Weint mit den Weinenden

Weint mit den Weinenden (Röm 12,15)

Im vorigen Heft haben wir darüber nachgedacht, was es heißt, sich mit den Freuenden zu freuen. Heute wollen wir kurz dabei stillstehen, wie man mit den Weinenden weinen kann. Im allgemeinen kommen die Freunde Hiobs, wenn wir über sie sprechen, nicht gut weg. Sicher ist es gut, sich daran zu erinnern, daß sie auch andere Seiten hatten: „Und sie erhoben ihre Augen von ferne und erkannten ihn nicht; da erhoben sie ihre  Stimme und weinten, und sie zerrissen ein jeder sein Gewand und streuten Staub auf ihre Häupter himmelwärts. Und sie saßen mit ihm auf der  Erde sieben Tage und sieben Nächte lang; und keiner redete ein Wort zu ihm, denn sie sahen, daß der Schmerz sehr groß war" (Hiob 2, 12. 13). Das war echtes Mitleiden, echtes  Mitweinen.

Ich mag das Wort Sympathie in seinem ursprünglichen Sinn. Es leitet sich von den beiden griechischen Wörtern syn (= mit)  und pathos (= Leiden, Unglück, Kummer)  ab. Vielleicht ist echtes Mitleid(en) eine Eigenschaft, die man nur sehr schwer lernen kann, obwohl der Apostel die Gläubigen in Rom dazu auffordert.

Können wir überhaupt mit anderen weinen? In unserer abendländischen Kultur gilt öffentliches Weinen als Zeichen der Schwäche. Der Apostel war sicher alles andere als ,,sentimental" (in der negativen Bedeutung dieses Wortes). Als er sich von den Ältesten aus Ephesus in Milet verabschiedete, sprach er davon, daß er drei Jahre lang Nacht und Tag nicht aufgehört hatte, einen jeden mit Tränen zu ermahnen (Apg 20,31). Wenn es bei diesem Beispiel auch nicht um Mitleiden im Sinne des Weinens mit anderen geht, so ist es doch ein Beispiel dafür, wie innig Paulus am Ergehen anderer Anteil nahm. 

Wir haben einen vollkommenen Hohenpriester, der mit uns mitleidet (Heb  4,15). Er hat vollkommenes Mitgefühl mit uns, weil Er selbst in allen Situationen war, in die wir kommen können. Jakobus sagt, daß der Herr voll  innigen Mitgefühls und barmherzig ist (5,11). Ein Beispiel für dieses Mitleiden sehen wir,als der Herr mit den beiden Schwestern Martha und Maria an der Gruft des Lazarus weinte.