Wahrheit

Wahrheit

„Was ist Wahrheit?“ so fragte der ungerechte Richter und Statthalter (Prokurator) von Judäa, Pilatus, den Herrn Jesus. Es scheint, dass er dies mit spöttelndem Unterton getan hat. „Wahrheit“ war für ihn ein philosophischer Begriff, über den manche seiner Zeitgenossen nachgedacht und ihre oft widersprüchlichen Gedanken verbreitet hatten. Auch er wird als gebildeter Römer davon gewusst haben.

Hier aber stand ein Mann vor ihm, der für sich beanspruchte, in diese Welt gekommen zu sein, um „der Wahrheit Zeugnis zu geben“, und der hinzufügte: „Jeder, der aus der Wahrheit ist, hört meine Stimme“ (Joh 18,37). Leider ließ Pilatus unmittelbar nach seiner Frage den Herrn Jesus stehen, um vor den Juden seine Gerichtsverhandlung zu Ende zu bringen. Dabei hätte er von niemand anders eine klarere und mehr das Gewissen ansprechende Antwort haben können. Aber das wollte er wahrscheinlich vermeiden. „Wahrheit“ richtet sich in der Tat an das Gewissen. Das kommt daher, dass Wahrheit im absoluten Sinn nur in Gott ist und Er absolut die Wahrheit sagt. Wenn Gott uns die Wahrheit sagt, ist unser Gewissen getroffen.

Gott selbst ist Wahrheit

Schon im Alten Testament sagt Gott von sich: „Aber der HERR, Gott, ist Wahrheit; er ist der lebendige Gott und ein ewiger König“ (Jer 10,10). Er ist der „Gott der Wahrheit“ (Ps 31,5). Wahrheit (heb. emeth) bedeutet auch „Zuverlässigkeit“, „Festigkeit“, „Beständigkeit“, „Unveränderlichkeit“ und beschreibt somit das Wesen Gottes, der durch nichts und niemand erschüttert werden kann in dem, was Er ist, was Er sagt und was Er tut. In diesem Sinn ist Gott auch „treu“, Er steht völlig zu seinen Verheißungen und Aussprüchen. „Die Summe deines Wortes ist Wahrheit“, „dein Gesetz ist Wahrheit“, „alle deine Gebote sind Wahrheit“ (Ps 119,160.142.151). Was Gott sagt, steht fest. Was Gott sagt, bleibt bestehen: „Die Wahrheit des HERRN währt ewiglich“ (Ps 117,2).

Wahrheit und Lüge

Die Heilige Schrift, das Wort Gottes, ist darum der immer bleibende Ausdruck der Gedanken Gottes über alles, was ist, besonders auch über den Menschen und seinen Zustand, sein Verhalten und Reden. Gott sagt uns darin die Wahrheit. Es ist Wahrheit – der Herr Jesus sagt es in Johan- nes 17: „Dein Wort ist Wahrheit“ (V. 17) –, die in völligem Gegensatz steht zur Lüge und daher auch vom Widersacher Gottes bekämpft wird, denn dieser ist „ein Menschenmörder von Anfang an und steht nicht in der Wahrheit, weil keine Wahrheit in ihm ist. Wenn er die Lüge redet, so redet er aus seinem Eigenen, denn er ist ein Lügner und ihr Vater“ (Joh 8,44). Wir haben dafür manche Hinweise in der Schrift, den ersten im Garten Eden, wo er die Wahrheit der Worte Gottes in Zweifel zieht und schließlich verneint. Er verblendet den Sinn und verfinstert den Verstand (vgl. 2. Kor 4,4).

Christus – die Wahrheit

Im Neuen Testament erscheint die Wahrheit Gottes in einer besonderen Weise: in der Person des Sohnes Gottes. Dies ist eine herrliche und einmalige Offenbarung. Das Gesetz war durch Mose gegeben worden, Gott hatte es ihm gegeben, um es als seine Gedanken an das Volk weiterzugeben. Aber „die Gnade und die Wahrheit ist durch Jesus Christus geworden“ (Joh 1,17). In Ihm, dem Sohn, wurde Gott für Menschen sichtbar. Wenn auch im Alten Testament an vielen Stellen schon die Güte Gottes gesehen und gepriesen wird (z.B. 2. Mo 15,13; 34,6.7; Ps 136), so ist hier in der Person des Herrn Jesus Christus „die Gnade und die Wahrheit geworden“; die Gnade vereint mit der Wahrheit, die alles ans Licht stellt. Und so konnte Er von den Menschen, die einen Blick dafür bekamen, gesehen werden, so lebte er unter ihnen „voller Gnade und Wahrheit“ (Joh 1,14). Die Gnade zieht den sündigen Menschen zu Gott, die Wahrheit zeigt ihm, dass er als Sünder den Tod verdient hat – und auch, dass er gerettet werden kann! Der Herr Jesus sagt: „Ich bin der Weg und die Wahrheit und das Leben. Niemand kommt zum Vater als nur durch mich“ (Joh 14,6). Er ist der Weg, der zu Gott führt (s. 1. Petr 3,18). Er ist die Wahrheit, die Offenbarung dessen, was Gott ist, was Gott denkt, was Gott sagt. Er ist in allem, was Er von sich offenbart, vollkommen. So ist er das „wahrhaftige Licht“ (Joh 1,9), das „wahrhaftige Brot“ (Joh 6,32), der „wahre (oder wahrhaftige) Weinstock“ (Joh 15,1). Er ist das Leben, die neue Natur des Gläubigen, die ihn befähigt, mit Gott in Gemeinschaft zu sein, mit dem Vater und dem Sohn.

Der Geist der Wahrheit

Wer diesen „Weg“ beschritten hat – durch den Glauben an den Herrn Jesus und sein Sühnungswerk auf Golgatha –, hat die Gabe des Heiligen Geistes empfangen, der in ihm wohnt (1. Kor 6,19). Dieser Geist, den der Herr Jesus den „Geist der Wahrheit“ nennt, leitet den Gläubigen in die ganze Wahrheit. Er wird den Herrn Jesus verherrlichen, denn „von dem Meinen – so sagt der Herr Jesus – wird er empfangen und euch verkündigen“ (Joh 16,13.14). Darum lesen wir auch, dass „der Geist die Wahrheit ist“ (1. Joh 5,6).

Wandel in der Wahrheit

Alle, die an den Herrn Jesus als an ihren Erretter geglaubt haben und Vergebung und neues Leben empfangen haben, sind „aus der Wahrheit“ (1. Joh 3,19). Sie erkennen die Wahrheit und die Wahrheit macht sie frei (s. Joh 8,32). Und wenn der Herr Jesus sagt. „Jeder, der aus der Wahrheit ist, hört meine Stimme“ (Joh 18,37), so ist dies ihr Kennzeichen. Da müssen wir uns fragen, ob das bei uns auch stets der Fall ist. Ob wir seine Stimme hören, um vor der Lüge bewahrt zu bleiben. Ob wir uns durch die Wahrheit bewahren lassen.

Der Herr Jesus, der uns kennt, hat den Vater gebeten: „Ich bitte nicht, dass du sie aus der Welt wegnehmest, sondern dass du sie bewahrst vor dem Bösen. ... Heilige sie durch die Wahrheit: Dein Wort ist Wahrheit“ (Joh 17,15.17). Die Wahrheit deckt alles auf, was in uns ist, jede Unklarheit in unserem Verhalten, jeden frommen Schein, jede Unwahrheit. Für den Umgang miteinander gilt: „Redet Wahrheit, ein jeder mit seinem Nächsten.“ Wenn das Licht des Wortes Gottes in unsere Herzen scheint, führt es uns zum Bekenntnis alles Unwahren, aller Lüge, aller Sünde. So können wir die Gemeinschaft erleben mit Gott, der Wahrheit ist, mit dem, der sich als der „Wahrhaftige“ bezeichnet (Offb 3,7) und wünscht, dass wir „in der Wahrheit wandeln“ (2. Joh 4).

Die Gesellschaft, die uns umgibt, ist mehr und mehr in ihrem Zusammenleben geprägt von Lüge und Unaufrichtigkeit. Die Welt will Gott und die Wahrheit nicht. Umso wichtiger ist es, dass die Christen sich in ihrem Zeugnis als wahr erweisen, weil sie die Wahrheit lieben. „Wie wird ein Jüngling seinen Pfad in Reinheit (Aufrichtigkeit) wandeln? Indem er sich bewahrt nach deinem Wort“ (Ps 119,9).

Dein Wort ist Wahrheit. (Johannes 17,17)