Themenheft
Elia und Elisa
Vermutlich werden keine zwei Männer der Bibel so häufig verwechselt wie Elia und Elisa. Das liegt zunächst an ihren Namen: Sie klingen sehr ähnlich. Darüber hinaus gibt es manche Gemeinsamkeiten: Sie lebten im selben Jahrhundert, sie wirkten ähnliche Wunder … und dennoch waren sie ganz verschieden. Wir wollen uns in diesem Artikel damit befassen, was und wie der Jüngere (Elisa) von dem Älteren (Elia) gelernt hat.
Wie alles anfing
Elisas Berufung zum Propheten wurde durch das schuldhafte Verhalten des Propheten Elia veranlasst. Elia war fest davon überzeugt, allein als der letzte Treue übrig geblieben zu sein in Israel (vgl. 1. Kön 19,10 ff.). Alle abgewichen – nur er allein treu. So dachte er. Elia hatte keinen Blick mehr für das, was Gottes Gnade in Israel bewirkte; er sah nur das Böse im Volk Gottes und wünschte das Gericht herbei. Gott musste Elia mitteilen, dass da noch 7.000 Personen waren, „die sich nicht vor dem Baal gebeugt haben.“
Einer der 7.000 war Elisa, der Sohn Saphats. Ihn sollte Elia zum Propheten salben an seiner statt. Gott kündigte damit Elia das Ende seines Prophetendienstes an, weil er „vor Gott gegen Israel“ (Röm 11,2) aufgetreten war.
Gott hat zu allen Zeiten treue Menschen gehabt, die Er gebrauchen kann und will. Manchmal erkennen wir sie nicht, weil wir nur uns selbst sehen – wie Elia damals. Andererseits kann es sein, dass Gott uns im Auge hat und gebrauchen möchte – und wir merken es (noch) nicht.
Berufung zum Dienst – überraschend?
Elisa war gewiss überrascht, als eines Tages der große Prophet Elia zu ihm kam und ihm während seiner Feldarbeit seinen Mantel überwarf (1. Kön 19,19). Hatte Elia nichts weiter dazu gesagt? Offensichtlich nicht. So lässt Elisa alles stehen und läuft hinter Elia her, um das weitere Vorgehen mit ihm abzustimmen.
Elisa hatte sofort verstanden, was Elia ihm mit dem Mantel sagen wollte. Er war auch sofort bereit, sich zu Hause zu verabschieden, um Elia nachzufolgen. Daraus können wir schlussfolgern, dass Gott Elisa bereits innerlich für seine neue Aufgabe zubereitet hatte. Insofern war vielleicht der Zeitpunkt und die Art und Weise der Berufung für Elisa überraschend, die Sache als solche aber nicht.
Auch heute kommt es vor, dass ein Älterer einen Jüngeren anspricht und ihn fragt, ob er (s)eine Aufgabe übernehmen kann. Dasselbe gilt natürlich auch für Schwestern. Wenn alles unter der Leitung des Herrn geschieht, wird der junge Gläubige nicht unangenehm überrascht. Weder wird er aus seiner Trägheit aufgeschreckt (Elisa ging seinem Beruf nach!), noch wird er mit dem Anliegen des Älteren nichts anfangen können. Nein, der Herr bereitet seine Diener und Dienerinnen zu. Und das geschieht in der Gemeinschaft mit dem Herrn und inmitten der allgemeinen Herausforderungen des Lebens.
Motivation zum Dienst
Als Elisa bat, sich zuhause von seiner Familie verabschieden zu dürfen, antwortete Elia: „Geh, kehre zurück! Denn was habe ich dir getan?“ (1. Kön 19,20). Das ist auf den ersten Blick unverständlich. Elia wusste genau, dass Gott Elisa zum Nachfolger bestimmt hatte. Dennoch wollte Elia keinen Druck ausüben. Er legte die Verantwortung, Prophet Gottes in Israel zu werden, ganz auf Elisa. Dieser hatte nun persönlich vor Gott zu entscheiden, was er tun wollte.
Das gilt in ähnlicher Form auch heute noch. Andere können einen Wunsch oder eine Empfehlung aussprechen. Doch niemand kann einem Diener seine persönliche Entscheidung zum Dienst abnehmen. Er ist nicht seinen Glaubensbrüdern oder -schwestern verantwortlich, sondern dem Herrn. Dementsprechend muss jeder Auftrag bzw. Dienst „von oben“ sein.
Klein anfangen
Gerne hätten wir gewusst, welche Aufgaben Elisa als Diener des Elia übernahm, bevor er dann schlussendlich das Amt des Älteren übernahm. Außer der letzten Wegstrecke kurz vor Elias Himmelfahrt, die ausführlich in 2. Könige 2 berichtet wird, existiert nur ein Zeugenbericht aus dieser Zeit. Einer von den Knechten Jorams, des Königs von Israel, wusste, dass Elisa Wasser auf die Hände Elias gegossen hatte (2. Kön 3,11).
Anderen die Hände und Füße zu waschen – das ist nichts anderes als Sklavendienst. Gab es denn zuerst keine größeren Aufgaben für Elisa? Wir wissen es nicht. Eins war sicherlich ganz wichtig für Elisa: dass er Elia in allem genau beobachtete.
Die junge Generation von heute besitzt im Allgemeinen eine hohe Bildung. Da möchte man gerne gleich viel Verantwortung übernehmen, möchte etwas bewegen. Im Geistlichen ist Zuhören und Zuschauen allerdings sehr wichtig. Beispielgebend dafür ist Timotheus. Er war der Lehre, dem Betragen, dem Vorsatz, dem Glauben, der Langmut, der Liebe, dem Ausharren … des älteren Paulus genau gefolgt (2. Tim 3,10.11).
Im Dienst für den Herrn kommt es nicht in erster Linie auf einen klugen Kopf an. Neben dem Studium des Wortes Gottes ist die geistliche Charakterbildung sehr wichtig. Demut, Liebe, Treue – alles das, was Timotheus bei Paulus sehen konnte – sind gute Voraussetzungen, um für den Herrn nützlich zu sein. Nur wer treu im Kleinen ist, kann (später) größere Aufgaben übernehmen. Und vergessen wir nie: Wir sind und bleiben Diener.
Alt und Jung miteinander
Die letzte Wegstrecke Elias ist besonders beeindruckend. Elisa wusste, dass der Herr Elia „heute über seinem Haupt wegnehmen würde“ (2. Kön 2,3). Wir können uns vorstellen, wie er da auf Elia fokussiert war. Der Herr hatte Elia beauftragt, einige Orte in Israel aufzusuchen. Bevor er sich jeweils aufmachte, lautet seine Empfehlung für Elisa: „Bleib doch hier“ (2. Kön 2,2.4.6). Es war wie eine letzte Prüfung, die zeigen sollte, ob Elisa bereit war, den schweren Dienst von Elia fortzuführen. Jedes Mal antwortete Elisa unbeirrt: „So wahr der Herr lebt und deine Seele lebt, wenn ich die verlasse!“ Mit anderen Worten: Ich werde dich auf keinen Fall verlassen!
Elia war für Elisa wie ein Vater (vgl. 2. Kön 2,12). Und einen guten Vater zu verlieren, ist äußerst schmerzhaft. Deshalb wollte Elisa so lange wie möglich bei Elia sein und ihn begleiten. „Und so gingen sie beide miteinander“ (V. 6). Etwas später heißt es: „Und es geschah, während sie gingen und im Gehen redeten …“ (V .11). Wie wird Elisa den letzten Worten Elias aufmerksam gefolgt sein! Vielleicht hatte er ihm noch Fragen gestellt … Jedenfalls fand ein offenbar intensiver Austausch statt.
Auch wir sind gemeinsam unterwegs, Alt und Jung – auf dem Weg zum Himmel. Und was machen wir, während wir auf die Entrückung warten? „Wir haben Gemeinschaft miteinander“ (1. Joh 1,7). Christliche Gemeinschaft – auch zwischen Älteren und Jüngeren – ist ein Vorgeschmack des Himmels.
Ein schweres Erbe
Die letzte Aufforderung von Elia an Elisa lautet: „Erbitte, was ich dir tun soll, ehe ich von dir genommen werde“ (2. Kön 2,9). Elisa fühlte sich wie ein geistlicher Sohn, der seinen Vater beerben sollte. Deshalb seine Bitte: „So möge mir doch ein zweifaches Teil von deinem Geist werden.“ Elisa empfand sehr stark, dass sein „Vater“ ein großer Mann Gottes gewesen war. Er wagte es nicht, denselben Geist zu verlangen. Aber wünschte ein doppeltes Teil von diesem „Erbe“.
Wenn wir Glaubensgeschwister kennengelernt haben, die uns geistliche Väter oder geistliche Mütter sind, dann möchten wir auch gern etwas von ihrem Geist erben. Aber so einfach geht das nicht. Elia sagt: „Du hast Schweres begehrt.“ Der Geist und die Kraft solcher Glaubenshelden fallen uns nicht in den Schoß. Gott dupliziert nicht einen geistlichen Bruder oder eine geistliche Schwester. Und wir können sie nicht einfach kopieren. Aber was wir tun können, ist, ihren Glauben nachzuahmen. Das bedeutet: in enger Glaubensbeziehung zu unserem Herrn im Himmel zu stehen und so in seiner Kraft zu leben und zu handeln.
Als Elisa nach Elias Himmelfahrt vor dem Jordan steht und dessen herabgefallenen Mantel in seinen Händen hält, sagte er: „Wo ist der Herr, der Gott Elias?“ – Wir fragen nicht: Wo sind Paulus, Petrus und Johannes? Oder: Wo sind unsere „Alten“? Sondern: Wo ist der Gott dieser Glaubenszeugen? Er ist immer noch da, und Er ist derselbe geblieben. Er ist auch unser Gott! Wir können in der Kraft desselben Geistes gehen, der in vergangenen Generationen mächtig gewirkt hat.
„Der Geist Elisas ruht auf Elisa!“, bemerken die Prophetensöhne. Was für ein Segen wäre es, wenn auch an uns dieser Geist der Entschiedenheit und des Eifers für unseren Herrn gesehen würde.
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