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Christentum und Jüngerschaft - gehört das zusammen?

Fragenbeantwortung zu dem Artikel: Ein Jünger Jesu sein - was bedeutet das eigentlich?

 

Guten Tag,

 

Ich habe diesen Artikel gelesen (Heft 3/2012). Habe jedoch eine Frage dazu: Wie kommen Sie dazu, dieses zu schreiben:

 

Christentum und Jüngerschaft sind untrennbar miteinander verbunden.

 

Es ist ja bekannt, dass die wahren Jünger Jesu (Apostel) den Apostel Paulus als Apostel nicht akzeptierten.

 

Gibt es solche Gruppen, die Jünger Jesu sind?

Danke für die Antwort.

 

H.N.
 

 

 

Liebe H.N.,

 

herzlichen Dank für die Zuschrift. Es freut uns immer, wenn ein Artikel sorgfältig gelesen wird und offene Fragen angesprochen werden. So kann man sich gegenseitig helfen.

 

Als Autor des angesprochenen Artikels zum Thema «Jüngerschaft» möchte ich versuchen, auf die gestellten Fragen einzugehen. Ich tue das bewusst etwas ausführlicher, weil ich den Eindruck habe, dass die Kommentare ein grundsätzliches Problem ansprechen, über das es wichtig ist, Klarheit zu haben.

 

  • Die erste Frage ist relativ einfach zu beantworten. Jüngerschaft und Christentum sind deshalb so eng miteinander verbunden, weil die Bibel es selbst so sagt. In Apostelgeschichte 11,26 lesen wir die vom Heiligen Geist inspirierten Worte, «dass die Jünger zuerst in Antiochien Christen genannt wurden[GS1] ». Welche Jünger waren das? Ganz sicher nicht die 12 Jünger Jesu (die Apostel), sondern die Menschen in Antiochien, die den Herrn Jesus als Retter angenommen hatten und Ihm nachfolgten. Ich finde in der Bibel keinen Hinweis, dass die «wahren Jünger» nur die 12 Apostel gewesen wären. Nein, alle Nachfolger Jesus waren seine Jünger. Das zeigen viele Beispiele in der Apostelgeschichte deutlich.
  • Es gibt keinen Hinweis in der Bibel, dass die 12 Apostel Paulus nicht als Apostel akzeptiert hätten. Beim Lesen von Apostelgeschichte 9,26 könnte man das vielleicht denken, aber die Angst der Gläubigen in Jerusalem war ja verständlich, weil sie Saulus nur kannten, wie er vor seiner Bekehrung war. Nachdem Barnabas sich dann des Saulus annahm und ihn zu den Aposteln brachte, war die Sache erledigt. Danach lassen sich keine Animositäten erkennen. Im Gegenteil: Petrus selbst nennt Paulus noch am Ende seines Lebens «unseren geliebten Bruder Paulus» und spricht von der «ihm gegebenen Weisheit» (2. Pet 3,15). Und Paulus selbst schreibt: dass «Jakobus und Kephas (Petrus) und Johannes, die als Säulen angesehen wurden, mir und Barnabas die Rechte der Gemeinschaft gaben» (Gal 2,9). Das würde der Heilige Geist sicher nicht so durch Paulus formuliert haben, wenn es nicht den Tatsachen entspräche. Es fällt auch auf, dass Paulus die Zwölf und sich in der Verkündigung des Evangeliums miteinander verbindet (1. Kor 15,11).

 

Nun zu dem Problem, das möglicherweise im Hintergrund deines Kommentars mitschwingt (wenn das nicht der Fall ist, dann ist es umso besser). Es geht darum, dass heute manche Christen anscheinend den gesprochenen Worten von Jesus größeres Gewicht beimessen als den geschriebenen Worten von Paulus oder den übrigen Schreibern der Briefe des Neuen Testamentes. Man könnte dieses Problem auch anders formulieren, nämlich:

 

«Mehr Jesus und weniger Paulus»

 

oder

 

«Wenn einzelne Bibelteile gegeneinander ausgespielt werden».

 

Es wird behauptet, dass dieses oder jenes eben «nur» von Paulus (oder anderen) geschrieben, nicht jedoch vom Herrn Jesus selbst gesagt worden sei. Man akzeptiert die Schriften von Paulus und anderen Verfassern der Bibel zwar grundsätzlich als «Gottes Wort», hält aber die biblischen Aussagen von Jesus Christus selbst doch für wichtiger. Wenn man genauer hinschaut, ist diese Argumentation nichts anderes als eine subtile Art der «Bibelkritik», die einer Überprüfung anhand der Bibel selbst nicht standhält. Es besteht nicht der geringste Zweifel daran, dass die von dem Herrn Jesus gesprochen Worte größte Bedeutung haben. Es besteht jedoch ebenso wenig Zweifel daran, dass die in der Bibel geschriebenen Worte der Apostel (und aller anderen Schreiber) durch die Inspiration des Geistes Gottes ebenfalls Gottes Wort und damit nicht weniger wichtig sind. Die ganze Bibel ist Gottes heiliges Wort.

 

Ohne irgendetwas unterstellen zu wollen, ist die Unterscheidung der Worte des Herrn selbst und der Apostel häufig ein vorgeschobenes Argument, die (ganz besondere) Botschaft von Paulus wirkungslos zu manchen, weil sie häufig unangenehm ist und nicht in unsere Zeit zu passen scheint. Man möchte auf diese Weise unangenehmen Themen aus dem Weg gehen, wie z.B. der Stellung von Mann und Frau in der Gesellschaft, der Ehe und der Gemeinde oder der Beziehung des Gläubigen zur Regierung.

 

Das Neue Testament ist aber – ebenso wie die ganze Bibel – eine Einheit. Der Herr Jesus hat sich zu seinen Lebzeiten immer wieder auf das Alte Testament bezogen und Er erklärt seinen Jüngern ausdrücklich, dass nach seinem Tod und seiner Rückkehr in den Himmel eine Zeit kommen würde, wo sie manches erst verstehen würden, was sie vorher gar nicht verstehen konnten, weil der Heilige Geist noch nicht auf sie gekommen war (z.B. Joh 16,13).

 

„Indem ihr dies zuerst wisst, dass keine Weissagung der Schrift von eigener Auslegung ist. Denn die Weissagung wurde niemals durch den Willen des Menschen hervorgebracht, sondern heilige Menschen Gottes redeten, getrieben vom Heiligen Geist“ (2. Pet 1,20.21).
Um es deutlich zu sagen: Wer versucht, die Worte Jesu von den Worten der Apostel – Paulus eingeschlossen – zu trennen, nimmt weder das Wort Gottes (die Bibel) noch Jesus Christus selbst wirklich ernst. Auf diese Weise „zerschneidet“ man die Bibel – und das ist unzulässig. Was Paulus und die anderen übrigen Autoren in ihren Briefen schreiben, ist „Gottes inspiriertes Wort“, d. h. sie schreiben vom Heiligen Geist geleitet (1. Kor 2,13; 2. Pet 1,21). Es ist derselbe Geist, durch den Jesus Christus ebenfalls geleitet wurde, als Er auf der Erde lebte, redete und handelte. Die Schreiber der Briefe haben nicht ihre eigenen Gedanken mitgeteilt, sondern Wort für Wort genau das aufgeschrieben, was Gott – der Heilige Geist – ihnen zu schreiben gab.

 

„Wir aber haben nicht den Geist der Welt empfangen, sondern den Geist, der aus Gott ist, um die Dinge zu kennen, die uns von Gott geschenkt sind; die wir auch verkündigen, nicht in Worten, gelehrt durch menschliche Weisheit, sondern in Worten, gelehrt durch den Geist, mitteilend geistliche Dinge durch geistliche Mittel“ (1. Kor 2,12.13).
„Alle Schrift ist von Gott eingegeben und nützlich zur Lehre, zur Überführung, zur Zurechtweisung, zur Unterweisung in der Gerechtigkeit“ (2. Tim 3,16). Alle Schrift – das umfasst die Evangelien ebenso wie die Briefe. Es gibt also keinen Unterschied in ihrer Wertigkeit, ihrem Gewicht und ihrer Aussagekraft. Gottes Aussagen sind immer gültig – egal, ob sie aus dem Mund von Jesus oder aus dem von Paulus, Petrus oder Johannes stammen (und gleiches gilt für die Schreiber des Alten Testamentes). Gottes Wort ist an jeder Stelle (sei es in den Evangelien, im Alten Testament oder den übrigen Schriften des Neuen Testamentes) fehlerfrei und kraftvoll.

 

Zwischenfazit: Es ist uns Menschen deshalb nicht erlaubt, den biblischen Aussagen von Paulus oder anderen Autoren, die sie unter der Leitung des Heiligen Geistes aufgeschrieben haben, ihre Kraft zu nehmen, indem man behauptet, sie stammen nicht von Jesus selbst. Die Lehren von Paulus, Petrus, Johannes oder Jakobus sind deshalb nicht weniger wichtig, weil sie nicht von dem Herrn Jesus selbst kommen.

 

In diesem Zusammenhang sei an die Aussage in 1. Timotheus 6,3 erinnert. Paulus schreibt: „Wenn jemand anders lehrt und nicht beitritt den gesunden Worten, die unseres Herrn Jesus Christus sind, und der Lehre, die nach der Gottseligkeit ist“. Der Zusammenhang zeigt, dass es nicht um Worte geht, die der Herr Jesus zu seinen Lebzeiten gesprochen hatte, sondern um eine Belehrung, die Paulus gegeben hatte. Was Paulus lehrte, entsprach den „gesunden Worten des Herrn Jesus Christus“ und zugleich der (christlichen) „Lehre, die nach der Gottseligkeit“ ist.

 

Dazu noch zwei weitere Beispiele: 

  • Petrus schreibt in 2. Petrus 3,2: «damit ihr euch erinnert an die von den heiligen Propheten zuvor gesprochenen Worte und an das Gebot des Herrn und Heilandes durch eure Apostel». Das macht klar, dass Jesus Christus durch die Apostel spricht und dass es keinen Unterschied macht, ob sie von Jesus Christus selbst gesprochen wurden oder durch die Apostel.
  • Lukas schreibt in Apostelgeschichte 26,23 folgende Worte des Paulus auf: «… nämlich, dass der Christus leiden sollte, dass er als Erster durch Toten-Auferstehung Licht verkündigen sollte, sowohl dem Volk als auch den Nationen». Wer hat dieses Licht verkündigt? Christus hat es getan – und zwar durch die Apostel. Das zeigt der Bericht in der Apostelgeschichte deutlich. Jesus hat nach seiner Auferstehung selbst nicht mehr direkt zu ungläubigen Menschen gesprochen. Er tat es durch die Apostel.

 

Wir brauchen für unser Leben als Jünger Jesu und Christen das ganze Wort Gottes – nicht nur die Lehren Jesu selbst, so wichtig sie auch sind. Die Schriften von Paulus und der übrigen Apostel enthalten wichtige Aussagen, die wir unbedingt für ein Leben zur Ehre Gottes nötig haben.

 

„Denn das Wort Gottes ist lebendig und wirksam und schärfer als jedes zweischneidige Schwert und durchdringend bis zur Scheidung von Seele und Geist, sowohl der Gelenke als auch des Markes, und ein Beurteiler der Gedanken und Überlegungen des Herzens“ (Heb 4,12).

 

Herr, Dein Wort, die edle Gabe,
diesen Schatz erhalte mir!
Denn ich zieh es aller Habe
und dem größten Reichtum für.
Wenn Dein Wort nicht mehr soll gelten,
worauf soll der Glaube ruhn?
Mir ist nicht um tausend Welten,
aber um Dein Wort zu tun.

Nikolaus Graf von Zinzendorf (1700-1760)

 

Herzliche Grüße im Namen des Herrn Jesus Christus

 

  

PS: Jünger Jesu gibt es an vielen Orten, auch in der Schweiz. Da ich deinen Wohnort nicht kenne, kann ich dazu leider mehr nicht sagen. Solltest du mir deinen Wohnort verraten wollen, könnte ich zumindest eine Kontaktvermittlung versuchen.