Personen in der Bibel

Der erste Jünger

Auf den ersten Blick fällt Andreas unter den Jüngern nicht besonders auf. Er war vermutlich kein Wortführer. Im Vergleich zu Petrus oder Johannes lesen wir nur wenig von dem, was er sagte oder tat.

 

Dabei war Andreas wahrscheinlich der erste Jünger, der eine Begegnung mit Jesus hatte. Das hatte ihn sicher tief beeindruckt, denn man spürt förmlich, wie er von nun an von seinem Herrn und Meister überzeugt war und Ihm vertraute.

 

 

Sein Umfeld (Mk 1,16-20; Joh 1,43-45)

 

Andreas lebte mit seinem Bruder Simon (Petrus) in Bethsaida („Haus der Fische“) am See von Genezareth, der heute noch für seinen Fischreichtum bekannt ist.

Andreas und Petrus waren Fischer, vermutlich selbstständig, denn sie verfügten über eigene Netze. Ihre Berufskollegen Johannes und Jakobus kamen wahrscheinlich auch aus Bethsaida, ebenso wie Philippus und Nathanael. Auch wenn sie Fischer waren, heißt das nicht, dass sie arm oder ungebildet gewesen wären. Wenn sie später dennoch „ungelehrt“ und „ungebildet“ genannt werden, ist damit wohl gemeint, dass sie keine Schriftgelehrten waren (Apg 4,13). Als gläubige Juden kannten sie aber die Verheißung, dass der Messias kommen sollte und erwarteten Ihn.

 

 

Seine Begegnung mit Jesus (Joh 1,35-42)

 

Bevor der Herr Jesus seinen öffentlichen Dienst begann,  hatte Johannes der Täufer Ihn als den verheißenen Messias angekündigt. Johannes predigte den Juden die Taufe der Buße zur Vergebung der Sünden als Voraussetzung zur Aufnahme des Messias. Viele Juden horchten auf und ließen sich durch ihn taufen und wurden seine Jünger. Zu denen, die ständig bei ihm waren, gehörten die zwei Personen in Johannes 1,35. Später erfahren wir, dass einer davon Andreas war. Wer der andere war, wissen wir nicht genau; es ist gut möglich, dass es sich um den Evangelisten Johannes handelt, der sich in seinem Evangelium nicht mit Namen nennt. Eines Tages sah Johannes der Täufer den Herrn am See gehen und wies auf Ihn als Lamm Gottes hin. Davon angezogen folgten Andreas und der andere Jünger Jesus umgehend nach.

 

Das bemerkte Jesus sofort und ließ ihr Interesse nicht unbeantwortet. Er wandte sich um und stellte ihnen die Frage: „Wen sucht ihr?“ Vielleicht waren sie überrascht von der Frage. Konnte Er sich nicht denken, dass sie keinen anderen als Ihn suchten, da sie Ihm doch nachfolgten? Viele Menschen waren damals beeindruckt von seinen Lehren (Mt 7,28), von seinen Zeichen (Mt 9,33), oder weil sie Ihn für einen großen Propheten hielten (Mt 21,11). Der Herr Jesus wollte aber, dass die Menschen von Ihm selbst angezogen wurden. Seine Frage sollte ausschließen, dass sich ihr Interesse auf etwas anderes als seine Person konzentrierte.  

Andreas und sein Begleiter beantworteten die Frage des Herrn nicht direkt, sondern stellten Ihm eine Gegenfrage: „Rabbi, wo hältst du dich auf?“ Die Bezeichnung „Rabbi“ (oder Lehrer/Meister) war ein Ausdruck der Hochachtung. Sicher waren durch das Zeugnis des Johannes viele Fragen bei ihnen entstanden und sie ahnten, dass nur dieser Lehrer sie beantworten konnte. Dazu mussten sie wissen, wo Er sich aufhielt. Wie wunderbar ist dann die Aufforderung und Zusage des Herrn: „Kommt und seht!“ (oder: ihr werdet sehen).

Es wird ausdrücklich erwähnt, dass Andreas und der andere Jünger von der zehnten Stunde[1] an für den restlichen Tag bei Ihm blieben. Er hatte sie so beeindruckt, dass sie alles andere vergaßen und unbedingt bei Ihm bleiben wollten. Welch ein Erlebnis, den ganzen Tag mit Ihm zu verbringen und Ihn kennenzulernen. Redeten sie Ihn anfangs noch als Rabbi an, sprach Andreas am nächsten Tag von Ihm als dem Messias, dem Christus (Joh 1,41).

→  Wenn der Herr uns begegnet, sollten wir ein Verlangen danach haben, Ihn besser kennenzulernen. Dafür müssen wir andere Dinge liegen lassen und uns mit Ihm in seinem Wort beschäftigen. Seine Person wird uns beeindrucken, wir werden Ihn mehr lieben und Ihm mehr vertrauen.

 

 

Sein Leben mit Jesus

 

Schon am Tag nach dieser Begegnung sehen wir, welchen Eindruck die Zeit in der Gegenwart des Meisters bei Andreas hinterlassen hatte.[2] Aus eigenem Erleben wusste er, was für ein Segen es war, wenn Menschen Ihm begegneten. Deshalb führte er von da an Menschen zu Ihm. 

1. Simon (Joh 1,42)

Zunächst brachte er seinen eigener Bruder Simon zu Jesus. Dabei hielt er keine großen Reden, sondern stellte Jesus einfach als den Messias vor, den sie gesucht und nun gefunden hatten. Alles Weitere überließ er dem Herrn. Andreas wurde nicht enttäuscht. Auf wunderbare Weise offenbarte sich der Sohn Gottes auch Simon und gab ihm einen neuen Namen: Kephas/Petrus.

Dabei fällt auf, dass Simon, der sonst gerne und schnell das Wort ergriff, hier kein Wort sagte. Sicher war auch er von Jesus Christus beeindruckt. Die beiden waren später die ersten, die der Herr in seine Nachfolge rief (Mk 1,17).

→  Anderen den Herrn vorstellen und mit Ihm in Verbindung bringen, ist eine wertvolle Aufgabe. Sie beschränkt sich nicht nur auf das Evangelium, sondern gilt auch für den Dienst unter den Gläubigen. Dazu muss man Ihn selbst gut kennen und in den Vordergrund stellen.   

2. Die Schwiegermutter des Simon (Mk 1,29-31).

Auch an der Begegnung mit der fieberkranken Schwiegermutter war Andreas beteiligt. Simon und Andreas hatten erkannt, dass der Schlüssel zur Lösung ihres Problems in der Person des Herrn lag. Sie selbst konnten nichts tun, außer die kranke Frau mit Ihm zusammenzubringen und Ihn handeln zu lassen. Das war vielleicht nicht einfach für den sonst so tatkräftigen Petrus, aber Andreas war ihm hierbei sicher eine Hilfe.

So nahmen sie Jesus in ihr Haus auf und sagten Ihm einfach von ihr. Sofort heilte Er sie, so dass sie sofort dienen konnte. Der Herr belohnte Simon und Andreas dafür, dass sie von seiner Macht überzeugt waren und Ihm vertrauten.

→  Wenn es unser Wunsch ist, dass Menschen den Herrn Jesus (besser) kennenlernen, dann müssen wir Ihm unser eigenes Leben (das Haus) öffnen und Ihm alles übergeben. Dazu müssen wir allerdings von Ihm überzeugt sein und Ihm vertrauen.   

3. Der Junge mit den 5 Broten und 2 Fischen (Joh 6,1-13).

Am See Genezareth folgte dem Herrn eine hungrige Volksmenge (allein 5.000 Männer). Der Herr prüfte die Jünger mit der Frage, woher sie für diese vielen Menschen Brot nehmen wollten. Die Jünger waren rat- und hilflos. Andreas aber sah offenbar einen kleinen Jungen mit ein paar Nahrungsmitteln. Diesen brachte er zu dem Herrn. Aber auch er traute dem Herrn nicht zu, mit den wenigen Broten die Volksmenge zu nähren.

→  Wenn wir den Herrn nicht genügend kennen, bleiben wir bei der Erkenntnis unseres Mangels stehen. Wer Ihn aber gut kennt, geht den nächsten Schritt und bringt Ihm das Wenige, damit Er aus unserem Mangel im Überfluss austeilt.

4. Der Griechen (Joh 12,20-28).

Später in Jerusalem kamen Griechen, die zum Judentum übergetreten waren, zu Philippus. Sie hatten den Wunsch, Jesus zu sehen (Joh 12,20 ff.). Wir fragen uns, warum Philippus die Griechen nicht sofort zu Jesus brachte. Möglicherweise war er unsicher, ob der Herr sich mit ihnen beschäftigen würde (vgl. Mt 10,6; 15,24). Vielleicht fehlte ihm auch nur der Mut, sich direkt an den Herrn zu wenden. So fragte er lieber erst Andreas, der aber direkt wusste, was zu tun war: Direkt zu ihrem Herrn zu gehen, es Ihm zu sagen und Ihm alles zu überlassen. Das war richtig, denn der Herr konnte diese Begegnung als Anlass benutzen, um von sich als dem Weizenkorn zu reden, das in die Erde fallen und sterben musste.

→  Wenn wir unsicher sind, was der Wille des Herrn ist, können wir direkt zu Ihm gehen und Ihn ohne Scheu fragen. Diesen Mut darf auch das jüngste Kind Gottes schon haben. 

 

5. Auf dem Ölberg (Mk 13,3-37).

Kurz bevor der Herr gekreuzigt wurde, erlebte Andreas noch eine besonders schöne Gelegenheit in der Nähe seines Meisters. Er durfte auf dem Ölberg dabei sein, als der Herr im kleinen Kreis einiger Jünger über die Zukunft, die Zeichen seiner Ankunft und die Vollendung des Zeitalters (Mt 24,3) redete. Dieses Vorrecht hatten nur Petrus, Johannes, Jakobus und er.

→  Wenn die Beschäftigung mit der Person Jesu dazu geführt hat, dass Er in unseren Herzen wohnt (Eph 3,17), ist eine gute Basis gelegt, dass uns auch der ganze Ratschluss des Gottes über Christus und seine Versammlung (Eph 1,22) wertvoller wird.

 

6. Schluss:

Nach der Aufzählung der Apostel in Apostelgeschichte 1,13 lesen wir nichts mehr von Andreas. Die Überlieferung sagt, dass er das Evangelium bis zu den Skythen (ein unkultivierter Nomadenstamm im heutigen Südrussland, s. Kol 3,11) brachte. Er soll in Achaja (Griechenland) an einem schrägstehenden Kreuz (daher kommt wohl der Begriff „Andreas-Kreuz“) qualvoll als Märtyrer gestorben sein. Er war keiner, der besonders auffiel, aber jemand, der eine besondere Beziehung zum Herrn hatte und deshalb ein Leben mit Ihm und für Ihn führte. Wir können viel von ihm lernen.

 



[1] Anders als die Zeitangaben in den anderen Evangelien entsprechen sie bei Johannes wahrscheinlich unserer heutigen Zeitrechnung.
[2] Von seinem Begleiter lesen wir nichts mehr, das muss aber nicht heißen, dass er weniger von dem Herrn beeindruckt gewesen wäre. Wenn es sich tatsächlich um Johannes gehandelt haben sollte, wissen wir, warum er nicht von sich weiter schreibt ...