Gottes Handeln - unergründlich
Gottes Handeln – unergründlich!
Die folgenden Gedanken wurden bei einer Unterredung von alten und jungen Brüdern zusammengetragen und mögen als Anregung zum weiteren Nachdenken dienen.
Das Buch der Sprüche enthält viele wichtige und tief gehende Belehrungen für unser tägliches Leben. Auch in unserer Zeit tun wir gut daran, die Erfahrungen und Ratschläge dieses Buches in unser Leben hineinzunehmen.
Im 30. Kapitel erleben wir sozusagen mit, wie sich Agur Gedanken macht über die Größe Gottes und über sein Handeln. Er muss sich eingestehen, dass er vieles nicht versteht. Dabei führt er sechs Zahlensprüche mit je vier Details auf:
1. 4 böse Dinge (Spr 30,11–14),
2. 4 unersättliche Dinge (V. 15–16),
3. 4 unergründliche Dinge (V. 18–19),
4. 4 unerträgliche Dinge (V. 21–23),
5. 4 schwache, aber weise Wesen (V. 24–28),
6. 4 stattliche Tiere bzw. Menschen (V. 29–31).
Agur benutzt in den Versen 18 und 19 vier Beispiele, durch die er uns zeigt, dass man verschiedene Dinge vielleicht wahrnehmen, aber deren Weg nicht wirklich erkennen kann. Die ersten drei Beispiele beziehen sich auf die uns umgebende, physikalische Welt mit ihren drei Zuständen gasförmig (Luft), flüssig (Wasser) und fest (Felsen). Wir dürfen dabei sicher an alle Bereiche unseres Lebens denken. Das schließt auch unser geistliches Leben mit ein. Der Adler, die Schlange, das Schiff und der Mann in Verbindung mit einer Jungfrau enthalten tiefe, geistliche Belehrungen.
Der Weg des Adlers am Himmel
Der Adler wird in der Bibel oft als ein Hinweis auf das Handeln Gottes mit den Menschen benutzt, sowohl zur Rettung und zum Schutz als auch zum Gericht (2. Mo 19,4; 5. Mo 28,49; 5. Mo 32,11; Off 8,13). Da der Adler hier im Flug am Himmel beschrieben wird, scheint er an dieser Stelle eher auf Gericht hinzuweisen: Der Adler (oder Geier) sucht Beute, und zwar auch tote (Mt 24,28, vgl. auch Hi 39,30).
So wie der Flug des Adlers nicht nachvollzogen werden kann, so sind auch für uns Gottes Gerichte letztlich nicht auszuloten: „Wie unerforschlich sind seine Gerichte und unergründlich seine Wege!“ (Röm 11,33).
Inwiefern sind wir nun nicht in der Lage, den „Weg des Adlers“ (d.h. das Gericht Gottes) zu erkennen? Wir nehmen zwar die Ereignisse wahr, verstehen aber oft nicht oder nicht sofort, warum Gott so handelt. Auch Jeremia rang mit diesem Problem und fragte Gott: „Warum werden sie (d.h. die Könige Judas) weggeschleudert, er und sein Same?“ (Jer 22,28). Und doch wollten er und die vielen anderen fragenden Gläu- bigen um jeden Preis an Moses’ Aussage festhalten: „Alle seine Wege sind recht“ (5. Mo 32,4). Wollen wir uns diese Haltung des Glaubens nicht zu Eigen machen?
Der Weg einer Schlange auf dem Felsen
Die Schlange ist in der Bibel fast immer ein Bild des Teufels. Schon in 1. Mose 3 sehen wir, dass der Teufel eine Schlange benutzt, um zu Eva im Garten Eden zu sprechen. In Offenbarung 12,9 und 20,2 wird der Teufel direkt als Schlange bezeichnet.
Allerdings fordert der Herr Jesus seine Jünger in Matthäus 10,16 auf, klug zu sein wie die Schlangen. Wenn man dann bedenkt, dass der Felsen uns auf den Herrn Jesus, den Erlöser, hinweist, scheint hier diese zweite Bedeutung gegeben zu sein. Wir dürfen an den Felsen denken, auf dem jeder sein eigenes Lebenshaus bauen sollte (Mt 7,24–29), und auch an Christus als die Grundlage der Versammlung (Gemeinde, Kirche), wie Er selbst sich in Matthäus 16,18 vorstellt.
Gott in seiner „Klugheit“ hat einen Weg zur Erlösung ersonnen, über den wir nur staunen können, den wir eigentlich auch gar nicht erkennen können. Aber wir genießen die herrlichen Ergebnisse: Der Grund, Christus, ist gelegt (1. Kor 3,11), wir haben persönlich die Erlösung erlebt und erfreuen uns auch an der unerschütterbaren Existenz der Versammlung. Lasst uns wieder neu diesen „unergründlichen Reichtum des Christus“ (Eph 3,8) bewundern!
Der Weg eines Schiffs auf dem Meer
Im dritten Beispiel wird kein Tier als Vorbild benutzt. Warum gerade ein Schiff und nicht ein Fisch? Alle bisher genannten Lebewesen sind mit dem bloßen Auge wahrnehmbar. Ein Fisch jedoch bewegt sich im Regelfall unter der Wasseroberfläche fort und ist aus diesem Grunde nicht ohne weiteres sichtbar. Ein Schiff ist im Gegensatz zum Fisch stark dem Wirken von Wind und Wellen ausgesetzt, besonders auf hoher See (das bedeutet der Ausdruck „im Herzen des Meeres“ hier). Eindrücklich wird uns das u. a. in Psalm 107 beschrieben. Im Hinblick auf unser Thema dürfen wir in besonderer Weise an Psalm 77,20 denken: „Im Meer ist dein Weg, und deine Pfade in großen Wassern, und deine Fußstapfen sind nicht bekannt.“
In seinen Regierungswegen mit den Men- schen im Allgemeinen (vgl. den 2. Petrusbrief) als auch mit den Gläubigen im Besonderen (vgl. den 1. Petrusbrief) geht Gott Wege, die zwar einerseits die Folgen unse- res eigenen Handelns sind (Gal 6,7), die aber andererseits durch ihre Weisheit und oft auch durch Gottes große Barmherzigkeit geprägt sind.
Es gilt auch der Grundsatz Gottes, den uns der Prophet Amos in Kapitel 3, Verse 6 und 7 beschreibt: „Geschieht ein Unglück in der Stadt, und der HERR hätte es nicht bewirkt? Denn der Herr, HERR, tut nichts, es sei denn, dass er sein Geheimnis seinen Knechten, den Propheten, offenbart habe.“
Dieser Grundsatz gilt für die großen Linien des Handelns Gottes. Im Handeln Gottes mit dem Einzelnen und in seinen Erziehungswegen auch mit mehreren können wir nicht immer alles (sofort) erkennen. Manchmal lässt uns Gott allerdings in seiner Liebe das eine oder andere im Nachhinein verstehen. Aber in aller Regel bleibt Gottes Handeln für uns nicht erkennbar, wie die Spur eines Schiffes auf der See. Es ist ein Geheimnis, das sich erst in der Ewigkeit auflösen mag (Off 10,7).
Der Weg eines Mannes mit einer Jungfrau
Warum wird nun in diesem Zusammenhang das Bild des Mannes mit einer Jungfrau verwendet? Niemand kann erklären, warum sich ein (junger) Mann und eine (junge) Frau plötzlich mögen und lieb gewinnen, und wie sie dann zueinander finden, schließlich auch eine Ehe eingehen.
In dem Bild der Jungfrau oder Braut wird uns in der Bibel manchmal ein Hinweis auf die Versammlung (Gemeinde, Kirche) gegeben. Bereits auf den ersten Blättern der Bibel erkennen wir in Eva einen solchen Hinweis. Paulus redet in Epheser 5 von Mann und Frau als einem Bild von Christus und seiner Versammlung, und so erkennt man in dem Mann in unserem Vers aus den Sprüchen schnell einen Hinweis auf Christus. Können wir erklären, warum Christus die Versammlung geliebt hat? Gab es da etwas Liebenswürdiges an dieser „Zukünftigen“? Das bleibt für immer unbegreiflich.
Dieses wunderbare Handeln Gottes und des Herrn Jesus ist selbst für die Engelwelt nicht begreifbar. Gott hat seinen geliebten Sohn für uns gegeben, die wir seine Feinde waren. Und wenn wir darüber nachdenken, was mit unserer engen Verbindung zum Herrn Jesus im Zusammenhang steht, wird es noch unbegreifbarer: Wir sind als sein Leib untrennbar mit Ihm verbunden, und als seine Braut genießen wir ewig seine Zuneigung (Off 19 und 21).
Ist es da nicht eigentlich selbstverständlich, dass diese so beschenkte und beglückte Braut Ihn jetzt wiederliebt? Der Herr Jesus wird sich an der frischen, echten Zuneigung und der Liebe eines solchen Brautstandes, eines Wandelns hinter Ihm her (vgl. Jer 2,2) erfreuen. Lasst uns Ihm diese Freude erfüllen!
Über das Bindeglied „So“ wird das Bild der ehebrecherischen Frau mit den vorangegangenen Vorbildern verbunden (siehe Vers 20). Dies Bild steht im krassen Gegensatz dazu. Der Teufel ahmt das Handeln Gottes vielfach nach, handelt aber gerade im Widerspruch zu allen Grundsätzen Got- tes. In der Offenbarung lesen wir mehrfach von der großen Hure, die ein Bild der von Gott abgefallenen Kirche ist. Für sie ist kein Erbteil in den Himmeln aufbewahrt. Sie meint zwar, dass ihr Handeln Gott verborgen bliebe. Und sie kümmert sich nicht um die Anweisungen Gottes. In der Beschreibung der Versammlung in Laodizea werden ähnliche Charakterzüge deutlich.
Daran sollten wir uns jedoch kein Beispiel nehmen. Wir dürfen die Wege Gottes bewundern: „O Tiefe des Reichtums, sowohl der Weisheit als auch der Erkenntnis Gottes! Wie unerforschlich sind seine Gerichte und unergründlich seine Wege!“ (Röm 11,33).
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