Galater 5,1-15

Die christliche Freiheit und ihre Bedrohungen

Ein besonderer Schwerpunkt im Galaterbrief ist die christliche Freiheit. Paulus zeigt, dass die Gläubigen durch das Werk des Herrn Jesus in mehrfacher Weise befreit worden sind. Wer möchte über solche Freiheiten nicht mehr erfahren?

 

Christliche Freiheit – exzellente Lebensqualität!

Der Christ darf herrliche Befreiungen kennenlernen und genießen: Er ist befreit

  1. von der Welt (Kap. 1,4),
  2. von dem Gesetz (Kap. 2,19),
  3. von dem eigenen Ich, dem Fleisch (Kap. 5,16).

 

Da das richtige Verhältnis zum jüdischen Gesetz ein spezielles Problem für die Galater war, geht Paulus ganz besonders auf die Befreiung des Christen vom Gesetz ein. Er macht deutlich, dass das Gesetz

  • nicht die Grundlage unserer Rechtfertigung vor Gott ist (Kap. 2,16),
  • nicht die Grundlage unserer Stellung vor Gott ist (Kap. 4,5) und
  • nicht die Grundlage unseres Glaubenslebens ist (Kap. 3,23-4,7; 5,6.13-26).

 

Der Bibelausleger W. Kelly beschreibt die christliche Freiheit sehr treffend: „Unsere Freiheit in Christus soll zur Heiligung genutzt werden. Erst kommt die Freiheit, dann folgen Kraft und Liebe.“

Der so befreite Christ ist ein reich gesegneter Mensch und besitzt mit der christlichen Freiheit ein sehr wertvolles Gut, das allerdings von Gefahren bedroht wird. Warum wird die Freiheit bedroht? Weil der Teufel nicht möchte, dass wir als Kinder Gottes ein glückliches und befreites Leben, geleitet durch den Heiligen Geist, führen. In unserem Bibeltext werden zwei dieser Bedrohungen oder Gefahren vorgestellt:

 

  1. Gesetzlichkeit (V. 1-12)
  2. Großzügigkeit (V. 13-15)

 

Bedrohung der Freiheit durch Gesetzlichkeit

Vor ihrer Bekehrung hatten die Galater als Heiden unter der Knechtschaft der Sünde gelebt. Durch Christus waren sie davon befreit und zu der wunderbaren christlichen Freiheit gebracht worden. Allerdings standen sie in großer Gefahr, auf falsche Lehrer zu hören, die sie wieder in eine Knechtschaft führen wollten – unter die Knechtschaft des Gesetzes und des Judentums.

Paulus beginnt deshalb damit, die Galater zu erinnern, dass Christus sie für die Freiheit freigemacht hat. Zugleich fordert er sie auf, fest in dieser Freiheit zu stehen. Dann warnt er die Galater mit der Autorität eines Apostels in Kapitel 5,2-12 sehr ernst und zeigt, wie gefährlich und verkehrt es ist, sich als Christ wieder unter das Gesetz zu stellen, indem man meint, dadurch gerettet zu werden.

Paulus argumentiert dabei am Beispiel der Beschneidung. Die Beschneidung war das äußere Zeichen der Zugehörigkeit zum Judentum und steht hier stellvertretend für das gesamte System des Gesetzes. „Wenn ihr beschnitten werdet, wird Christus euch nichts nützen“, heißt es zusammenfassend in Vers 2. Paulus will sagen: Wenn ihr euch beschneiden lasst, verlasst ihr den Bereich der Gnade und des christlichen Segens und wechselt wieder in den Bereich des Gesetzes. Ihr verspielt die christliche Freiheit und begebt euch auf einen Weg, wo ihr durch Gesetzeswerke vor Gott gerechtfertigt werden wollt. Auf diesem Weg wird Christus euch nichts nützen. Ihr beraubt euch des ganzen Segens, der mit der Person und dem Werk des Herrn Jesus in Verbindung steht. Zudem müsst ihr daran denken, dass es das Gesetz nur als „Komplettpaket“ gibt. Ihr könnt euch nicht nur einzelne Gebote aussuchen, die ihr halten wollt. Wer auf dem Weg des Gesetzes zu Gott kommen will, muss jedes einzelne Gebot und alle Forderungen des Gesetzes erfüllen.  

 

Gesetzlichkeit heute – frommer durch Vorschriften?

Das konkrete Problem der Galater, dass uns falsche Lehrer dazu bringen wollen, uns unter das jüdische Gesetz zu stellen, um das Heil zu erlangen, haben wir eher nicht so sehr. Für uns besteht die Gefahr mehr darin, dass wir uns selbst gesetzliche Forderungen1 auferlegen, in der Meinung, dadurch dem Herrn Jesus besonders zu gefallen. Doch das ist fleischlich. Auf diese Weise beraubt man sich selbst der wunderbaren Freiheit, die Christen haben und steht in Gefahr, entweder unglücklich oder selbstgerecht zu werden. Unglücklich, weil man an den Gesetzen scheitert, und selbstgerecht, weil man sich treuer fühlt als andere Glaubensgeschwister, die diese selbstauferlegten Gebote nicht erfüllen. Hinzu kommt, dass sich ein gesetzlicher Geist auf das beschränkt, was der eigene „Kodex“ vorgibt. Für die Leitung des Heiligen Geistes, der immer Christus und dessen Maß an Liebe und Hingabe vor Augen führt, bleibt dann wenig Platz. Daher müssen wir im Blick auf die Gefahr der Gesetzlichkeit aufpassen.

 

Bedrohung der Freiheit durch Großzügigkeit

Eine zweite Gefahr im richtigen Umgang mit der christlichen Freiheit ist, dass man sie „zu einem Anlass für das Fleisch“ gebraucht (V. 13). Paulus will damit sagen: Nur weil ihr zur Freiheit berufen seid, heißt das nicht, dass ihr jetzt machen könnt, was ihr wollt. Unser Fleisch, die sündige Natur in uns, denkt immer nur an sich selbst und daran, die eigenen Begierden zu erfüllen. Zudem gebraucht es gerne die christliche Freiheit als einen Vorwand für weltliche oder sogar sündige Vergnügungen oder Angewohnheiten. Doch als Christen wollen wir nicht zügellos leben, wollen wir die Freiheit nicht zu einem Anlass für das Fleisch gebrauchen oder sogar als einen Deckmantel, unter dem wir boshafte Dinge tun (1. Pet 2,16). Nein, wir benutzen die Freiheit, um den Willen des Herrn zu tun und einander in Liebe zu dienen.

 

Die Liebe - das Bewahrungsmittel vor Gesetzlichkeit und Großzügigkeit

Die Liebe wird sowohl im Zusammenhang mit der Gefahr der Gesetzlichkeit als auch in Verbindung mit der Gefahr der Großzügigkeit erwähnt. In Vers 6 wird von dem Glauben gesprochen, „der durch die Liebe wirkt“ und in Vers 13 heißt es: „durch die Liebe dient einander“. Wenn wir im Blick auf die christliche Freiheit in der einen oder anderen Weise Fehler machen, wird immer auch unser Verhältnis untereinander beeinflusst. Wenn wir gesetzlich werden, verhalten wir uns anderen gegenüber schnell hart und unbarmherzig. Wir sehen uns selbst als das Maß der Dinge und verurteilen andere, die nicht nach unseren Vorstellungen leben. Wenn wir andererseits oberflächlich und egoistisch sind, verfolgen wir oft rücksichtslos unsere eigenen Interessen und nehmen keine Rücksicht auf andere.

Vor beiden Gefahren kann uns die Liebe bewahren, die in Vers 14 als Summe des ganzen Gesetzes bezeichnet wird. Statt kalter Gesetzlichkeit prägt uns dann Glauben, der sich durch die Liebe zu Gott und zum Nächsten äußert. Statt egoistischer Selbstverwirklichung sind wir dann darauf ausgerichtet, einander durch die Liebe zu dienen.

 

Der Heilige Geist – die Kraft zum Praktizieren echter Freiheit

Neben der Liebe stellt der Apostel Paulus ab Vers 16 noch ein weiteres Bewahrungsmittel vor: den Heiligen Geist, den wir als Christen besitzen. Wenn wir die christliche Freiheit unter der Leitung des Heiligen Geistes ausleben und dabei von Liebe im Miteinander geprägt sind, können wir unseren Weg glücklich, zur Ehre des Herrn und zum Segen für andere gehen!

 

 



[1] Solch eine Forderung könnte beispielsweise sein: „Als guter Christ darf man überhaupt keinen Alkohol trinken“ oder: „Als Christ muss man täglich mindestens eine Stunde in der Bibel lesen und beten.“