Andacht

Gottes Willen erkennen (Teil 2) - weitere Gedanken zum Thema

Erinnerst du dich noch an die „großen Fünf“ im letzten Artikel? Vielleicht hast du gedacht: „Mensch, dazu hätte ich noch unendlich viele Fragen und Gedanken!“ Genau, ich auch. Deswegen gibt es auch noch diesen Artikel. Ich bin mir bewusst, das Thema auch jetzt nicht erschöpfend zu behandeln – wer könnte das schon? Aber es ist mein Wunsch, dass dir die Gedanken etwas weiterhelfen auf dem Glaubensweg.

 

Die richtigen Fragen stellen

Bei dem Prozess, Gottes Willen zu erkennen, werden wir nicht umhin kommen, über gewisse Fragen nachzudenken. Es müssen nur die richtigen Fragen sein. Im Folgenden sind einige Fragen aufgeführt, die dir dabei helfen können, zu richtigen Entscheidungen zu kommen. (Diese Liste von Fragen erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit.)

  • Dient diese Entscheidung (die ich treffen will) zur Ehre Gottes?
  • Könnte ich diese Entscheidung vor dem Herrn und den Geschwistern rechtfertigen bzw. erklären (sodass mein aufrichtiges Ringen um den Willen Gottes deutlich wird – auch wenn nicht jeder meine Entscheidung „verstehen“ muss)?
  • Dient diese Entscheidung meinem geistlichen Wachstum oder ist sie ihm hinderlich?
  • Habe ich für die Entscheidung die nötige und mögliche Zeit mit Gebet und Nachsinnen etc. aufgebracht?

 

Veränderungen

Wenn du wirklich den Willen Gottes für dein Leben erfahren willst, musst du mit Veränderungen in deinem Leben rechnen. Diese Veränderungen lassen sich grob in drei Kategorien einteilen: die, mit denen  wir gerechnet haben; solche, die völlig überraschend kommen; und solche, die sich langsam im Lauf der Zeit abzeichnen.

  1. Biblisches Beispiel für den ersten Fall: Josua 1. Es war für Josua abzusehen, dass er nach Gottes Gedanken nach Moses Tod die Führung des Volkes übernehmen würde. Persönliches Beispiel: Wenn du heiratest, sind die grundlegenden Veränderungen in deinem persönlichen Leben absehbar und nicht unbekannt. Macht die Tatsache, dass eine Veränderung absehbar ist, die Veränderung weniger groß und die Führung des Herrn weniger nötig? Durchaus nicht!
  2. Biblisches Beispiel für den zweiten Fall: Matthäus 2,13. Die Flucht nach Ägypten kam für Joseph und Maria völlig überraschend. Persönliches Beispiel: eine plötzliche Kündigung; der Herr legt dir „plötzlich und unerwartet“ eine Aufgabe „vor die Füße“.
  3. Die dritte Kategorie ist weit weniger „dramatisch“ als die anderen, weil sie fortschreitend in unserem Leben auftaucht. Es besteht die Gefahr, die Notwendigkeit zur Veränderung zu übersehen. Umso nötiger ist hier das Gebet, dass der Herr uns zeige, wo Er Veränderung in unserem Leben (Verhalten, Gewohnheiten, Beziehungen etc.) wünscht.

 

Geöffnete und geschlossene Türen

Als Christen reden wir häufig von „geschlossenen“ oder „geöffneten Türen“. Das hat auch durchaus etwas mit unserem Thema zu tun. Nur ist es mit den geöffneten und geschlossenen Türen nicht ganz so einfach, wie es auf den ersten Blick den Anschein haben mag. Einige Fragen dazu wollen wir uns ansehen:

Welche „Türen“ sollen wir überhaupt in Angriff nehmen? Wenn du die „großen Fünf“ in Ruhe vor dem Herrn erwogen hast, kannst du sicher die „Tür“, vor der du dann stehst, aufzumachen versuchen.

Wenn die Tür verschlossen ist, wie oft soll ich es versuchen, bevor ich aufgebe? Wann ist Ausharren nötig, wann wird es Eigenwille? (Biblisches Beispiel: Paulus und sein Dorn für das Fleisch, 2. Kor 12,7). Wenn eine Tür verschlossen bleibt, gibt es zwei Möglichkeiten:

  1. Gott verbaut uns deutlich den Weg. Dann sollten wir die „Tür“ in Ruhe lassen!
  2. Gottes Antwort heißt „warten“. Dann brauchen wir Geduld. Die Antwort im Einzelfall wird der Herr dir klarmachen (nicht mir oder Schwester Kunigunde). Siehe auch Apostelgeschichte 16,6–10.

Bedeutet eine „geöffnete Tür“ immer, dass Gott will, dass wir sie benutzen? Frei nach Paulus: Das sei ferne! Gegenbeispiel: Jona 1,3 (da waren alle Türen offen!). Aber wenn alles (die großen Fünf) in die Richtung weisen, dürfen wir den Weg ernsthaft erwägen.

Wenn eine geöffnete Tür offenkundig vom Herrn ist und wir gehen hindurch, bedeutet das dann „Segeln auf ruhiger See“? Du wirst aus eigener Erfahrung wissen, dass die Antwort „nein“ ist. Dann gilt es nicht zu zweifeln an einer mit dem Herrn getroffenen Entscheidung. Biblische Beispiele: Matthäus 14,22–33; 1. Korinther 16,9.

 

Geistliche Reife

Mit zunehmender geistlicher Reife werden auch die Möglichkeiten vielfältiger, Gottes Willen zu erkennen. Auch im natürlichen Bereich kann ich von einem Erwachsenen Dinge erwarten, die für ein Kind noch nicht in gleichem Maße möglich sind, wie z.B. ein gesundes Urteil, eine gewisse Unabhängigkeit von Umständen und Menschenmeinung, Beherrschung unserer Gefühle, Akzeptieren von Verantwortung. Das ist auch im geistlichen Bereich so. Deshalb ist die Art und Weise, wie wir Gottes Willen erkennen, auch abhängig von unserem geistlichen Wachstum – weg von einem Geschoben- oder Gezogenwerden durch den Herrn, hin zur Leitung durch Einsicht, auch in die jeweiligen Situationen: Psalm 32,8, 1. Chr. 12,32.

 

Das Übereinstimmungsprinzip

Während ich nie genau im Voraus wissen kann, wie Gottes Wille für mich persönlich im Einzelnen aussieht, so kann ich doch über eines sicher sein: Der Wille Gottes für mein persönliches Leben wird nie zu  Gottes Charakter und zu seinem Wort im Widerspruch stehen.

 

Die 99%-Regel

Jeder, der ernsthaft zur Ehre Gottes und des Herrn leben möchte, wird zugeben müssen, dass er in 99% der Fälle genau weiß, was Gott in dieser Situation von ihm will. Es ist das 1%, die schwierigen Entscheidungen, für die wir Gottes besondere Leitung suchen.

Oder betest du täglich intensiv darum, ob Gott will,

  • dass du pünktlich zur Ausbildung/am Arbeitsplatz erscheinst?
  • dass du deine Aufgaben gewissenhaft und ordentlich erfüllst?
  • dass du den Kollegen und Mitmenschen als Christ in der Gesinnung Christi begegnest?
  • dass du heute zu seiner Ehre und als Zeugnis für Ihn lebst?

Du kannst und sollst allerdings dafür beten, dass Er dir dazu Kraft und Freude schenkt.

 

Gottes Wille und unser Wille – vier Möglichkeiten

  nach Gottes Willen nicht nach Gottes Willen
nach unserem Willen - 1 - - 2 -
nicht nach unserem Willen -  3 - - 4 -

- 1 - : der erstrebenswerte Idealfall > das, was wir wollen, entspricht auch dem Willen Gottes. Wir handeln im Bewusstsein, seinen Willen zu tun.

-4- : Auch dieser Fall ist eindeutig > wir lehnen eine Sache ab und sind über- zeugt, dass sie nicht Gottes Wille ist. Die Entscheidung ist klar.

 

Die Fälle -2- und -3- sind problematischer, aber nicht selten.

-2- : Wir möchten etwas tun, aber es ist  nicht Gottes Wille.

-3- : Wir wollen etwas eigentlich nicht tun, aber es ist dennoch Gottes Wille.

In beiden Fällen geht es darum, letztlich unseren Willen dem Willen Gottes unterzuordnen.

 

Die „Woll-Vliesmethode“ (Richter 6)

Ist das Vorgehen Gideons, nämlich Gott ein Vlies vorzulegen, eine für Christen gute Methode, den Willen Gottes zu erfahren? Beispiel: Wenn der nächste Anrufer ein Mann ist, nehme ich die neue Stelle an; wenn es eine Frau ist, sage ich ab.

Die Antwort ist ein deutliches Nein. Natürlich kann Gott uns unter Umständen einmal so leiten, aber das ist dann erstens die Ausnahme und zweitens ein Beweis unseres niedrigen geistlichen Zustandes.

Warum sollten wir eine solche „Führung“ nicht suchen?

  1. Nach Pfingsten, d.h. seit dem der Gläu bige den Heiligen Geist besitzt, der ihn leitet, kennt die Bibel kein weiteres Beispiel von „Lose werfen“ oder „Vlies vorlegen“. Das gehörte zur Haushaltung des AT.
  2. Gideon wusste genau, was Gott von ihm wollte. Eigentlich war nur Gehorsam gefragt.

Durch die Aktion mit dem Vlies wurde die Sache nicht deutlicher – im Gegenteil, sie wurde unsicher. Gideon versucht es noch ein zweites Mal. Jedoch ist unser Gott auch ein gnädiger Gott und weiß, dass wir manchmal eine zusätzliche Bestätigung für die an sich bereits deutliche Wegweisung benötigen – zum Beispiel durch ein „zufälliges“ Bibelwort, durch andere oder auch durch die Erfüllung einer Bitte um einen zusätzlichen „Baustein“ in der Gesamtsituation.

 

Zeichen und Wunder

Manchmal hätten wir es gerne, wenn uns Gott in außergewöhnlicher Weise durch „Zeichen und Wunder“ seinen Willen klar machen würde. Doch das ist eben nicht die Regel. Selbst wenn wir die „wunderbaren“ Führungen Gottes in der Bibel betrachten, kommen wir zu dem Ergebnis:

  1. Gott entscheidet, wie Er zu uns redet,  der Mensch kann das nicht bestimmen  oder festlegen.
  2. Auch in der Bibel, besonders im Neuen  Testament, sind diese wunderbaren Führungen Gottes die Ausnahme. (Die Befreiung von Petrus durch einen Engel war die Ausnahme – Apg 12; vgl. die Befreiung des Paulus durch „normale“ Maßnahmen – Apg 9,30; 2. Kor 11,32.33)
  3. Wenn Gott so außergewöhnlich leitete, war für die Betroffenen immer völlig klar, woher diese „Wunder“ kamen – ein wichtiger Punkt!

Wenn wir auch nicht sagen können, dass Gott nie auf außergewöhnliche Weise eingreift, so sollten wir das jedoch nicht erwarten, sondern im täglichen Umgang mit unserem Herrn lernen, auf Ihn zu hören.

 

Warten

Das Warten auf Gottes Führung gehört zu den schwierigsten Aspekten dieses Themas. Aber es ist die Sache wert! Gott wirkt nach seinem Zeitplan, und wenn wir ernsthaft seinen Willen erkennen wollen, müssen wir uns schon diesem Zeitplan fügen. Wir gleichen oft kleinen Kindern auf einer langen Autofahrt, die ihre Eltern ständig mit der Frage nerven: „Wann sind wir endlich da?“ Mama und Papa geben immer dieselben vagen Antworten, die wir manchmal meinen, auch von Gott zu bekommen: „bald“, „noch einen kleinen Augenblick“. Doch am Ziel angekommen sind wir immer, oder? Das Problem war eigentlich nie, ob wir das Ziel auch erreichen, sondern das Problem war unsere Ungeduld!

 

Mut

Gott wird uns in unserem Leben leiten. Aber nirgendwo sagt Gottes Wort, dass das Erkennen seines Willens einfach ist, oder dass das Befolgen seines Willens eine „ruhige Seefahrt“ wird. Das eine oder andere, oder auch beides, mag außergewöhnlich schwierig erscheinen. Für die Nachfolge des Herrn bedarf es mitunter auch einer Portion Mut. Dazu hat Er uns auch aufgerufen: „Seid guten Mutes“ (Mt 9,2.22; 14,27; Mk 6,50; 10,49; Joh 16,33).

 

Gehorsam

Wenn wir ehrlich sind, müssen wir zugeben, dass in vielen Fällen das Problem nicht darin besteht, Gottes Willen zu erkennen, sondern ihn zu tun. In dem Fall erwartet Gott einfach Gehorsam. „Dies ist der Weg, wandelt darauf!“ (Jes 30,21).

 

Fazit zu Führung und Gewissheit

So gut ich selbst die Frage nach konkreter Führung nachvollziehen kann – wir sollten nie das Vertrauen in Gottes Person durch einen „Orakel-Werkzeugkasten“ („100 Tipps & Tricks – Gottes Führung zu erfahren“) ersetzen, der uns letztlich von Methoden abhängig und von Gott selber unabhängig machen würde.

Wenn wir die „Kanäle“ abgecheckt haben, durch die Gott normalerweise zu uns spricht, und wir keine absolute Gewissheit über den einzuschlagenden Weg haben, dürfen und müssen wir nach bestem Wissen und Gewissen entscheiden – und wir können absolut gewiss sein, dass Gott unser Leben in seiner Hand hat.

Der Liederdichter des folgenden Liedes drückt einerseits unsere Gefühle bei mancher Entscheidung gut aus. Andererseits gibt er uns eine schöne Ermunterung:

Oft haben wir gesonnen,

ob wir es recht gemacht –

was wir mit Dir begonnen,

hast Du zum Ziel gebracht.