Glaube im Alltag

Erlebnisse mit Michael

Angeregt durch den Artikel „Diagnose Krebs“ (FMN 2/2004, S. 4) möchte ich gern von einem Erlebnis berichten, das ganz deutlich dokumentiert, dass unser Gott Kraft zum Tragen von Leid gibt, in einer Weise, die wir uns kaum vorstellen können. Weil mich das sehr beeindruckt hat, steht dieses Erlebnis noch so lebendig vor mir, als sei es erst ein oder zwei Jahre her, obwohl nun schon 19 Jahre vergangen sind.

Ein junger Bruder war im Alter von 17 Jahren nach Jena in die Kinderklinik gekommen. Ein paar Monate zuvor war die Diagnose gestellt worden: Hodenkrebs. Nachdem er bereits in verschiedenen Krankenhäusern behandelt worden war, wurde er schließlich nach Jena überwiesen, weil hier ein Zentrum für die Tumorbehandlung an Kindern vorhanden ist. Er musste sich über einen längeren Zeitraum einer Chemotherapie unterziehen. In den Pausen zwischen diesen Behandlungen wohnte er oft gemeinsam mit seiner Mutter in unserem Haus. In dieser Zeit entwickelte sich eine recht enge Beziehung zu ihm. Bereits vor seiner Erkrankung hatte er den Weg zu dem Herrn Jesus gefunden. Nun erwies sich sein Glaube immer mehr als eine Quelle der Kraft, dieses Leid zu tragen. Schon in der Zeit seiner Behandlung konnte ich feststellen, wie dieser Glaube gefestigt wurde. Nach ungefähr einem Jahr hatte die Chemotherapie zu einem gewissen Erfolg geführt. Der Hodenkrebs wurde als klinisch geheilt eingeschätzt. Er hatte Gelegenheit, seine Schulausbildung mit der Mittleren  Reife zum Abschluss zu bringen, und wollte dann eine Lehre beginnen. Zuvor musste er jedoch noch zu einer Abschlussuntersuchung nach Jena. Dabei wurde aber festgestellt, dass nicht alle Metastasen abgetötet worden waren. Diese hatten sich wieder vermehrt und auch die Lunge befallen. Michael hatte es wohl schon geahnt, weil es ihm nicht so gut ging.

Sein Vater, leider ungläubig, war fassungslos über diese Tatsache. Seine Mutter, die durch die zurückliegenden Ereignisse und das Vorbild ihres Sohnes wieder näher zu ihrem Herrn gefunden hatte, war auch recht niedergeschlagen, fand aber doch eine gewisse Ruhe und auch Trost durch das Wissen, dass Gott keinen Fehler macht. Aber Michael selbst hat mich durch seine Ruhe enorm beeindruckt. Seine Eltern waren nach Hause gefahren, weil sie sich in ihren eigenen vier Wänden in diese Situation hineinfinden wollten.

 

Ein beeindruckender Weitblick

So saß ich an diesem Abend noch lange mit Michael auf unserem Balkon. Er sagte: „Ich habe keine Angst vor den Ereignissen, die nun mit hoher Sicherheit vor mir stehen, denn ich weiß, was mich erwartet. Wenn der Herr mich abruft, werde ich bei Ihm sein. Ja, bei dem Herrn Jesus zu sein, ist etwas Herrliches. Ich freue mich darauf. Das Einzige, das mir etwas Kummer bereitet, ist der Gedanke an meine Eltern. Wie wird es mit meinem Vater? Findet er noch den Weg zum Heiland? Und wie wird meine Mutter mit diesem Leid fertig?“ Noch eine ganze Weile haben wir uns über die Kraft des Glaubens und die wunderbare Hoffnung, die wir als Christen haben dürfen, unterhalten.

„Damit die Bewährung [oder Erprobung] eures Glaubens, viel kostbarer als die des Goldes, das vergeht, aber durch Feuer erprobt wird, befunden werde zu Lob und Herrlichkeit und Ehre in der Offenbarung Jesu Christi; den ihr, obgleich ihr ihn nicht gesehen habt, liebt; an welchen glaubend, obgleich ihr ihn jetzt nicht seht, ihr mit unaussprechlicher und verherrlichter Freude frohlockt“.  1. Petrus 1,7-8

Die Unterredung fand im Juni statt. Im September hat sein Herr ihn im Alter von 19 Jahren heimgerufen. Da Michael nicht nur im Verborgenen seinen Glauben ausgelebt hat, waren auch viele seiner Schulfreunde zur Beerdigung gekommen. Dabei flossen viele Tränen. Sie alle hatten Michael sehr geschätzt. Ich werde auch nicht vergessen, dass wir an seinem Geburtstag im Januar zwei seiner Schulfreunde am Grab antrafen. Für sie war er ein Wegweiser zum Heil geworden. Sie hatten nach seinem Heimgang auch Frieden mit Gott gefunden.

So erleben wir auch heute noch die Wahrheit des Schriftwortes: „Die aus der  Schwachheit Kraft gewannen, im Kampf stark wurden“ (Heb 11,34).

 

Keine Ausnahmeerscheinungen

Dass Michael keine Ausnahmeerscheinung ist, möchte ich damit dokumentieren, dass in diesem Jahr noch zwei weitere Personen aus meiner Umgebung durch den Herrn Jesus infolge einer solchen Krankheit von dieser Erde abgerufen wurden, die in ähnlicher, tapferer Weise im Glauben diese Nöte bewältigten.

Wir dürfen uns alle durch derartige Vorbilder ermutigen lassen. Den Ausgang ihres Wandels anschauend, dürfen wir ihren Glauben nachahmen, ob wir nun älter oder jünger sind. Auch wenn dieses Zitat aus dem 13. Kapitel des Hebräerbriefes sich auf Führer unter den Gläubigen bezieht, dürfen wir es sicher auch in dieser Hinsicht anwenden.

Vielleicht wendest du ein, dass du eine solche Glaubenskraft nicht besitzt, um in dieser Weise mit den Problemen umgehen zu können. Doch darum brauchen wir uns keine Sorgen zu machen. Wenn wir unser Vertrauen auf den Herrn Jesus setzen, kommt Er uns zu Hilfe, dass wir nur staunen können. Der Herr schenkt die Kraft immer genau dann, wenn wir sie nötig haben.

Eine der oben erwähnten Personen hat mir selbst erzählt, dass es oft ihr Gebet gewesen ist, „Herr lass mich bitte nicht in solche Leiden kommen. Ich werde bestimmt nicht damit fertig, aber ich möchte dich doch nicht verunehren.“ Als dann jedoch diese Krankheit an sie herantrat, war ich durch das stille Vertrauen beeindruckt, das ich Tag für Tag miterleben durfte.