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Wo ist der Herr Jesus in der Mitte?

Frage:

Wo ist der Herr Jesus in der Mitte?

Ich habe letzthin mit einem Freund ein Gespräch gehabt. Und da haben wir über „die Versammlung“ gesprochen. Schließlich hat mein Gegenüber die Aussage gemacht: „Alle, die sich nicht nach den Gedanken Gottes versammeln, da ist der Herr Jesus nicht in der Mitte.“ Mich hat diese Aussage ziemlich schockiert. Also ist der Herr Jesus nur bei uns in der Mitte, weil wir quasi die Grundsätze kennen und uns danach versammeln wollen.

Aber mir ist dann die Stelle in Matthäus 18,20 in den Sinn gekommen. „Wenn zwei oder drei  zu meinem Namen hin versammelt sind, da bin ich in ihrer Mitte.“ Also alle, die sich mit dem aufrichtigen Wunsch versammeln zum Herrn Jesus, da ist Er in der Mitte. So sehe ich das aus dieser Stelle.

Wenn wir das Brot brechen, dann bezeugen wir ja damit, dass wir mit allen Gläubigen auf der Welt verbunden sind, also auch mit denen, die nicht mit uns „den Weg“ gehen. Wenn das so wäre, dann würden wir uns ja mit solchen verbunden wissen, bei denen der Herr Jesus nicht in der Mitte ist.

In Markus 9,38-40 sehen wir auch, dass die Jünger auf einen geblickt haben, der die Kraft hatte, Dämonen auszutreiben in Jesu Namen, aber nicht ihnen direkt nachfolgte. Der Herr Jesus verurteilt ihn deswegen nicht.  

S.

Antwort:

Lieber S., Du hast eine interessante und wichtige Thematik angesprochen, die sich im Rahmen einer Fragenbeantwortung nur in Grundzügen besprechen lässt. Ich empfehle daher sehr, für Details Artikel und Bücher von bewährten Auslegern zur Hand zu nehmen. Dennoch möchte ich auf einige Aspekte kurz eingehen.

1. Voraussetzungen für ein biblisches Zusammenkommen

Die von Dir zitierte Stelle aus Matthäus 18,20 fordert alle Christen auf, die Grundsätze des Zusammenkommens zu beachten, zu denen besonders gehört,

  • dass nur wiedergeborene Christen, die persönlich und in der Lehre in Reinheit leben möchten, ein solches Zusammenkommen bilden können;
  • dass der Herr Jesus Freiheit hat, die Zusammenkünfte unter der Wirkung des Heiligen Geistes zu leiten, also ohne Liturgie oder festen Predigtdienst mit/ohne angestellte/ ausgebildete Prediger;
  • dass diese Christen auch im Miteinander von Zusammenkommen die Grundlage des einen Leibes im Bewahren der praktischen Einheit des Geistes beachten; also Abendmahls- und Dienstgemeinschaft pflegen und entsprechend Handlungen an anderen Orten (Aufnahme oder Ausschluss von Personen etc.) achten.

Wenn Christen in einer lern- und gehorsamsbereiten Haltung Christus als ihrem Haupt im Himmel alle Autorität geben und so wirklich in seinem Namen zusammenkommen, dürfen sie die Gegenwart des Herrn Jesus genießen. Wenn sie diese Grundsätze bewusst nicht beachten, können sie diese Gegenwart nicht für sich beanspruchen. Sowohl im Blick auf eigene Nachlässigkeit bei sich selbst als auch in Bezug auf andere Christen sollten sie in ihrem Urteil daher vorsichtig sein. Wohl haben wir uns bekannte Grundsätze zu beachten und können anhand dessen auch Zusammenkommen andernorts beurteilen, sofern dies notwendig ist und wir die entsprechenden Fakten aus erster Hand kennen. Aber die Frage, ob der Herr dort – oder eben trotz Nachlässigkeit usw. bei uns – in der Mitte ist, sollte dabei nicht im Vordergrund stehen. Christen haben zu gehorchen – und dürfen das Wirken des Herrn an anderer Stelle Ihm überlassen.

2. Zusammenkommen auf weitester Grundlage in biblischem Gehorsam

Christen, die sich im Namen des Herrn versammeln möchten, schätzen und beachten dabei die großartige Belehrung des Neuen Testaments über den einen Leib (1. Kor 10.12; Eph 4 etc.). Gerade dieser weite Blick auf das ganze Volk Gottes auf der Erde veranlasst sie, beim Brotbrechen an diese wunderbare Wahrheit zu denken: „Ein Brot, ein Leib, sind wir, die Vielen“ (1. Kor 10,16). Das ist dann keine tatsächliche, ausgeübte Gemeinschaft zum Beispiel mit Gläubigen, die bewusst in Irrlehre oder Sünde leben oder deren Zusammenkommen nicht der biblischen Grundlage entspricht; es ist mehr ein Sich bewusst machen der göttlichen Sicht- weise. Das nimmt nichts von der Notwendigkeit weg, der Heiligkeit Gottes und seines Hauses entsprechend sich von allem Bösen zu distanzieren. Wer auf der weitest denkbaren, aber biblisch einzig möglichen „Plattform“ des einen Leibes zusammenkommen möchte, ist aus Gehorsam gegenüber dem Herrn gerade zu dieser Absonderung verpflichtet. Somit schließt die Einheit des Leibes zwar alle Gläubigen ein, während die Einheit des Geistes leider oft viel, viel kleiner ist. Das ist für jeden Gläubigen, der Liebe zu allen Heiligen praktizieren möchte, einerseits ein Dilemma. Aber andererseits darf er sich auf die Zusagen des Herrn aus Matthäus 18 stützen - die gleichzeitig Voraussetzungen sind, um seine Gegenwart zu erleben.

3. Dienst und Hingabe

Der von Dir erwähnte Bericht aus Markus 9 warnt uns – in einer abgeleiteten

Anwendung – davor, über die Hingabe, den Dienst und die Liebe von Mitchristen zu urteilen, die zum Beispiel im Blick auf das Zusammenkommen der Gläubigen vielleicht andere Meinungen vertreten oder manche Belehrungen hierüber (leider noch) nicht kennen. Wir sollten alles schätzen, was für den Herrn getan wird. Die Frage der gottesdienstlichen Gemeinschaft erforPost von euch dert aber andere bzw. weiter gehende Überlegungen, die mit diesem Aspekt nicht ausgewischt werden (siehe hierzu z.B. Punkt 1.). Matthäus 12,30 zeigt uns übrigens, dass wir durchaus auch Aktivitäten auf christlichem Gebiet ablehnen, zuweilen sogar als antichristlich („gegen mich“) zurückweisen müssen.

Lieber S., sicher können diese wenigen Sätze nur einen kleinen Denkanstoß zu den von Dir skizzierten Problemen bilden; gerne verweise ich daher nochmals auf einschlägige, weiter führende Literatur zum Thema. Gerne können wir uns natürlich auch weiter austauschen.

Ich wünsche Dir die geistliche Weisheit, um nach Erkennen des Willens Gottes in diesen Fragen zu tun, was dem Herrn wohlgefällig ist (Kol 1,9-11)!

Herzliche Grüße, Dein Martin Schäfer