Vorbilder

Als Christen leben wir in einer persönlichen Beziehung nach oben, zu unserem Heiland und Herrn. Gleichzeitig leben wir aber auch in Beziehungen auf dieser Erde, in Beziehungen zu unseren Mitmenschen, seien sie gläubig oder ungläubig. Unser Leben findet nicht im luftleeren Raum statt. Jeder von uns wird von seinen Mitmenschen geprägt, und gleichzeitig wirkt unser Leben prägend für andere. Dieser wechselseitigen Beziehung kann sich niemand entziehen.

Als junger Rekrut tritt Martin seinen Wehrdienst an. Mit Bangen denkt er an den ersten Abend. Martin ist Christ, aber er fürchtet sich, seinen Herrn vor den Kameraden zu bekennen. Als der erste Abend kommt, kämpft er mit sich, ob er auf seine Knie gehen soll, um zu beten, oder ob er lieber still und heimlich unter der Bettdecke beten soll. Während er noch unentschlossen hin und her überlegt, bemerkt er plötzlich, wie sein Nebenmann niederkniet, um zu seinem Herrn zu beten. Nun zögert Martin nicht mehr. Das gute Vorbild seines Kameraden - der sein Bruder im Herrn ist - vor Augen, fürchtet sich Martin nun nicht, ebenfalls seine Knie zu beugen.

Judith und Verena sind gute Freundinnen. Beide gehen zur Sonntagsschule und bekennen sich zu dem Herrn Jesus, dem Freund der Kinder. Leider nimmt es Judith mit ihrem Leben als Christin nicht so genau, während Verena ein zartes Gewissen hat. Bei gemeinsamen Einkäufen in der Stadt macht Judith sich immer wieder einen Spaß daraus, Kleinigkeiten mitgehen zu lassen, ohne sie zu bezahlen. Zuerst warnt Verena sie noch, doch als Judith sich mehrmals über sie lustig macht, versucht sie es schließlich auch. Das schlechte Vorbild ihrer Freundin verleitet sie, etwas zu tun, von dem sie genau weiß, daß es böse ist.

Diese beiden Beispiele führen uns vor Augen, wie wir uns gegenseitig beeinflussen. Wir lassen uns entweder zum Positiven oder zum Negativen beeinflussen. Wir sind entweder Vorbilder zum Guten oder zum Schlechten. Jemand anders hat einmal ge-schrieben: „Wir sind immer ein Vorbild, die Frage ist nur, ob ein gutes oder ein schlechtes."

Die Bibel hat zu diesem Thema auch etwas zu sagen. Einerseits werden uns Menschen als Vorbilder beschrieben, die wir nachahmen können; andererseits aber finden wir auch solche - mit denen wir uns identifizieren dürfen -, die aufgefordert werden, Vorbilder zu sein.

Das vollkommene Vorbild

"Lernet von mir, denn ich bin sanftmütig und von Herzen demütig"

Bei menschlichen Vorbildern werden wir immer wieder feststellen, daß es nicht nur Licht, sondern auch Schatten gibt. Bei allen Stärken, die jemand haben mag, werden uns seine Schwächen nicht verborgen bleiben. Kein Mensch kann in allem Vorbild sein, sondern immer nur in Teilbereichen. Vollkommenheit finden wir einzig und allein bei dem Herrn Jesus. Deshalb ist Er nicht irgendein Vorbild, sondern das Vorbild schlechthin. Er ist der gute Hirte, der vor Seinen Schafen hergeht (Joh 10,4). Ihm können sie folgen. Niemand konnte sagen wie Er: „Lernet von mir" und: „Folge mir nach" Wenn wir Ihn als unser Vorbild betrachten und von Ihm lernen, ja wenn wir Ihm nachfolgen, dann sehen wir das eine große Beispiel, wie Gott uns Menschen haben möchte.

Die Betrachtung des Lebens des Herrn Jesus läßt uns erstaunen. Mit welcher Weisheit verhielt Er sich in Konfliktsituationen, mit welcher Einsicht faßte Er schwierige Menschen an, mit welcher Geduld und Langmut ertrug Er den Unverstand Seiner Jünger, mit welcher Unermüdlichkeit tat Er Seinen Dienst. Nie machte Er einen Fehler, nie - auch nicht als Kind oder Jugendlicher - war Er ungehorsam, nie verlor Er die Beherrschung, nie sagte Er häßliche Worte, nie verlor Er das Ziel aus den Augen. Er blieb immer bei der Wahrheit, Er trat immer für die Ehre Gottes ein, Er handelte immer zum Nutzen der anderen. Wo immer wir hinsehen, wir erkennen in der Tat nur Vollkommenheit bei Ihm.

Sicher, der Herr Jesus war Gott, aber als Mensch war Er doch der ganzen Vielfalt menschlicher Probleme ausgesetzt. Er ist in allem versucht worden wie wir, ausgenommen die Sünde - das bestätigt uns Gottes Wort ausdrücklich. Worin lag denn das Geheimnis Seines im wahrsten Sinn des Wortes vorbildlichen Lebens? Er suchte immer wieder die Stille der Gemeinschaft mit Seinem Vater auf. Und aus diesem Leben der Gemeinschaft heraus tat Er in allem den Willen Gottes. Das macht Sein Leben so einzigartig und nachahmenswert.

Paulus fordert uns auf, die Gesinnung des Herrn Jesus zu offenbaren (Phil 2,5), und Petrus fordert seine Briefempfänger auf, den Fußspuren des Herrn Jesus zu folgen (1. Pet 2,21). Die Gesinnung hat mit unserem Denken zu tun, die Nachfolge mit unserem Verhalten. Beides gehört zusammen. Die Art und Weise, wie wir denken, wird in unserem Verhalten gesehen. Deshalb ist es wichtig, Ihn in beiden Bereichen zum Vorbild zu haben. Er hat es uns vorgelebt, Ihm dürfen wir folgen.

Menschliche Vorbilder

Wenn Gott uns neben Seinem vollkommenen Vorbild weitere Menschen als Vorbilder zeigt, dann will Er uns damit Mut machen. Ein Gläubiger kann nur dann ein positives Vorbild für andere sein, wenn er von dem Herrn Jesus gelernt hat. In genau diesem Sinn schreibt Paulus den Korinthern: „Seid meine Nachahmer, gleichwie auch ich Christi" (1. Kor 11,1). Wenn wir in unseren Vorbildern nicht mehr das sehen, was der Herr Jesus in ihnen wirken konnte, dann verfallen wir leicht der Gefahr, daß wir sie zu Häuptern von Parteiungen machen, ja, daß sie schließlich zu Idolen werden. Dann nehmen sie einen Platz ein, der nur dem Herrn Jesus selbst zusteht.

Ein Vorbild in dem Sinn, wie Gott es meint, war vor allem der Apostel Paulus. In seinem Leben zeigt sich zunächst die ganze Größe der Vergebung Gottes. Davon schreibt er an Timotheus: „Aber darum ist mir Barmherzigkeit zuteil geworden, auf daß an mir, dem ersten, Jesus Christus die ganze Langmut erzeige, zum Vorbild für die, welche an ihn glauben werden zum ewigen Leben" (1. Tim 1,16). Manche Menschen meinen, daß ihnen nicht vergeben werden könne. Das Beispiel des Apostels zeigt ihnen, daß das nicht stimmt. Paulus nennt sich den ersten und größten der Sünder, und doch hat die Barmherzigkeit ihn erreicht.

Weiter ist Paulus ein Vorbild, wenn es um die Konsequenz in der Nachfolge hinter dem Herrn Jesus her geht. Er hatte alles aufgegeben, um seinem Herrn ganz zu gehören. Das erklärt er den Philippern und zieht daraus die Schlußfolgerung: „Seid zusammen meine Nachahmer, Brüder, und sehet hin auf die, welche also wandeln, wie ihr uns zum Vorbild habt" (3,17). An ihm und seinem Begleiter Timotheus konnten die Philipper sehen, was wirkliche Nachfolge ist.

Noch ein drittes Mal tritt Paulus als Vorbild vor uns. In 2. Thessalonicher 3,9 schreibt er: „Nicht daß wir nicht das Recht dazu haben, sondern auf daß wir uns selbst euch zum Vorbild gäben, damit ihr uns nachahmt." Im Zusammenhang des Bibeltextes geht es hier darum, daß die Thessalonicher von Paulus lernen sollten, wie man ordentlich wandelt, so daß die Welt keinen Anstoß nehmen kann.

Die Thessalonicher werden jedoch nicht nur aufgefordert, Paulus nachzuahmen, sondern sie werden an anderer Stelle selbst als ein leuchtendes Beispiel, als Vorbild, vorgestellt. Davon berichtet uns der 1. Thessalonicher-Brief. Dort lesen wir von den Thessalonichern: „Und ihr seid unsere Nachahmer geworden und des Herrn, indem ihr das Wort aufgenommen habt in vieler Drangsal mit Freude des Heiligen Geistes, so daß ihr allen Gläubigen in Mazedonien und in Achaja zu Vorbildern geworden seid" (1,6.7). Die Art und Weise, wie diese jungen Christen das Wort Gottes angenommen und in ihrem Leben umgesetzt hatten, war vorbildlich für andere; und sie ist auch für uns heute richtungweisend.

Weiter zeigt uns die Bibel das Beispiel der Propheten des Alten Testaments: „Nehmet, Brüder, zum Vorbild des Leidens und der Geduld die Propheten, die im Namen des Herrn geredet haben" (Jak 5,10). Auch in unserem Leben geht nicht immer alles glatt. Deshalb dürfen wir an solche denken, die es ohne Frage viel schwieriger hatten als wir. Die Propheten, die im Namen des Herrn redeten, wurden vielfach abgelehnt und verfolgt. Dennoch bewiesen sie Standhaftigkeit und Geduld. Das können wir von ihnen lernen.

Welch ein Vorbild bin ich?

Gott zeigt uns in Seinem Wort nicht nur Vorbilder, an denen wir uns ausrichten können, sondern Er fordert uns auch auf, selbst eine positive Vorbildfunktion zu übernehmen. Erinnern wir uns noch einmal: Vorbild sind wir immer, die Frage ist nur, welches.

Soweit mir bekannt ist, gibt es im Neuen Testament drei Aufforderungen, Vorbild zu sein. Dabei fällt es auf, daß sich diese Aufforderungen einmal an ältere und zweimal an jüngere Personen richten. Den älteren wird gesagt: „Hütet die Herde Gottes, die bei euch ist, ... indem ihr Vorbilder der Herde seid" (1. Pet 5,2.3). Daß ältere Brüder (und auch Schwestern) Vorbilder für andere sein sollen, können wir gut verstehen. Als jüngere erwarten wir das von ihnen. Aber auch junge Leute sind aufgefordert, Vorbilder zu sein.

Wir können wir uns nicht einfach herausreden und sagen: „Ich bin zu jung, ich kann noch kein Vorbild sein", oder: „Ich bin gerade erst zum Glauben gekommen, deshalb kann man von mir nicht erwarten, ein Vorbild zu sein." Die Thessalonicher waren sehr jung im Glauben und doch schon Vorbilder.

Ist es nicht eine Herausforderung für uns, daß wir in Gottes Wort zwei junge Männer finden, die aufgefordert wurden, Vorbilder zu sein - Titus und Timotheus? Zu Titus wird gesagt: ,... indem du in allem dich selbst als ein Vorbild guter Werke darstellst" (Tit 2,7). Andere sollten von ihm lernen. Gute Werke sind ein Zeichen des neuen Lebens, das wir besitzen. Wir tun keine guten Werke, um errettet zu werden, sondern weil wir errettet sind. Ein Vorbild guter Werke zu sein geht uns alle an. Auch junge Menschen können die Werke tun, die Gott zuvor bereitet hat, damit wir in ihnen wandeln sollen (Eph 2,10). Dadurch werden andere motiviert, es ebenso zu tun. Deshalb wollen wir uns konkret die Frage stellen: Habe ich heute die guten Werke getan, die Gott mir an meinen Weg gelegt hat, oder bin ich achtlos daran vorbeigegangen? Je nachdem, wie die Antwort ausfällt, war ich damit ein gutes oder ein schlechtes Vorbild.

Zu Timotheus sagt der alte Apostel: ,... sei ein Vorbild der Gläubigen in Wort, in Wandel, in Liebe, in Glauben, in Keuschheit" (1. Tim 4,12). Hier werden fünf Lebensbereiche genannt, die uns alle angehen.

In Wort: Was sprechen wir alles im Lauf eines Tages? Ist unser Reden vorbildlich für andere? Wie häufig passen wir uns doch in unserer Sprache, in unserem Vokabular dieser Welt an! Eine andere Frage ist auch, ob unsere Worte immer der Wahrheit entsprechen.

In Wandel: Eine echte Lebensverbindung mit dem Herrn Jesus drückt sich nicht nur in unserem Sprechen aus, sondern vor allem in unserem Verhalten. Ob dieser Wandel vorbildlich ist oder nicht, sieht man nicht so sehr am Sonntag, sondern im Alltag.

Hier zeigt sich, was wir von dem Herrn Jesus gelernt haben.

In Liebe: Gottes Liebe ist durch den Heiligen Geist in unsere Herzen ausgegossen (Röm 5,5). Diese Liebe dürfen wir an andere weitergeben. Nach der Bibel bedeutet das, dem anderen nur das Beste zu gönnen. Liebe kann ein freundliches Wort, eine Ermunterung oder eine praktische Unterstützung sein. Liebe drückt sich auch in einer Warnung aus, wenn wir sehen, daß jemand im Begriff steht, eine Sünde zu begehen.

In Glauben: Hier geht es nicht um den Glauben, durch den wir errettet werden, sondern um das tägliche Vertrauen auf den, der immer bei uns ist. Über diesen Glauben zu reden und zu schreiben, ist recht einfach. Ihn zu praktizieren, ist viel schwie-riger. In diesem Punkt können wir häufig von Kindern etwas lernen. Wir wollen Gott in allem glaubend vertrauen.

In Keuschheit: Dieses Wort verstehen wir kaum noch, weil die Eigenschaft selbst sehr unpopulär geworden ist. Keuschheit ist ein Leben in Reinheit nach den moralischen Grundsätzen der Bibel. Dies schließt ganz besonders unser Sexualleben ein. Wollen wir auch hierin Vorbilder sein? Die Welt verhält sich völlig anders. Rein in die Ehe zu gehen - um nur ein Beispiel zu nennen -, das ist heute die Ausnahme. Nach Gottes Wort sollte es eine Selbstverständlichkeit für uns sein. Deshalb dürfen wir hier Zeichen setzen und Vorbild sein, indem wir anders sind als die Welt.

Vorbild zu sein, geht uns alle an. Dazu gibt es ausreichend Gelegenheit - in der Familie, in der Schule, am Arbeitsplatz, in der Gemeinde, während der Freizeit usw. Wir können uns da nicht herausstehlen, indem wir sagen: „Nobody is perfect." Natürlich sind wir nicht perfekt. Vollkommen ist nur der Herr Jesus. Bei uns wird es immer wieder Bereiche geben, in denen unser Leben eben kein Vorbild ist. Aber das soll uns nicht mutlos machen. Mit der Hilfe unseres Herrn ist immer Änderung möglich. Er ist es, der uns zu Vorbildern machen möchte. Wollen wir uns da widersetzen?