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Das Schweigen der Frau

Frage: Das Schweigen der Frau

Liebe Glaubensgeschwister, seit langem lese und schätze ich „Folge mir nach“ des klaren Evangeliums sowie der praxistauglichen Auslegungen wegen. Besonders gut fand ich wieder den Beitrag zum Gemeindeverständnis. Ich halte mich zu einer Versammlung wiedergeborener Gläubiger, die als örtliche Gemeinde nach den Grundsätzen der Apostellehre leben möchten. Nun wurde auch wieder das „Schweigegebot“ der Frauen angesprochen. In der Versammlung bin ich die einzige Schwester, die nicht redet. Es lastet auf mir so etwas wie ein Erwartungsdruck, dies zu ändern. Ich bin mir nicht hundertprozentig sicher, wie es von Paulus gemeint ist, und ob ich es mir etwa nur bequem mache und den anderen Geschwistern geistliche Speise durch meinen Mund vorenthalte. ...

Eigentlich ist mir ja klar, dass „Schweigen“ jedes Reden ausschließt (1. Kor 14,33b-36). Zum anderen ist der Frau das Mitsingen wohl eher erlaubt. Und dass sie betet oder weissagt (?) wird auch vorausgesetzt (1. Kor 11,5). Handelt es sich vielleicht in 1. Korinther 11 um ihr Verhalten im privaten Umfeld? Oder ist in 1. Korinther 14 nur das Reden gemeint, das der Unterordnung der Frau zuwider ist? Wie gesagt, habe ich für mich beschlossen, mich vorsichtshalber an das „Redeverbot“ zu halten, achte aber auch das Reden von Frauen aus dem Geist heraus als Bereicherung. Allerdings kenne ich auch Versammlungen, wo es selbstverständlich ist, dass die Frauen schweigen, und wo sie gerade in dieser Zurückhaltung ein deutliches Zeugnis für das Wirken von Gottes Geist darstellen, so dass es für mich jedes Mal – auch ohne Worte – eine Predigt gewesen ist.

Ich hoffe, ich habe Ihnen verständlich machen können, worin meine Unsicherheit besteht, und wäre Ihnen dankbar, wenn Sie noch einmal kurz darauf eingehen könnten, wie sich der scheinbare Widerspruch zwischen den beiden Bibelstellen erklärt.

Mit geschwisterlichen Grüßen S.

Antwort:

Liebe Schwester S.,

ich freue mich, dass Ihnen der Beitrag, in dem einige gute Merkmale einer Gemeinde nach den Gedanken Gottes aufgeführt werden, gefallen hat. Unter den angesprochenen Themen befinden sich auch einige, die – wie ich in der Einleitung geschrieben habe – nur „angerissen“ werden konnten und ei_Heft-10-2011.indd 2423.09.11 ner Vertiefung bedürfen, weil sie in der Christenheit – auch in der „bibeltreuen“ – unterschiedlich beurteilt werden. Zu diesen Themen gehört auch das Schweigen der Schwestern in den Zusammenkünften.

Kein geschwisterlicher Druck!

Ich möchte Sie zunächst ermuntern, in Ihrer Überzeugung fest zu bleiben, die Sie vor dem Herrn aus seinem Wort gefunden haben. Dies sollte von Ihren Mitgeschwistern respektiert werden – und das halte ich unabhängig von dieser Sachfrage für wichtig: Es gibt Themen, die in der Bibel keine klare Anweisung finden. Da ist jemand aus eigenem Entschluss (etwa aufgrund schwächerer Bibelkenntnis) strenger, als die Bibel es vorschreibt. In solchen Fällen fordert Paulus diejenigen, die in einer bestimmte Frage „Freiheit“ in Anspruch nehmen, dazu auf, auf die Übrigen Rücksicht zu nehmen, die dies nicht tun (Röm 14,13.23). Wer einen Mitgläubigen dazu verleitet oder ihn dahingehend unter Druck setzt, etwas zu tun, was dieser nicht aus Glauben tun kann, der veranlasst ihn dazu, zu sündigen – denn was nicht aus Glauben ist, ist Sünde (V. 23). Würden Sie also nicht nur Druck „empfinden“, sondern würde man Sie auch tatsächlich unter Druck setzen, sich in den Zusammenkünften hörbar zu äußern – etwa im Gebet oder in der Weissagung – so würde man Sie, da Sie dies nicht im Glauben tun könnten, zum Sündigen verleiten.

Dies gilt umso mehr, weil es bei dem Thema des Schweigens der Schwestern in den Zusammenkünften, wie ich meine, eben nicht um einen Bereich geht, den die Bibel ungeregelt lässt. Hier besteht keine Freiheit, bestimmte Dinge zu tun oder sie zu unterlassen. Sondern meiner Überzeugung nach stehen Sie mit Ihrer Praxis, in den Zusammenkünften zu schweigen, eindeutig auf dem Boden der Schrift. Da Sie diesbezüglich „unsicher“ sind, möchte ich das kurz begründen:

Was sagt 1. Korinther 14,34.35?

Die Verse aus 1. Korinther 14,34.35 beziehen sich, wie der Wortlaut schon klarmacht, auf die Zusammenkünfte als Versammlung. In solchen „Gemeindestunden“, in denen die Geschwister sich zusammenfinden, insbesondere um das Brot zu brechen, eine Gebetszusammenkunft abzuhalten oder der Ausübung von Wort-Gaben Raum zu geben, sollen die Frauen „schweigen“; es ist ihnen „nicht erlaubt zu reden“, sondern sie sollen „sich unterordnen“. Schweigen und nicht reden, sondern sich unterordnen – das betrifft das Predigen, das Beten, das Ausgeben von Liedvorschlägen oder die Lesung von Bibelstellen – also allgemein hörbare und eigenständige Wortbeiträge innerhalb der Zusammenkünfte, durch die die Frau als Wortführerin auftritt. Denn – so wird es begründet – mit diesen Äußerungen würde sie doch wieder aus ihrer dem Mann untergeordneten Stellung herausfallen. Hiervon ist, wie Sie auch schreiben, nicht erfasst das Mitsingen und Amen-Sagen, das die Schwester als Teil der Versammlung tut, die sich gemeinschaftlich im Lied oder Gebet gegenüber Gott äußert.

Wie verhält sich das zum lehren und Herrschen in 1. Timotheus 2,12?

Somit ergänzt 1. Korinther 14,34.35 das allgemeine Gebot aus 1. Timotheus 2,12 („Ich erlaube einer Frau nicht, zu lehren noch über den Mann zu herrschen, sondern still zu sein“) speziell in Bezug auf die Zusammenkünfte. Das Lehren und eigenmächtige Ausüben von Autorität über den Mann ist der Frau nach Gottes Willen stets untersagt – auch außerhalb der Zusammenkünfte (1. Tim 2,12). Innerhalb der Zusammenkünfte ist darüber hinaus das Reden untersagt, mit dem die Schwester nicht nur als Teil des Ganzen in einer gemeinschaftlichen Äußerung auftritt, sondern eigenständig und hörbar Wortführerin ist (1. Kor 14,34.35).

Wie verhält sich das zum Beten und Weissagen in 1. Korinther 11,5?

Wenn 1. Korinther 11,5 nun sagt: „Jede Frau, die betet oder weissagt mit unbedecktem Haupt, entehrt ihr Haupt“, dann kann sich das nicht auf Zusammenkünfte beziehen, denn – ich meine, so „einfach“ ist die Auslegung hier – in den Zusammenkünften muss sie schweigen. Wenn Paulus gemeint hätte, die Frau dürfte in den Zusammenkünften das Wort führen, sofern sie sich nur bedeckt – hätte er das drei Kapitel später in demselben Brief nicht entsprechend formuliert, anstatt ein allgemeines Redeverbot auszusprechen? Zu einer anderen Auslegung müsste man nur dann Zuflucht nehmen, wenn die beiden Passagen sich widersprächen, etwa wenn die eine Stelle sagte: „Sie darf nicht beten“, die andere aber: „sie darf mit Kopfbedeckung beten“. So ist es aber nicht. Die eine Stelle sagt: „Sie darf in den Zusammenkünften nicht beten oder weissagen, denn sie muss schweigen“; die andere sagt: „wenn sie betet oder weissagt, muss sie sich bedecken“. Die Schwester darf also beten oder weissagen, aber nicht in den Zusammenkünften. Und wenn sie betet oder weissagt (also: außerhalb der Zusammenkünfte), dann muss sie sich bedecken.

Wo kann Beten oder Weissagen von Schwestern stattfinden?

Für solches Beten oder Weissagen von Schwestern gibt es vielfältige Gelegenheiten: Das geht vom gemeinsamen Gebet in der Familie oder sonst im privaten Rahmen bis zum geistlichen Austausch und seelsorgerlichen Gesprächen, in denen eine Schwester dem Gesprächspartner ein Wort weitergibt, das Gott ihr aufs Herz legt, wie es die Töchter des Philippus taten (vgl. Apg 21,9). Beispiele für die geistliche Betätigung von Schwestern im privaten Rahmen gibt die Bibel, wenn (glaubens-)ältere Schwestern jüngeren Schwestern anhand der Bibel zu Fragen von Ehe, Familie und Haushalt weiterhelfen (Tit 2,3 ff.), wie auch bei der gemeinsamen Auslegung des Wortes Gottes, indem ein Ehepaar zu Hause Interessierten bspw. den Weg Gottes in Bezug auf die Versammlung näher dargelegt hat (Apg 18,26). Insofern sind der „Dienst“ und die „Mitarbeit“ von Schwestern (vgl. Röm 16,1.3) nicht auf äußere Dienstleistungen beschränkt, sondern liegen auch im Bereich des direkten geistlichen Wohls der Geschwister. Anders ausgedrückt: Schwestern, die ihre geistlichen Gaben ausüben möchten, sind nicht darauf angewiesen, dies in den Zusammenkünften zu tun, und der geistliche Gewinn aus ihrer Arbeit geht nicht verloren, wenn eine Versammlung das „Schweige-Gebot“ beachtet.

Da das biblische „Konzept“ dies so vorsieht, halte ich es für wichtig, dass Schwestern die ihnen anvertrauten Gaben und Aufgaben auch tatsächlich ausüben (können). Das ist wichtig für das persönliche und gemeinsame geistliche Leben. Die Versammlung Gottes kann darauf nicht verzichten, denn kein Glied kann zu dem anderen sagen: „Ich brauche dich nicht“ (Röm 12,21). Ebenso wichtig ist es aber, dass diese Betätigung sich in dem von Gott gesteckten Rahmen bewegt – also außerhalb der Zusammenkünfte, unter Verzicht auf das Lehren und das Herrschen über die Männer (1. Tim 2,12) und, soweit es sich um Beten und Weissagen handelt, mit bedecktem Kopf. Gottes Segen kann vertrauensvoll erwartet werden, wenn Gottes ausgewogene Gedanken in „beide Richtungen“ beachtet werden.

Liebe Schwester S., ich hoffe, dass die genannten Bibelstellen und erläuternden Gedanken Ihrer Unsicherheit abhelfen, bin aber zu weiterem Austausch gerne bereit. Ich wünsche Ihnen Gottes Segen!

Freundliche Grüße Thorsten Attendorn