Worin besteht die Macht des Todes?

Frage: Ich bitte um eine Erläuterung von Hebräer 2,14.15. Worin besteht genau die ,,Macht des Todes", die der Teufel hat? Inwiefern kann er diese Macht nicht mehr auf Gläubige anwenden? Er hat doch nicht die Macht, Gläubige zu töten (Offb 1,18), wie man hin und wieder hört? Ist der Tod nicht vielmehr ein mächtiges Werkzeug in der Hand des Teufels, um Ungläubige zu quälen, damit sie - so in Furcht und Schrecken versetzt - sich nicht zu Gott hinwenden? 


Antwort: Gern zitiere ich zuerst einmal den genauen Bibeltext: ,,Damit er durch den Tod den zunichte machte, der die Macht des Todes hat, das ist den Teufel, und alle die befreite, die durch Todesfurcht das ganze Leben hindurch der Knechtschaft unterworfen waren." Der Hebräerbrief richtet sich an Gläubige aus den Juden. Der gesamte Brief ist eine einzigartige Gegenüberstellung des Judentums mit dem Christentum. Das trifft sicherlich auch auf diese Verse in Kapitel 2 zu. In Vers 16 fährt der Schreiber des Briefes mit den Worten fort: ,,Denn er nimmt sich fürwahr nicht der Engel an, sondern des Samens Abrahams nimmt er sich an ." Kann man daraus nicht ableiten, daß es in unserem Abschnitt ebenfalls um eine Gegenüberstellung der AT-Gläubigen mit den NT-Gläubigen geht?

Worin besteht die ,,Macht des Todes" (Heb 2,14.15)?


Für die Gläubigen der Gnadenzeit ist der Tod in Sieg verschlungen (1. Kor 15,54). Er ist ein Diener, der die Gläubigen, falls sie sterben, zum Herrn bringt. Die großartige Hoffnung ist ja, daß wir zum Herrn entrückt werden. Für die Gläubigen der jetzigen Haushaltung braucht es keinerlei Todesfurcht zu geben. Wie völlig anders war das für die Gläubigen zu der Zeit vor dem vollbrachten Werk des Herrn Jesus. Was wußten sie genau von einem Weiterleben nach dem Tode? Natürlich geben verschie- dene Stellen des AT Hinweise auf die Auferstehung. Denken wir nur an die Worte Hiobs (Kap. 19,25-27). Doch welche konkreten Vorstellungen hatten sie? Wie gewaltig waren die Worte, die der Schächer aus dem Mund des Herrn Jesus hören durfte: ,,Wahrlich, ich sage dir: Heute wirst du mit mir im Paradies sein" (Lk 23,43). Für den Schächer gab es keine Todesfurcht mehr.


Inwieweit gab es für die AT-Gläubigen echte dauerhafte Heilsgewißheit? Worauf sollte sie sich auch gründen? Natürlich leuchtete der Glaube bei vielen helI durch (Heb 11). Doch was war beispielsweise, wenn jemand gesündigt hatte? Normalerweise mußte er für seine Sünde ein Opfertier darbringen. Was geschah, wenn er es nicht tat oder solange er keine Gelegenheit dazu hatte ? Jedenfalls stand etwas zwischen seim Gewissen und Gott. Mußte jemand nicht Furcht vor dem Tod haben, wenn er daran dachte, plötzlich sterben zu müssen (in etwa vergleichbar mit einem aufrichtigen Katholiken, der ohne Beichte starb)?


Mangelnde Heilsgewißheit führt bei aufrichtigen Seelen zu Furcht und Angst. Solche Furcht und Angst konnte für den Teufel ein Anlaß sein, die Gläubigen zu versuchen und eine gewisse Knechtschaft (das Gegenteil  christlicher Freiheit und Glaubensgewißheit) zu führen. Er ist es ja, der die Gläubigen vor Gott verklagt (Offb 12). So ,,verklagte" er gleichsam auch Hiob bei Gott. Wie schwerhat Satan Hiob zugesetzt, so daß dieser sich fürchtete und ängstigte. In dieser Furcht machte er sich ein völlig falsches Bild von  Gott. Er meinte, Gott würde in ihm seinen Feind sehen (13,24; 33,lO). Im Grunde fürchtete Hiob immer schon einen Schrecken, der dann tatsächlich eintraf (Hiob 3,25, siehe auch 7,13-16).

Ein weiteres Beispiel für Todesfurcht ist Hiskia. Als er hörte, daß er sterben sollte, über fiel ihn große Angst und großer Schrecken (Jes 38,10-17). Sowohl das Verhalten Hiobs als auch das des Hiskia wäre für einen Gläubigen in der Gnadenzeit völlig unpassend. Wäre es nicht ein Beweis dafür, daß solche Gläubige nicht wirklich die Befreiung kennengelernt haben?

Ich finde es nicht einfach, genau zu sagen, worin nun die Macht des Todes besteht (o. bestand), die der Teufel hat(te). Die Macht des Todes ist nicht so sehr ,,Autorität [gr. exousial]über den Tod", die im absoluten Sinn nur Gott hat - Er ist der Herr über Leben und Tod -, sondern Macht im Sinne von Kraft [gr. kratos]. Jedenfalls besteht doch ein enger Zusammenhang zwischen der Macht der Sünde und der ,,Macht des Todes", indem die Sünde unweigerlich zum Tode führt. Als Adam und Eva der Schlange folgten, verloren sie in gewisser Weise die Autorität, die Gott ihnen über die Schöpfung gegeben hatte. Mose mußte als Zeichen seiner Autorität seinen Stab vor dem Volk hinwerfen, der dadurch zu einer Schlange wurde (2.Mo 4). Das hingeworfene Zeichen der Macht nahm satanische Gestalt an. Der Herr Jesus wird die Macht einmal wieder in die Hand nehmen. Dann wird die Schlange sich wieder in einen Stab verwandeln.

Der Schlangenbiß führt zum Tode. Der Teufel übt durch die Sünde und den Tod bis heute seine Schreckensherrschaft aus. Er weiß zwar die Ungläubigen zu blenden, doch erweckte Seelen vermag er in Furcht und Schrecken zu versetzen. Leider waren die Gläubigen im AT noch nicht davon befreit. Wie glücklich dürfen wir sein, daß wir  auf ein vollbrachtes Werk zurückschauen dürfen, auf das sich für uns völlige Heilsgewißheit gründen kann.