Paul Gerhardt - Dichter der Christenheit

Paul Gerhardt – Dichter der Christenheit 12.03.1607 – 27.5.1676

Lieder wie „Befiehl du deine Wege“ „Du meine Seele, singe“ und „O Haupt voll Blut und Wunden“ sind wohl manchen der Leser gut bekannt. Sie entstammen der Feder eines Mannes, der vor ungefähr 400 Jahren geboren wurde.

Paul Gerhardt wurde am 12. März 1607 in Gräfenhainichen geboren. Die ersten Schulkenntnisse wurden ihm in der aus zwei Klassen bestehenden Schule seiner Heimatstadt vermittelt. Später brachte ihn sein Vater auf eine der drei berühmten sächsischen Landesschulen, die Domschule nach Grimma. Schon recht früh trat das Leid in sein Leben. Zuerst starb sein Vater. Als er 14 Jahre alt war, wurde auch seine Mutter abgerufen. Mit drei Geschwistern stand er jetzt allein auf der Welt.

Schon in diesem Alter durfte er Erfahrungen mit seinem Gott machen und lernte, sein Vertrauen auf Ihn zu setzen. Aus erhalten gebliebenen Zeugnissen der Jahre 1624 und 1625 lässt sich entnehmen, dass er ein fleißi- ger, gut gesitteter Schüler war. Im Dezember 1627 verließ er Grimma und begann an der Wittenberger Universität das Studium der Theologie. Es ist jedoch nicht bekannt, wo er sich in den Jahren 1628-42 aufhielt. Die Wirren des Dreißigjährigen Krieges werden sicher auch den Universitätsbetrieb mehr oder weniger zum Erliegen gebracht haben. Ende 1651 wurde er Propst1 in Mittenwalde bei Berlin und Inspektor der umliegenden Landpfarreien.

Der Liederdichter

Immer wieder, eigentlich sein ganzes Leben lang, hat Gerhardt gedichtet. Einen Großteil der uns heute noch bekannten Gedichte hat er bereits zwischen 1643 und 1653, also im Alter von 37 bis 47 Jahren, verfasst. Er hatte Kontakte zu Johan Crüger, dem Kantor2 der Berliner Nicolai-Kirche, einem begabten Kirchenmusiker, der damals auch Gesangbücher im Berliner Raum zusammenstellte. Dadurch gelangten Gerhardts Dichtungen, mit eingängigen Melodien aus Crügers Feder versehen, in die Gesangbücher. So fanden sie schnelle, weite und lang anhaltende Verbreitung. Die letzte von Crüger redigierte Ausgabe im Jahr 1667 enthielt bereits 95 Lieder von Paul Gerhardt.

Eine ganz bemerkenswerte Dichtung ist das Lied „Befiehl du deine Wege“: Jede Strophe beginnt mit einem Wort aus Psalm 37,5, so dass insgesamt 12 Strophen entstanden. Die erste (und einige weitere) sind zum erneuten Einprägen sicher sehr wertvoll, weshalb wir sie hier wiedergeben:

Befiehl du deine Wege,

Und was dein Herze kränkt, Der allertreusten Pflege,

Des, der den Himmel lenkt,

Der Wolken, Luft und Winden

Gibt Wege, Lauf und Bahn,

Der wird auch Wege finden,

Da dein Fuß gehen kann.

Ehe in bitterer Armut

Er heiratete im Februar 1655 Anna Maria, geb. Berthold. Es folgte eine glückliche Zeit, aber wenig später schon kamen so manche notvolle Umstände. Eine alte Geschichte berichtet davon. Als nicht einmal mehr ein Stäublein Mehl im Kasten und keine Rinde Brot mehr im Schrank gewesen war, sei seine Frau mit Sorgen zu Paul Gerhardt gekommen mit den Worten: „Gib mir nur einen Groschen, dass ich das Allernötigste kaufen kann. Sonst kann ich dir heute nicht einmal den Tisch zu Mittag decken!“ Aber nicht ein Kreuzer3 fand sich. Der treue Ehemann tröstete: „Ich will dir eine Speise besorgen, die nicht vergeht.“ Er setzte sich in sein Gartenhaus und schrieb das Lied „Befiehl du deine Wege“, welches wohl zu den bekanntesten der 133 Lieder gehört, die aus der Feder Paul Gerhardts hervorkamen.

Tröster aus eigenem Erleben

Am 19. Mai 1656 wurde ihnen am Geburtstag von Anna Maria eine Tochter geschenkt. Aber sie blieb den Eltern nicht lange erhalten. Ein halbes Jahr später, am 28. Januar 1657, ist das Kind in der Kirche zu Mittenwalde begraben worden. Noch drei Mal mussten die beiden Eheleute an Gräbern ihrer Kinder stehen. Ein zweites Töchterchen starb bereits 14 Tage nach seiner Geburt. Ihr Sohn Andreas, zwei Jahre später geboren, scheint ebenfalls wenige Tage nach seiner Geburt gestorben zu sein. Nach der Geburt des dann folgenden Söhnchens Paul Friedrich wurde seine Frau sehr leidend. Noch einmal gab sie einem Kinde das Leben; es starb jedoch bald nach der Geburt. Dann wuchs sich ihr Brustleiden zu unheilbarem Siechtum aus. Zwei Ärzte mühten sich um sie, aber sie vermochten die Schwindsucht nicht mehr zu bannen. Bewegend ist die Geschichte ihres Heimgangs. Der Gatte sah, wie es mit ihr zu Ende ging. Er wollte sie gern auf die Todesstunde vorbereiten, ohne sie zu erschrecken. Als sie ihn bat, ihr doch aus seinem geschriebenen Gesangbuch Sterbe- und Passionslieder vorzulesen, versuchte der Dichter der großen Trostchoräle seine Frau mit seinen eigenen Liedern zu trösten:

Wenn ich einmal soll scheiden,

so scheide nicht von mir;

wenn ich den Tod soll leiden, so tritt du dann herfür;

wenn mir am allerbängsten

wird um das Herze sein,

so reiß mich aus den Ängsten kraft deiner Angst und Pein.

Von Anna Maria Gerhardt liegt ein ergreifendes Tagebuch vor, in dem sie ihren persönlichen Empfindungen bei vielen, meistens schmerzlichen Anlässen Ausdruck gab. Es endet vor ihrem Heimgang mit den beeindruckenden Worten: „In deine Hände befehle ich Seele und Leib! Ich kann nicht mehr – die Hand zittert! Christus ist mein Leben und Sterben, mein Gewinn“4.

Am 5. März 1668 ist sie dann heimgegangen. Sie wurde neben ihren Eltern und Kindern in der Nikolaikirche beigesetzt.

Gewissensnot im Kirchenstreit

Es waren nicht nur die Kriegsnöte des 30- jährigen Krieges und die tiefen Leiden in der eigenen Familie sowie die Anfeindungen neidischer Amtskollegen, die ihn mit seinen Liedern zum großen Tröster der Christenheit machten, sondern die traurigen Erfahrungen, die er als bekennender Christ in der Kirche seiner Zeit machte. Nachdem Paul Gerhardt im Sommer 1657 als Kirchendiener an St. Nikolai nach Berlin kam, verwaltete er dort fünf Jahre friedlich sein Amt. Als sich der Kurfürst dann der reformierten Lehre verpflichtete, kam er jedoch in tiefe innere Konflikte. Paul Gerhardt hielt aus Gewissensgründen an der lutherischen Lehre fest und wurde deswegen seines Amtes enthoben. Zwar wurde er nach einer Zeit aufgrund vieler Bittschriften und Bemühungen wieder in sein Amt eingesetzt, verzichtete aber um seines Gewissens und Bekenntnisses willen im Februar 1667 darauf. In der folgenden Berliner Zeit blieb er ohne Anstellung, war aber nicht untätig und auch nicht mittellos. Die Frucht der freien Jahre waren seine reifsten Lieder. Dabei ist es schön zu sehen, dass Paul Gerhardts Lieder frei sind von jeder konfessionellen Polemik und weiterhin Trost im Glauben vermitteln, der allen Christen gilt.

Das Gedächtnis des Gerechten ist zum Segen

Doch das Leben ging weiter. 1669 bot ihm Lübben in der Lausitz die Stelle des Archidi- akonus an. So verließ er Kurbrandenburg und kehrte nach Kursachsen zurück. Von mehreren Kindern war nur ein Sohn, Paul Friedrich, übrig geblieben, der ihn überlebt hat. Bis zum Tode am 27. Mai 1676 hat Paul Gerhardt in dem kleinen Spreewaldstädtchen gewirkt, still und bescheiden, wie es seinem Wesen entsprach.

In diesem Mann haben wir einen Christen kennen gelernt, der in den von Gott gesandten Prüfungen und Nöten nicht zerbrochen ist, sondern in seinem Gottvertrauen gewachsen ist. Durch den Trost, mit dem er selbst von Gott getröstet wurde, war er in der Lage, andere zu trösten, die in ähnliche Umstände gekommen sind. Durch seine Lieder und Verse erleben auch heute noch manche leidgeprüfte Menschen diesen Trost. Woher nimmt ein Mensch in solchen Leiden und schwierigen Umständen noch Freude und Kraft zum fröhlichen Christsein? Fragen wir Paul Gerhardt selbst und lassen ihn durch seine Lieder antworten:

 

Warum sollt ich mich denn grämen?

Hab ich doch Christum noch;

Wer will mir den nehmen?

 

Herr, mein Hirt, Brunn aller Freuden,

Du bist mein, ich bin dein;

Niemand kann uns scheiden.

 

Sollt ich meinem Gott nicht singen?

Sollt ich ihm nicht dankbar sein?

Denn ich seh in allen Dingen,

Wie so gut er’s mit mir mein’.

Ist’s doch nichts als lauter Lieben,

Das sein treues Herz bewegt,

Das ohn’ Ende hebt und trägt,

Die in seinem Dienst sich üben.

Alles Ding währt seine Zeit,

Gottes Lieb in Ewigkeit.

 

Zudem sind die Lieder über das Leiden des Herrn (zum Teil aus alten lateinischen Hymnen abgeleitet) ebenfalls bis heute von großem Wert. Seit Jahrhunderten singen Christen mit innerer Anteilnahme Lieder wie „O Haupt voll Blut und Wunden“ und profitieren damit auch von der Wertschätzung Gerhardts für seinen Herrn und Heiland.

 

1 In der evangelischen Kirche Titel des Stellvertreters eines Bischofs in der Kirchenleitung für eine bestimmte Region oder Oberhaupt eines Kirchenbezirks.

2 Vorsänger bzw. Chorleiter im Gottesdienst

3 Ein Geldstück mit geringem Wert, vergleichbar dem heutigen Cent.

4 Zitiert aus Dr. E. Dönges, Ich singe dir mit Herz und Mund, Dillenburg 1989, S. 19