch, aber nicht in einer Vulgärform, sondern mit dem akzeptierten Standard seiner Zeit.

4. Nun ist Martin Dreyer der Meinung, dass Gott manche Menschen nur durch „seine Sprache“ der Volxbibel erreichen kann. Er erhebt ja nicht den Anspruch, dass die Volxbibel die einzige und ultimative Bibelübertragung ist. Aber manche Menschengruppen könne man nur mithilfe dieser Übersetzung erreichen, so meint er. Heiligt der Zweck etwa die Mittel? Keineswegs. Denn Gottes Wort sagt selbst, dass "geistliche Dinge durch geistliche Mittel" mitgeteilt werden müssen (1. Kor 2,13). Und ist das Argument Dreyers wirklich überzeugend? Das würde im Umkehrschluss bedeuten, dass seine "Jesus-Freaks"  mit Leuten außerhalb ihrer Gruppe gar nicht reden könnten, zu einem „normalen Leben“ gar nicht fähig wären. Und dies wäre eine völlig übertriebene Vorstellung. Wenn wir bedenken, dass Jesus selbst mit „Zöllnern und Sündern“ („seltsame Leute“ für die Volxbibel in Matthäus 11,19 oder „Menschen, die in der Gesellschaft als Dreck gelten“ in Markus 2,15) zusammen war und verstanden wurde, ihr Herz erreichte und manche zur Bekehrung führte, wird das Argument von Dreyer schnell entkräftet. Die Erfahrung zeigt, dass man Menschen oftmals gerade nicht durch eine anbiedernde Sprache, sondern durch das Bekenntnis zur Ehrfurcht vor Gott und Jesus Christus erreichen kann. Ist nicht die biblische Botschaft auch so klar, dass sie für jeden Menschen ver- ständlich ist?

5. „Gläubige“ von Religionen wie dem Islam werden sich durch eine solche „Bibelausgabe“ dem christlichen Glauben niemals öffnen. Sie erwarten, dass man vor dem Wort Gottes Ehrfurcht hat, weil Gott selbst in seinem Wort und durch dieses spricht, auch wenn sie die Bibel nicht vollständig als Gottes Wort akzeptieren.

6. Die oben gezeigten offensichtlichen Abweichungen vom Grundtext lassen erahnen, dass junge Menschen auf Kosten einer genauen Übersetzung für den Herrn Jesus Christus gewonnen werden sollen. Doch damit trägt man der Tatsache nicht Rechnung, dass die Bibel (die Originalhandschriften) von Gott inspiriert worden ist. Und wie soll man jemand für die ganze Wahrheit des inspirierten Wortes Gottes gewinnen, wenn man sie durch eine schlechte Übersetzung verdunkelt?

7. Wer die Rückseite der Volxbibel anschaut, bekommt ein Bild von Martin Dreyer geboten. Dieses zeigt ihn mit langen Haaren. Selbst in seiner Übertragung wird die Aussage deutlich, die in der Elberfelder in 1. Korinther 11,14 übersetzt wird: „Lehrt euch nicht auch die Natur selbst, dass, wenn ein Mann langes Haar hat, es eine Unehre für ihn ist?“ Damit wird auf der Volxbibel sichtbar Ungehorsam gegenüber Gottes Wort praktiziert.

8. Braucht jede soziale Gruppe und Altersklasse eine besondere Übersetzung? Natürlich hat sich der Herr Jesus jungen Menschen anders zugewandt als älteren. Auch der Apostel Paulus hat sich auf seine Gesprächspartner eingestellt (1. Kor 9,19–23). Und doch hat Gott uns ein einziges Dokument hinterlassen, die Bibel, das zwar verschiedene Stilformen enthält, auch Sprachstile. Dennoch ist die Qualität der Sprache nie „cool“ – an keiner Stelle. Können wir nicht Gott überlassen, was gut für den Menschen ist? Er weiß am besten, wie das Herz des Menschen „geknackt“ werden kann. Im Übrigen nimmt die Halbwertzeit der jungen „Sprache“ zunehmend ab. Ob sich dann nicht zunehmend auch junge Menschen über diese Bibelausgabe lustig machen werden?

9. Junge Menschen werden auf die Volxbibel verweisen können und sagen: Das, was ich sage (und wie ich es sage), steht sogar in der „Bibel“. Damit rechtfertigt die Volxbibel fleischliches Verhalten. Andere wiederum werden sich besonders extreme Ausdrücke vornehmen und Witze damit machen. Wie kann Gott dazu sein „Amen“ geben? Zudem unterstützt diese Ausgabe das ohnehin flacher und oberflächlicher werdende Christentum. Jetzt bekommt man auch noch eine Begründung dafür mitgeliefert ...

Volxnah oder volxfremd?

Die neue Volxbibel wird Geschichte schreiben. Sie wird auch in nicht allzu langer Zeit Geschichte sein – wie vieles Neue in dieser Welt. Die Ausgabe sieht aus wie eine Zigarettenschachtel. Statt der Gesundheitsminister-Warnung vor der Gesundheitsschädigung durchs Rauchen heißt es hier: „Lesen kann radikale Nebenwirkungen haben.“ Wir raten dringend vom Lesen oder gar Verbreiten der „Volxbibel“ ab, um sich selbst und anderen den Blick auf das unverfälschte Wort Gottes zu erhalten. Ich zweifle zwar nicht daran, dass auch durch die Volxbibel Menschen zu dem Herrn Jesus finden können. Es gibt in der Tat heutzutage viele Jugendliche, die genau diese Sprache sprechen. Aber ich bin mir auch sicher, dass wir, wenn wir mit größerer Entschiedenheit und Hingabe für den Herrn tätig wären, auch solche Menschen erreichen würden. Mit einer allgemein verständlichen Bibelübersetzung in vernünftigem Deutsch, die Gottes Heiligkeit in dem benutzten Vokabular ebenso deutlich macht wie seine unbegreifliche Liebe. Jeder ist aufgerufen, dieses wunderbare „Volks-Buch“ durch Wandel und Worte zu verbreiten ...

Das Wort des Herrn aber bleibt in Ewigkeit. (1. Petrus 1.25)

 

1 Ein Weblog oder Blog ist nach Wikipedia eine Website, die periodisch neue Einträge enthält. Neue Einträge stehen an oberster Stelle, ältere folgen in umgekehrt chronologischer Reihenfolge. Genau genommen gibt es auch nicht nur Dreyer als Übersetzer, denn die Volxbibel ist ein sogenanntes Open Source Experiment: Jeder kann per Internet mitmachen und seine Übersetzungsvorschläge einreichen. Diese werden geprüft und dann gegebenenfalls in der nächsten Ausgabe verwendet.