Galater 6,1-5

Fehltritte und Lastenträger

Ein besonderer Schwerpunkt im Galaterbrief ist die christliche Freiheit. Paulus zeigt, dass die Gläubigen durch das Werk des Herrn Jesus in mehrfacher Weise befreit worden sind. Wer möchte über solche Freiheiten nicht mehr erfahren? 

 

Zum Thema

Beide Worte der Überschrift erscheinen auf den ersten Blick nicht unbedingt positiv.

 

  • Ein Fehltritt kann unerwünschte Folgen haben. Für einen Bergsteiger kann ein Fehltritt den Absturz bedeuten. Der „normale Fußgänger“ kann sich immerhin bei einem Fehltritt den Fuß verstauchen.
  • Bei Lastenträgern denken wir vielleicht an einen armen Esel, der in manchen Ländern immer noch geduldig die Lasten der Menschen hin und her schleppt. Aber es gibt auch menschliche Lastenträger, die oft die Dummen zu sein scheinen und die nicht groß auffallen. Wer beachtet schon die vielen Paketzusteller, die täglich hunderte von Paketen mit Waren in die Häuser schleppen, die online bestellt worden sind? Wer denkt noch an die Sherpas, ohne die es 1953 unmöglich gewesen wäre, den Mount Everest erstmals zu besteigen? Sie trugen große Lasten auf dem Rücken.

 

Lastenträger werden von der Gesellschaft kaum wahrgenommen. Sie sind da und werden gebraucht, aber kaum jemand fragt nach ihnen.

Was bedeutet das für unser geistliches Leben? Paulus greift beide Themen in Galater 6,1-5 auf. Du solltest den Abschnitt in Ruhe durchlesen.

 

Ein Fehltritt

Es beginnt mit einem Fehltritt. Was ist das? Es ist klar, dass es um eine geistliche Belehrung geht und nicht darum, dass ich mit dem Fuß umknicke. Es geht um eine Sünde, die jemand getan hat. Dieser „jemand“ kann jeder von uns sein – du und ich. Ein Fehltritt ist etwas, das man zwar nicht beabsichtigt hat, aber doch passiert. Wir kennen das aus unserem Leben. Wir sündigen, ohne dass wir es gewollt haben. Was nun?

Paulus greift das Thema hier von einer besonderen Seite auf. Er spricht nicht von dem, was der tun soll, der gesündigt hat, sondern was der tun soll, der seinen Bruder (seine Schwester) sündigen sieht. Wir sollen ihm (ihr) helfen, dass die Sache wieder in Ordnung kommt und sich möglichst nicht wiederholt. Dabei muss der Helfende aufpassen, dass er nicht selbst einen Fehltritt tut und sündigt.

 

Lastenträger sein

Und dann kommt Paulus auf das Thema „Lastentragen“ zu sprechen. Er sagt:

 

„Einer trage des anderen Lasten!“

 

Achtung: Paulus sagt nicht: „Einer trage des anderen Sünden“. Das konnte nur einer tun – unser Herr. Er ist tatsächlich DER Lastenträger gewesen und hat eine Last auf sich genommen, die sonst niemand tragen konnte. Davon schreibt Petrus: „Er hat selbst unsere Sünden an seinem Leib auf dem Holz getragen“ (1. Pet 2,24). Das konnte tatsächlich nur Er tun.

Was bedeutet es dann, dass wir die Lasten des anderen tragen sollen? Eine Last ist ein schweres Gewicht, das uns drückt. Solche Lasten können dazu führen, dass jemand sündigt, obwohl er es nicht wollte. Aber wir können das Wort auch weiter fassen. Lasten sind Dinge, die uns das Leben schwer machen. Das können Sorgen und Probleme sein, es können Schwierigkeiten und Herausforderungen, Schwächen und Unerfahrenheit oder auch Angst und Unsicherheit sein. Jeder Mensch trägt solche Lasten, die für ihn auch zu einer Gefahr werden können, etwas zu tun, was die Bibel Sünde nennt.

Hier können wir uns gegenseitig helfen und die Lasten des anderen tragen.

 

Zwei Voraussetzungen

Um die Lasten des anderen tragen zu können, gibt es mindestens zwei Voraussetzungen:

 

  • Erstens: Wir brauchen offene Augen, um zu sehen, welche Last der andere denn trägt. Das setzt Interesse an meinem Bruder und an meiner Schwester voraus. Wenn wir nur an uns selbst denken, kommen wir gar nicht erst auf die Idee, anderen zu helfen.

 

Frage: Hast du offene Augen für deine Glaubensgeschwister?

 

  • Zweitens: Wir müssen bereit sein, anderen tatsächlich zu helfen. Er reicht nicht aus, dem anderen viel Kraft zum Tragen zu wünschen. Wer Lasten trägt, ist bereit, den eigenen Rücken krumm zu machen, sich nach unten zu beugen und sich etwas auf die Schultern legen zu lassen.

 

Frage: Bist du bereit, die Lasten anderer zu tragen?

 

Lastentragen konkret

Wie sieht das konkret aus? Lastentragen kann sich unterschiedlich äußern. Es fängt in der Regel mit Gebet an. Wenn wir für andere Zeit im Gebet investieren, ist der erste Schritt getan. Aber dann setzt sich Lastentragen darin fort, dass wir konkrete Hilfe anbieten. Das kann praktische und geistliche Unterstützung sein. Es kann ein Gespräch sein, für das wir uns Zeit nehmen. Es kann ein Tipp für eine Problemlösung sein. Es kann eine Warnung oder eine Motivation sein. Und das nicht nur einmal, sondern wiederholt.

 

Einer des anderen

Paulus sagt: „Einer trage des anderen Lasten“. Lastentragen ist keine Einbahnstraße. Jeder trägt seine Last und jeder braucht Hilfe. Einmal helfe ich dem anderen. Ein anderes Mal brauche ich die Hilfe des anderen. Keiner ist immer nur stark und keiner ist immer nur schwach. Keiner sollte denken, er brauche die Hilfe des anderen nicht. Es ist „Geben und Nehmen“ – wobei Geben immer „seliger“ (d.h. das größere Glück) ist als Nehmen (Apg 20,35).

 

Das Gesetz des Christus erfüllen

Paulus fügt hinzu: „… und so erfüllt das Gesetz des Christus“. Das ist nicht so sehr eine Aufforderung, sondern vielmehr eine Feststellung. Wer dem anderen hilft, erfüllt tatsächlich das Gesetz des Christus. Das ist nicht das Gesetz aus dem Alten Testament, sondern das Gesetz der Liebe (lies Joh 13,34; 15,12), das der Herr Jesus in seinem Leben auf der Erde perfekt ausgelebt hat. Lastenträger zu sein bedeutet, den anderen zu lieben und dies zum Ausdruck zu bringen.

 

Jeder wird seine eigene Last tragen

Der Abschnitt endet in Vers 5 mit genau dieser Feststellung, dass jeder seine eigene Last tragen wird. Wieso das? Ist das nicht ein Widerspruch zu dem, was vorher gesagt wird? Nein: In Vers 5 geht es um etwas anderes. Dort zeigt Paulus, dass wir natürlich auch eine Verantwortung für uns selbst haben. Wir sollen uns selbst kritisch prüfen, unsere eigenen Fehler erkennen und vor unserem Herrn bekennen. Das wird schon daran erkennbar, dass im Grundtext für „Last“ zwei ganz verschiedene Worte gebraucht werden.

 

Fazit: Es lohnt sich, Lastenträger zu sein – auch wenn es auf den ersten Blick wenig attraktiv erscheint!