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Langeweile in Versammlungsstunden

Langeweile in den Versammlungsstunden – Abhilfe möglich?

Hallo Martin, Ich hoffe, dir geht es gut. Ich wünsche dir viel Kraft für die wertvolle Arbeit an der Zeitschrift. Ich möchte hier schon wieder eine Frage stellen und hoffe, dass ich damit nicht all zu sehr strapaziere. Aber ich denke, die Frage ist wichtig, weil sie, so wie ich den Eindruck habe, nicht nur mich, sondern auch viele andere junge Gläubige beschäftigt, bzw. sie damit zu kämpfen haben. Ich habe mit einem Freund ein tiefes, ehrliches Gespräch geführt. Wir sind darauf zu sprechen gekommen, dass uns beiden oft die Lust und Motivation fehlt, in die Versammlung zu gehen. Und wenn man dann in der Versammlung ist, kommt es vor, dass man froh ist, wenn die Stunde endlich zu Ende ist. Wir haben uns gefragt, was die Gründe dafür sein können, denn wir möchten gern, dass wir mit Freude und Energie in die Versammlung gehen können und wirklich dem Herrn Jesus begegnen können und Er zu uns reden kann.

Hier einige gedanken dazu:

1. Ich persönlich habe die Erfahrung gemacht, dass, wenn man sich vor der Versammlung gezielt vorbereitet, man dann einen größeren Nutzen davon hat, bzw. dass dann dieses Langeweile-Problem etwas abnimmt. Aber ich mache die Beobachtung, dass mir schlicht und einfach die Zeit und Kraft fehlt, mich vor der Versammlung eine Stunde vorzubereiten.

2. Mir hat mal jemand gesagt, dass die Versammlungsstunde für ihn das Wertvollste und Größte sei. Da musste ich zu mir persönlich sagen, dass das bei mir wirklich nicht der Fall ist.

3. Es wird oft gesagt, man soll nicht auf das Äußere sehen, sondern auf den Herrn Jesus. Das stimmt, aber das Äußere kann ich leider nicht ganz ausschalten und das kann einen oft so entmutigen.

4. Ich habe mir die Frage gestellt, wenn ICH nicht von der Versammlung begeistert bin, wie kann ich dann einen ANDEREN dafür begeistern? Ist das vielleicht auch eine Antwort, wieso ich keine Menschen für die Versammlung gewinnen kann? 

5. Liegt das Problem vielleicht auch darin, dass man sich persönlich dagegen wehrt, sich vom Heiligen Geist in der Versammlung gebrauchen zu lassen?

6. Oder sollte es ein größeres Gebetsanliegen sein, dass Gott einem die Motivation und die Freude für die Versammlung schenkt?

Das sind so einige Gedanken, die mich beschäftigen. Ich hoffe, dass ich mit dieser Frage keinen Schock auslöse. Aber ich bin mir sicher, dass es mehr bringt, wenn man ehrlich ist und sagt, wie es wirklich in der Realität aussieht, als dass man so tut, als wäre alles in Ordnung. Wenn ich am Sonntagmorgen auf die oft so reglosen Gesichter um mich her schaue (mich eingeschlossen, ich möchte nicht die anderen verurteilen), dann habe ich oft wirklich das Gefühl, dass ich mit meinem Problem nicht alleine bin. 

Aber ich denke, es liegt sicher auch daran, wie die persönliche Beziehung zum Herrn Jesus aussieht … 

Vielleicht hast du für mich/uns zu diesem Problem einige praktische Tipps / Hilfestellungen, wie es anders werden könnte, also wie es sich zum Positiven verändern könnte.

Vielen Dank und liebe Grüße, S.

 

Lieber S.,

herzlichen Dank für deine Mail mit der offenen Beschreibung der Thematik „Langeweile in den Versammlungsstunden“. Du hast bereits etliche Punkte aufgeführt, die zur Lösung des Problems beitragen, und der Einfachheit halber greife ich diese „Steilvorlage“ nochmals kurz auf und ergänze sie um ein paar weitere Überlegungen für mehr Freude an den Zusammenkünften.

„Das Wichtigste: der Herr Jesus ist da!“ Wir sollten uns mehr bewusst machen, dass der Herr Jesus ganz persönlich in der Mitte der Versammelten ist. Ein solches Vorrecht, wie es der Herr Jesus selbst seinen Jüngern in Matthäus 18,20 vorstellt, gibt es bei keiner anderen Gelegenheit. Wir sind dann sozusagen „vor Gott gegenwärtig“ (Apg 10,33). Das Bewusstsein, wirklich in der Gegenwart des Herrn sein zu dürfen (vgl. zum Beispiel Heb 10,19 ff.), wird unsere Haltung zu diesen Zusammenkünften ändern. Dann steht Er und nicht so sehr menschliche Schwachheit im Mittelpunkt unserer Bewertung.

1. energie für aktive Vorbereitung

Wenn wir eine Prüfung oder einen wichtigen Termin im Berufsleben vor uns haben oder wenn sonst eine wichtige Veranstaltung ansteht, bereiten wir uns darauf sicher mit der nötigen Sorgfalt vor – selbst wenn wir (zunächst) keine Lust dazu haben. Auch werden wir uns bemühen, vor einem solchen Termin körperlich fit zu sein und nicht übernächtigt „ins Rennen“ zu gehen. Für den Besuch der Zusammenkünfte sollte es nicht anders sein: innere Zubereitung durch Lesen eines Bibeltextes (für sonntagsmorgens zum Beispiel über die Leiden des Herrn, für die Bibelstunde der angesetzte Bibelabschnitt, für die Gebetsstunde „Themensammlung“) und durch Gebet; und äußere Vorbereitung durch – sofern möglich – genügend Ruhe und Abschirmung vor dem „Lärm der Zeit“. Dann gehen wir mit Freude in die Stunden: „Ich freute mich, als sie zu mir sagten: Lasst uns zum Haus des Herrn gehen“ (Ps 122,1).

2. Versammlungsstunden das wertvollste im leben?

Immerhin geht es ja in den Zusammenkünften um die wertvollsten Stunden eines Christen, die er hier auf der Erde erleben kann: Die persönliche Gegenwart seines Herrn zu erleben, ist ein Vorgeschmack des Himmels (Mt 18,20). Doch dieses Erleben kommt nicht über einen wie ein Guss heißes Wasser, es bedarf neben der Zubereitung unter der Woche auch der inneren Sammlung: Bin ich innerlich bereit für eine Begegnung mit dem Sohn Gottes? Lebe ich in Frieden mit meinen Mitgeschwistern? Ein aktives Mitdenken der Lieder, Gebete und Bibeltexte hilft sehr, gedanklich nicht abzuschweifen. Beten während der Pausen statt Umherschweifen mit den Augen im Saal oder Nachdenken über die letzte/nächste berufliche Herausforderung ist ebenfalls gut und nützlich. Sich hinsetzen und den Verlauf der Stunde passiv abwarten (und damit anderen überlassen) ist leider nicht selten traurige Realität. Doch so wie wir aktiv zur Freude im Herrn aufgefordert werden, sollten wir auch in diesen Stunden aktiv dabei sein – dann wird das Bewusstsein der Gegenwart des Herrn nicht auf sich warten lassen.

3. nicht auf das Äußere sehen geht das?

Vielleicht denkst du beim Äußeren an die geringe Anzahl der Besucher oder der „interessanten“ Brüder? Sicher kann beides (und auch manches andere) entmutigen – aber ist das nicht geradezu ein besonderer Grund, nicht auf das Äußere zu sehen, weil vom Menschen nichts zu erwarten ist? Wenige Besucher, Fehlen von sonst aktiven Brüdern, „schwierige“ Mitchristen – das alles drängt uns ins Gebet, nimmt das Vertrauen auf die Umstände und lässt uns unsere Zuflucht beim Herrn allein suchen. Solche Erfahrungen sind schon vielen eine heilsame „Rosskur“ gewesen. Andererseits sollte man auch bei großen Besucherzahlen, schönen Sälen und vermeintlich besonders geeigneten Brüdern innerlich im Gebet sein und auch dann alles von Ihm und nichts vom Menschen erwarten. In allen Fällen ist es das Ziel des Geistes, unsere Herzen auf Christus zu lenken – lassen wir Ihm dazu Raum?

4. Begeisterung für die Versammlung andere gewinnen

Das Christentum ist ja in den zentralen Punkten durch Fakten und nicht durch Gefühle gekennzeichnet: Nicht weil ich fühle, dass ich errettet bin, freue ich mich, sondern weil ich es aus Gottes Wort weiß – und das gibt besseres Fundament und dauerhafte Freude. So sind auch die Zusammenkünfte geprägt durch biblische Aussagen – doch die können, dürfen und sollen in uns durchaus Freude, Staunen und somit auch „Begeisterung“ hervorrufen. Diese „geistliche Begeisterung“ unterscheidet sich grundsätzlich von weltlicher und auch vielfach von religiöser Begeisterung, die auf vorübergehender Gefühlsaufwallung beruht; sie ist immer begleitet von geistlicher Besonnenheit und Nüchternheit. Zugleich ist natürlich das Überzeugtsein von der Art der Zusammenkünfte eine Voraussetzung, um andere zu gewinnen. Aber die innere eigene Überzeugung darf durch aktive Teilnahme an den Zusammenkünften eine „Erlebniskomponente“ erhalten, die uns motiviert, auch andere für die biblischen Zusammenkünfte zu erwärmen. Das „Komm und sieh“ des evangelistischen Appells darf sicher auch auf die Versammlungen erweitert werden – und nach eigenem „Warming up“ wird das sicher auch unser Verhalten gegenüber anderen beeinflussen.

5. Blockade gegen persönliche Beteiligung?

Wenn alle Männer aufgefordert werden, zu beten (vgl. 1. Tim 2,8), sollte sich dann nicht jeder Bruder innerlich in Bereitschaft halten, um sich aktiv am Gebet zu beteiligen? Wenn der Herr wünscht, dass wir zu seinem Gedächtnis zusammenkommen, sollte dann nicht jeder Anwesende aktiv an seinen Erlöser denken und – als Bruder – dies durch ein passendes Gebet, ein Lied oder einen Bibeltext hörbar machen? Natürlich, es sind „heilige Hände“ für das Gebet und ein „würdiges Essen“ am Mahl des Herrn erforderlich. Auch sollte die Bereitschaft vorhanden sein, mal einen brüderlichen Korrekturhinweis entgegenzunehmen. Aber wenn das Herz vom Herrn erfüllt ist (siehe oben), muss dann nicht der Mund aus dieser Fülle reden (Mt 12,34) und sich daher gerne vom Geist gebrauchen lassen? „Lass mich deine Stimme hören“ (Hld 2,14) – diese Bitte des Bräutigams im Lied der Lieder wollen wir auch auf uns einwirken lassen: Er wartet auf unsere „Stimmen“! Als eine geistliche Priesterschaft sind wir alle zum geistlichen „Gottesdienst“ aufgerufen, und der Herr benutzt Brüder, um diesen Dienst hörbar zu machen. Kann nicht ein vom Geist geleiteter Beitrag eines jungen Bruders in altersgemäßen, authentischen Formulierungen manche Langeweile des Einzelnen oder Mehrerer ruckartig beenden?! Nicht das Dämpfen des Geistes, sondern das Erfüllt werden von Ihm sollte unser Anliegen sein! Dann werden wir frei für seine Leitung.

6. gebet um Freude in den Versammlungsstunden

Sicher ist das Gebet für die Stunden und vor den Stunden eine ganz wichtige Voraussetzung, um sie mit Freude erleben zu können. Das Bitten um Reinigung von manchmal auch verborgenen Sünden (Ps 19,13; 139,24), das Gebet um die Leitung durch den Geist, um Bewahrung vor innerer oder äußerer Ablenkung, für Vollmacht in der Verkündigung – diese und mehr Anliegen werden uns helfen, mit einer anderen Haltung in die Stunden zu gehen, und wir werden sicher auch viele Gebetserhörungen erleben.

7. reglose gesichter

Eine durch den Geist geleitete Versammlungsstunde spricht in erster Linie unseren erneuerten Verstand an (vgl. 1.Kor 14,15), der die geistlichen Inhalte aufnimmt und „verarbeitet“. Deshalb kann man nicht gleich bei jedem Lied oder Gebet mit strahlenden oder vor Freude weinenden Gesichtern rechnen. Auch wirst du sicher die Mentalität deiner Mitchristen einigermaßen kennen und ihre Reaktionen einordnen können: Ein Bruder betet mit bewegter Stimme, ein anderer ruhig und vielleicht etwas monoton – und doch geht es in aller Regel beiden um die formulierten inhalte, die sie in unterschiedliche form kleiden. Zudem leben wir hier im Westen bekanntlich in einem Kulturkreis, der nicht so stark durch Gefühlsausbrüche gekennzeichnet ist. Aber der Herr kann zu besonderen Gelegenheiten durchaus ein so starkes Empfinden über das Thema schenken, dass Gefühle sichtbar werden. Aber das sollte man nicht zum Standard erheben. Außerdem: Gefühle verschwinden schnell, aber die innere Auferbauung hält (in der Regel) viel länger. Wie wäre es, wenn du nach den Stunden das konkrete Gespräch mit dem einen oder anderen über das Erlebte suchst? Vielleicht entdeckst du dann hinter einem „reglosen Gesicht“ reiches geistliches Leben – oder aber ihr motiviert euch gegenseitig zur erneuten Ausrichtung auf den gegenwärtigen Herrn.

8. die Freude des Herrn Jesus

Ein wichtiger Aspekt in Bezug auf die Zusammenkünfte sollte noch bedacht werden: Wenn wir auch selbst Freude und Segen in den Zusammenkünften erleben möchten, so sollte doch die erste Frage sein: Bereiten wir unserem Herrn Freude in den Zusammenkünften, durch unser Verhalten, durch unsere aktive Teilnahme? Er möchte mit uns zusammenkommen (2. Mo 29,42), Er sucht dort seine Ruhe (Ps 132,14), und er möchte inmitten seines Volkes das Lob anstimmen (Heb 2,12)! Suchen wir seine freude an den Stunden? Dann wird sich auch unsere Freude einstellen und steigern!

Ich hoffe, dir mit diesen ergänzenden Überlegungen zu deinen Gedanken einige Hinweise gegeben zu haben, die zu mehr Freude im Erleben der Gegenwart des Herrn Jesus führen. Diese Freude und das Wissen um seine Freude wünsche ich dir und mir von Herzen.

Herzliche Grüße, dein Martin Schäfer