Bibel praktisch

Die Menschen von Babel

Vor ungefähr 4.500 Jahren hatten die Menschen nach der Flut die Idee, eine Stadt und einen sehr hohen Turm zu bauen. Diese Idee begannen sie auch umzusetzen, allerdings mit dem Ziel, von Gott unabhängig zu sein. Das wird uns in 1. Mose 11,1-9 geschildert.

 

Auch wenn Bibelkritiker den Bericht über den Turmbau in Babel gerne als Mythos bezeichnen, hat es sich exakt so zugetragen, wie es in Gottes Wort steht. Wenn das nicht so wäre, hätte Gott es nicht in seinem heiligen Wort niederschreiben lassen. Er hat uns darin nicht nur ein historisches Ereignis dokumentiert. Die Menschen – Ungläubige und Gläubige – sollen daraus etwas lernen. Ungläubige sollen erkennen, dass Gott sich nicht spotten lässt und dass der Mensch ernten wird, was er sät (Gal 6,7). Aber auch Gläubige können viel aus dieser Begebenheit lernen. Deshalb wollen wir uns die Geschichte der Menschen von Babel anhand von sechs Punkten näher anschauen:

1. Ihr Aufenthaltsort (1. Mo 11,2)

Als Noah und seine Familie aus der Arche gingen, hatte Gott angeordnet: „Füllt die Erde“ (1. Mo 9,1). Der Auftrag macht klar, dass sie dafür nicht an einem Ort bleiben konnten. Deshalb zogen sie nach Osten und kamen in das Land Sinear (1. Mo 11,1), ein alter Name für die Ebene, die im Süden zwischen Euphrat und Tigris liegt (im Süd-Osten des heutigen Irak).

Wir lesen hier nicht, dass Gott ihnen das Land Sinear zeigte, sondern dass sie es fanden. Offenbar waren sie auf der Suche nach einem Ort gewesen, der ihren eigenen Maßstäben entsprach. Wir lesen kein Fragen danach, ob Gott sie an diesem Ort haben wollte. Wollten sie dort vielleicht deshalb wohnen, weil sie glaubten, dort von Gott unabhängig sein und sich selbst verwirklichen zu können? Wir können nicht sagen, dass es grundsätzlich verkehrt war, in Sinear zu wohnen. Aber brachen sie vielleicht ihren Zug über die Erde ab und ließen sich dort nieder, um dann durch den Bau des Turms sicherzustellen, nicht zerstreut zu werden (V. 4)?

Als Gläubige wollen wir aus diesem Verhalten lernen. Sind wir bereit, Gott in unserem Leben die Führung zu überlassen? Wo lassen wir uns nieder (Wohnort, Beruf, Freizeit, gemeinsamer Weg der Kinder Gottes, etc.), da wo es uns gefällt, oder da wo Gott uns hinführen will?

2. Ihre Entscheidungsfindung (1. Mo 11,3a)

Dort angekommen entwickelten die Menschen von Babel eine Idee und trafen eine Entscheidung. Darüber unterhielten sie sich allerdings nur untereinander: „Und sie sprachen einer zum anderen“. Wir lesen nicht, dass sie auch Gott ihre Überlegungen vorgelegt hätten..

Gott hat uns die Fähigkeit gegeben, innovativ zu sein und erwartet auch von uns, dass wir Entscheidungen treffen. Aber gehen wir dabei in Abhängigkeit von Ihm vor? Besprechen wir unsere Gedanken und Vorhaben – angefangen von den alltäglichen Dingen bis hin zu unseren „großen Lebensentscheidungen“ – mit Gott im Gebet? Oder beraten wir uns ausschließlich mit anderen Menschen, vielleicht sogar mit Ungläubigen? Wir können dafür dankbar sein, wenn Gott uns andere Menschen (Eltern, Ehepartner, gläubige Freunde, ältere Glaubensgeschwister) als Ratgeber zur Seite stellt. Aber letztlich kommt es darauf an, dass wir im Gebet nach seinem Willen fragen.

3. Ihre Gesinnung (1. Mo 11,3b)

„Wohlan, lasst uns …“. In der Luther-Übersetzung steht hier „Wohlauf“, die englische Darby-Übersetzung benutzt das Wort „Come on“. Die Menschen von Babel waren in Aufbruchstimmung. Sie wollten etwas Neues schaffen, Dinge in ihrem Sinn verändern. Das mag auch zunächst positiv erscheinen. Aber dieser Aufbruch war egozentrisch motiviert, „lasst uns“. Ihr Denken drehte sich um sie selbst. Sie wollten etwas für sich selbst schaffen. Gott hatte keinen Platz in ihren Gedanken und Plänen.

Das ist die Gesinnung der Welt: Leben als Selbstzweck und zur Selbstverwirklichung. Werden wir nicht manchmal schon von dieser Gesinnung angesteckt? Wie denken wir über Karriere, Freizeit, Materielles, usw.? Denken wir dabei nur an uns oder hat Christus wirklich Platz in unseren Herzen? Ist bei uns die Gesinnung aus Kolosser 3,2, „sinnt auf das was droben ist“ wirklich vorhanden?

4. Ihre Mittel (1. Mo 11,3c)

Wir lesen nicht, dass Gott den Nachkommen Noahs nach der Flut aufgetragen hätte, Städte zu bauen. In 1. Mose 9,27 redet Noah davon, dass seine Söhne Sem und Japhet in Zelten wohnen würden. Und in 1. Mose 4,17 ist es Kain, der als Erster eine Stadt baut und damit einem Leben ohne Gott den Weg bereitet. Vielleicht wollte Gott gar nicht, dass in der Ebene Sinear eine Stadt gebaut würde. Wahrscheinlich gab es dort wohl keine größeren Holz- oder Felsvorkommen, die ausreichend Material für den Bau einer Stadt und eines hohen Turms boten. Aber davon ließen sich die Menschen von Babel nicht abhalten. Was sie sich in den Kopf gesetzt hatten, wollten sie umsetzen.

Sie brannten Ziegel, um Steine herzustellen und gewannen Erdharz (Natur-Asphalt) als Mörtel. Beides wird hier zum ersten Mal in der Bibel erwähnt. Deshalb kann man davon auszugehen, dass es ihre Erfindung war. Sie nutzten ihre Kreativität, was an und für sich nicht verkehrt ist, wenn man das alles in Abhängigkeit von Gott und zu seiner Ehre einsetzt. In ihrem Fall aber setzten sie damit ihren eigenen, von Gott unabhängigen Willen durch. Alles diente dazu, sich das Leben auf der Erde ohne Gott möglichst angenehm zu machen. Das ganze Sinnen und Trachten der Leute von Babel war darauf ausgerichtet. Gott spielte keine Rolle in ihren Überlegungen. Keiner kam auf die Idee, vielleicht für Gott ein Haus zu bauen …

Wie gehen wir mit unseren Möglichkeiten um? Benutzen wir unsere Fähigkeiten, um Gott zu dienen und alles in seinen Dienst zu stellen? Oder setzen wir dickköpfig unsere ganze Energie in Bewegung, um unsere eigenen Pläne unabhängig von Gott zu verwirklichen?

5. Ihre Ziele (1. Mo 11,4)

Mit dem Bau der Stadt und des Turmes, dessen Spitze bis an den Himmel reichen sollte, verfolgten die Menschen von Babel drei Ziele:

  • Sie wollten zeigen, dass sie es mit Gott aufnehmen konnten. Der Turm sollte „bis an den Himmel reichen“. Es ist größenwahnsinnig, etwas „bis an den Himmel“ bauen zu wollen. Das bisher höchste Gebäude der Welt ist die Burj Khalifa in Dubai mit 832 Meter Höhe. Manchmal mag die Spitze der Burj Khalifa in Wolken gehüllt sein, aber sie reicht definitiv nicht „bis an den Himmel“.  Aber die Menschen von Babel glaubten, sie könnten so etwas schaffen. Sie wollten so sein wie Gott, der im Himmel wohnt.
  • Sie wollten sich einen Namen machen. Sie waren stolz auf das, was sie vermeintlich erreichen konnten und wollten das vor aller Welt dokumentieren und sich ein Denkmal setzen.
  • Sie wollten als Gemeinschaft zusammenbleiben, um zu verhindern, über die ganze Erde zerstreut zu werden. Gemeinschaft demonstriert Stärke – Stärke, um nicht von Gott abhängig sein zu müssen.

Das sind die Ziele der Welt, die sicher keiner von uns so verfolgen will. Aber fehlt uns nicht manchmal die Distanz zu dieser Welt? Dann laufen wir Gefahr, dass wir uns – wenn auch vielleicht unbewusst – mit ihren Zielen identifizieren. Wie leicht färbt die Gesinnung der Welt auf uns ab!

6. Ihr „Erfolg“

Ihr Vorhaben endete damit, dass Gott in seiner ganzen Souveränität und Macht eingriff. Dazu benutzte Er ein Mittel, an das sie sicher nicht gedacht hatten: Er „verwirrte“ die Menschen. Er teilte die bis dahin durch Großfamilien geprägte Menschheit in verschiedene Volksgruppen mit unterschiedlichen Sprachen auf. Damit vereitelte Er die Ziele der Menschen. Sie konnten weder den Bau ihrer Stadt noch des Turmes zu Ende bringen und weiterhin auch nicht als Gemeinschaft zusammenleben.

Von diesem Augenblick an gab es Trennung, Unverständnis, Hass und Krieg zwischen den Völkern. Ein Zustand der Unruhe, der bis heute anhält und mit Ausnahme der Zeit des Tausendjährigen Friedensreichs unter der Herrschaft des Herrn Jesus, eine wunderbare Zeit des Friedens, bis zum Ende der ersten Schöpfung andauern wird. Man kann wohl sagen, dass ihrer Idee, die Stadt und den Turm zu bauen, in einem Desaster endete.

Gibt uns das nicht zu denken? Wenn wir im Eigenwillen und unabhängig von Gott handeln, können wir nicht erwarten, dass Gott dies segnet. Manchmal muss Er dann auch – wie bei den Menschen von Babel – „herabfahren“, d. h. mit erzieherischen Maßnahmen in unser Leben treten. Das kann sehr schmerzhaft sein und wir sollten umkehren, Ihm unseren falschen Weg bekennen und uns wieder in seine Abhängigkeit begeben.

Noch ein Gedanke zum Schluss: Die Menschen der Welt glauben, ihnen wären keine Grenzen gesetzt. Auch wenn fast alles bereits das höchste Stadium der Entwicklung erreicht zu haben scheint, soll alles noch getoppt werden. Aber der zweite Petrusbrief zeigt uns deutlich, dass das alles im „Desaster“ enden wird: „Es wird aber der Tag des Herrn kommen wie ein Dieb, an dem die Himmel vergehen werden mit gewaltigem Geräusch, die Elemente aber im Brand werden aufgelöst und die Erde und die Werke auf ihr werden verbrannt werden“ (2. Pet 3,10). Gott wird alles, was die Menschen in ihrer Unabhängigkeit und Selbstüberzeugung aufgebaut haben, auflösen. Ist es deshalb verwunderlich, dass Petrus uns dann in Vers 11 fragt: „Welche solltet ihr dann sein in heiligem Wandel und Gottseligkeit“?

Fazit:

Die Menschen heute sind nicht anders als die Menschen von Babel. Sie leben auch heute nach dem Motto: „schneller, höher, weiter“ und verfolgen letztlich nur egoistische Interessen. Dabei bleibt für Gott kein Platz mehr. Wir leben mitten unter diesen Menschen und stehen in Gefahr, manchmal von ihrer Gesinnung angesteckt zu werden. Dann ist es wichtig, dass wir uns diese sechs Punkte vor Augen halten und prüfen, ob unser Denken, unsere Zielsetzung und unser Handeln in Übereinstimmung mit Gottes Gedanken sind.